Bürgerversammlung Lenggries:"Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist wichtiger denn je"

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Bürgermeister Stefan Klaffenbacher berichtet über Entwicklungen in der Gemeinde Lenggries. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In den Beiträgen von Landrat Josef Niedermaier und Bürgermeister Stefan Klaffenbacher nimmt das Thema Geflüchtete breiten Raum ein.

Von Petra Schneider, Lenggries

Bei der Bürgerversammlung in Lenggries hat sich Landrat Josef Niedermaier (FW) am Freitag ausführlich zum Thema Geflüchtete erklärt und die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Man brauche endlich ein vernünftiges Einwanderungsgesetz mit einem Punktesystem wie in den USA oder Kanada, sagte Niedermaier. Nur so könne dem demografischen Wandel und dem damit verbundenen Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.

Gut 130 Bürgerinnen und Bürger waren am Freitag in den Alpenfestsaal gekommen. Im Anschluss an den einstündigen Rechenschaftsbericht von Bürgermeister Stefan Klaffenbacher (FWG) wurden Fragen und Anträge zu verschiedenen Themen gestellt, Kritik am Landrat wegen neuer Flüchtlingsunterkünfte gab es nicht.

Im Landkreis seien aktuell 3200 Geflüchtete untergebracht, erklärte Niedermaier in seinem Grußwort, jeden Monat kämen 100 dazu. "Mich regt das auch auf, dass die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nicht gerecht wird", sagte er. Im Verbund mit den 21 Bürgermeistern im Landkreis habe er deshalb einen Brandbrief an Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verfasst. Dass die Verteilung im Landkreis nicht gleichmäßig erfolge, und die drei Städte und die Gemeinde Kochel ihre Quote übererfüllten, habe "die sonst kameradschaftlichen Beziehungen der Bürgermeister untereinander ins Wanken gebracht". Die Quotenregelung nach dem Königsteiner Schlüssel habe "einige in Zugzwang gebracht", sagte Niedermaier. Aber er habe handeln müssen.

"Streiten gehört zum demokratischen Diskurs"

Zurzeit seien 1000 Plätze in Planung, jeweils in Unterkünften für 90 bis 150 Menschen. Die Kritik, dass diese zu groß seien, sei nicht unberechtigt, räumte der Landrat ein. Aber man könne die aktuelle Flüchtlingssituation nicht mit der von 2015 vergleichen. Mit dezentralen Unterkünften sei das nun nicht mehr zu schaffen. Immerhin übernehme der Freistaat Bayern, anders als andere Bundesländer, den allergrößten Teil der Kosten. Um eine Situation wie in Wolfratshausen zu vermeiden, wo die Turnhalle seit zwei Jahren mit Geflüchteten belegt ist, werde man weiterhin nach Unterkünften suchen. Dass es Proteste gebe, könne man nicht wegdiskutieren. "Streiten gehört zum demokratischen Diskurs", sagte Niedermaier. Aber ein "Aufeinander-Einhauen" helfe niemandem.

Auch Bürgermeister Klaffenbacher bezeichnete die Migration als das Thema, "das uns am meisten beschäftigt". Aktuell leben in Lenggries 178 Geflüchtet, davon 86 aus der Ukraine. 70 Menschen mehr müsste die Gemeinde unterbringen, um ihre Quote zu erfüllen. Eine neue Containeranlage an der Scharfreiterstraße, die im Mai bezugsfertig sein wird, soll Platz für knapp 100 Menschen schaffen.

Die Pläne hatten im Juni zu Protesten geführt. Der Gemeinderat lehnte den Bauantrag eines Privateigentümers ab, das Landratsamt genehmigte ihn trotzdem. Beim Kreisbauamt liegt derzeit noch ein weiterer Antrag eines Privateigentümers, der im ehemaligen Lehrsaalgebäude der Kaserne knapp 100 Plätze schaffen will. Auch diesen Antrag hat der Gemeinderat abgelehnt.

1400 Neuankünfte würden im Landkreis heuer erwartet, sagte Klaffenbacher. "Wir kommen an unsere Belastungsgrenze." Denn bei der Integration der Geflüchteten seien die Kommunen auf sich gestellt. Ohne Helfer gehe das nicht; die Integrationsbeauftragte Maya Nazarova, die die Gemeinde zum 1. September eingestellt hat, leiste sehr gute Arbeit. "Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist in diesen Zeiten wichtiger denn je", betonte Klaffenbacher.

Mehr als 130 Bürgerinnen und Bürger nahmen teil. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In seinem Rechenschaftsbericht ging er auf wichtige Projekte ein: Das neue Pflegeheim, das rund 21 Millionen Euro kosten wird und 90 Plätze bietet, soll im Frühsommer 2025 bezugsfertig sein. Auch bei der ehemaligen Kaserne gebe es Fortschritte: Für die Flächen und Gebäude im Eigentum der Gemeinde wurde ein neuer Bebauungsplan aufgestellt, der eine gemischte Nutzung mit Gewerbe und Wohnungen vorsieht; eine neue Kita soll entstehen, bezahlbare Wohnungen vor allem für Pflegekräfte und Kita-Personal. Der mehr als 50 Jahre alte Kasernensportplatz soll saniert und um einen Fitness-Parcours erweitert werden.

Die Bauarbeiten am Brauneckhotel, das von einem Investorenkonsortium "revitalisiert" und von Marriott betrieben werden soll, würden im April beginnen, die Eröffnung sei für 2025 geplant. Dass das Hotel seit Monaten geschlossen ist, macht sich bei den Gästeübernachtungen negativ bemerkbar: Die Zahlen sind im vorigen Jahr um zwölf Prozent zurückgegangen.

Viel Lob gab für den Einsatz der Lenggrieser Feuerwehren beim Hagelunwetter im August, das vor allem nördliche Gemeindeteile getroffen hatte. 2200 Arbeitsstunden hätten die Ortsfeuerwehren geleistet, sagte Klaffenbacher, was Personalkosten von rund 45 000 Euro entspreche. Die Einsatzkräfte hätten sich meistens Urlaub genommen, um helfen zu können, und Betriebe weitgehend auf Lohn-Ersatz verzichtet.

In der Fragerunde stellte Sibylle Reuter den Antrag, dass das derzeitige Pflegeheim nach dem Umzug in den Neubau nicht abgerissen, sondern zu Personalwohnungen umgebaut wird. Ein Vorschlag, den der Gemeinderat bereits vor gut zwei Jahren diskutiert und mit Blick auf Kosten und Kubatur des alten Gebäudes abgelehnt hat.

Antrag auf Redezeitbegrenzung abgelehnt

Werner Hüttl regte an, dass man dem Gemeinderat empfehlen solle, für Bürgerversammlungen eine Satzung nach dem Muster von Starnberg zu erarbeiten. Diese sieht unter anderem vor, die Redezeit des Bürgermeisters auf 15 Minuten zu begrenzen, damit mehr Zeit für Fragen bleibt. Die Bürgersammlung lehnte den Antrag klar ab.

Eine Wortmeldung zum Thema Geflüchtete gab es: Sabine Pfister wünschte sich mehr Zuversicht. "Denn Integration passiert nicht, wenn man die Ängste von Bürgern noch mal verdoppelt." Geflüchtete könnten eine Bereicherung für das Land sein, "und es wird uns nichts weggenommen durch sie".

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