Mitte Juni hat der Bauausschuss in Lenggries einstimmig den Antrag eines Privateigentümers abgelehnt, an der Scharfreiterstraße eine Gemeinschaftsunterkunft (GU) für knapp 100 Geflüchtete zu bauen. Am Montag hat nun auch der Gemeinderat geschlossen gegen das Vorhaben gestimmt - trotz der Ankündigung des Kreisbauamts, das gemeindliche Einvernehmen im Fall einer Ablehnung zu ersetzen. Denn aus Sicht der Behörde gibt es keine baurechtlichen Gründe, die gegen den Antrag sprechen, eine Ablehnung sei rechtswidrig.
Der Antrag sieht vor, dass im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes an der Scharfreiterstraße, das als Gewerbegebiet ausgewiesen ist, Gemeinschaftsräume, Sanitäranlagen und das Büro eines Sicherheitsdienstes eingerichtet werden. In einem Containerbau dahinter sollen 24 Wohneinheiten für etwa 96 Personen entstehen. Die Nutzungsänderung ist auf zwölf Jahre befristet.
Laut Landratsamt ist der Containerbau "alternativlos"
Das Kreisbauamt weist auf eine Änderung im Baurecht hin, die Anfang Juli in Kraft getreten ist: Demnach können Genehmigungen für Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten nicht nur erteilt werden, sie sollen es sogar. Aus Sicht des Landratsamts ist eine Unterbringung von 100 Personen in der Gemeinde "nicht unverhältnismäßig". Weil in Lenggries Grundstücke und Immobilien fehlen, die ausreichend groß sind und schnell zur Verfügung gestellt werden könnten, sei ein Containerbau an der Scharfreiterstraße "alternativlos."
Laut aktueller Prognose müssen bis Jahresende 1600 zusätzliche Personen im Landkreis aufgenommen werden. Wegen des Hagel-Unwetters ist die Zuteilung zurzeit zwar ausgesetzt. Ab Januar 2024 muss der Landkreis aber aufholen und die Quote im Nachhinein erfüllen. Auch Lenggries gehört zu den Gemeinden, die ihr Soll nicht erfüllen: Derzeit leben 208 Geflüchtete in der Gemeinde, laut Königsteiner Schlüssel müssten es 35 mehr sein - Tendenz steigend.
"Zeichen, dass Flüchtlingspolitik so nicht weitergehen kann."
Dass das Landratsamt sich auf eine Reduzierung der GU an der Scharfreitersraße auf 50 Plätze einlassen würde, wie im Gemeinderat vorgeschlagen wurde, hält Bürgermeister Stefan Klaffenbacher (FWG) für unwahrscheinlich, um Präzedenzfälle zu vermeiden. Dass die Kreisbehörde unter Druck steht, dass andere Kommunen mit den gleichen Problemen kämpfen und Solidarität gefragt ist - all das wurde im Gemeinderat nicht infrage gestellt. Gleichwohl lehnten die Räte den Antrag erneut einstimmig ab: Die GU sei zu massiv, der Standort wegen der benachbarten Betriebe "unverträglich." Und es bestehe die Gefahr, dass sich ein sozialer Brennpunkt entwickeln könnte, wenn 100 Geflüchtete an einem Standort zentriert würden, so die Begründung. Außerdem wolle man "ein Zeichen setzen, dass es mit der Flüchtlingspolitik so nicht weitergehen kann", sagte Klaffenbacher. Denn nicht nur die Bereitstellung von Unterkünften und Kita-Plätzen sind eine Herausforderung. Auch den sozialen Frieden sehen die Gemeinderäte in Gefahr.
Vor der Bauausschusssitzung im Juni hatten 70 Bürger gegen die neue Flüchtlingsunterkunft protestiert, mit Unterschrift hatten sich in einer "ungeprüften Liste", wie Klaffenbacher sagte, 1000 Gegner eingetragen. In der Bevölkerung gebe es massiven Gegenwind, sagte Peter Gascha (FWG). Als Gemeinderat sei man der "verlängerte Arm der Bürger". Deren Unmut müsse nach oben weitergegeben werden. Das geschieht, denn kürzlich haben die 71 bayerischen Landräte geschlossen einen dringenden Appell an die Bundesregierung gerichtet: Die Bürger seien mit der Situation überfordert, Unterbringungskapazitäten seien erschöpft und an Integration sei gar nicht zu denken. Die erneute Ablehnung in Lenggries war ein eher symbolischer Akt, denn verhindern wird das die Unterkunft an der Scharfreiterstraße wohl nicht.