Lenggries/Bad Tölz:Schlechte Behandlung

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Wird zum 30. Juni geschlossen: Die Reha-Klinik in Lenggries. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Politiker und Betriebsrat kritisieren Vorgehensweise der Asklepios-Klinik bei Schließung der Reha-Klinik Lenggries.

Von Ingrid Hügenell, Klaus Schieder, Lenggries/Bad Tölz

Die Mitarbeiter der geriatrischen Reha-Klinik in Lenggries sind niedergedrückt, viele haben sich krankgemeldet. "Sie fühlen sich schlecht behandelt", sagt Betriebsratsvorsitzender Lothar Conrad. Das Haus, das zur Asklepios-Stadtklinik Bad Tölz gehört, wird zum 30. Juni geschlossen, was die Belegschaft erst am Mittwoch erfuhr, als schon alles beschlossen war. Conrad, der auch der klinische Neuropsychologe der Klinik ist, berichtet, die Verwaltung habe ihn gefragt, ob man die Mitarbeiter irgendwie trösten könne. Das könne er nicht, sagt er. Aber er hofft, dass der Arbeitgeber seine Ankündigung wahr mache, bei den Abfindungen großzügig zu sein. Am kommenden Freitag sollen die Verhandlungen beginnen. Derzeit sei die Versorgung der Patienten schwierig, manches falle aus, die Arbeitsbelastung der anwesenden Mitarbeiter sei umso größer.

Warum die Klinik so schnell geschlossen wird und sogar schon verkauft ist, mag bei Asklepios niemand erklären. Sie schreibe eine schwarze Null, sagte Geschäftsführer Joachim Ramming dem Lenggrieser Bürgermeister Werner Weindl (CSU). Der Asklepios-Konzern will jedoch Rendite sehen. Dass das der Grund für den Verkauf der Lenggrieser Einrichtung sei, stritt ein Hamburger Konzernsprecher am Freitag aber ab. Dass die funktionierende Einrichtung aufgegeben wird, bevor am Standort Tölz ein Ersatz überhaupt geplant wurde, konnte der Sprecher nicht erklären. Auch der Tölzer Asklepios-Sprecher Christopher Horn mag nicht sagen, warum der Verkauf nicht erst in einem Jahr stattfindet: "Dazu kann ich mich nicht äußern." Betriebsratsvorsitzender Conrad nennt die Entscheidung "absurd". Da fehle die Patientenorientierung. Die Mitarbeiter seien in Kliniken ein "wertvoller Schatz - wenn man die alle weg jagt, ist es nachher schwer, wieder welche zu finden".

Womöglich wollte Asklepios kein Geld mehr in den Brandschutz in Lenggries stecken. Landrat Josef Niedermaier (FW) hat über Facebook bekannt gegeben, dass die Klinik bei der Übernahme durch Asklepios 2013 entsprechende Mängel aufwies. Er spricht von "weiteren millionenschweren Investitionen", die nötig seien. Über den Brandschutz sei im Juni 2016 im Klinikbeirat gesprochen worden, sagt der Tölzer Bürgermeister Josef Janker (CSU). "Man konnte raushören, dass es damit große Schwierigkeiten gibt." Als Vertreter der Stadt gehört er dem sechsköpfigen Beirat an. Janker übt deutliche Kritik an der Informationspolitik der Asklepios-Klinik. Die Ankündigung der Schließung nur zwei Tage nach dem Beschluss im Kreisausschuss, ihr finanzielle Hilfe für den Erhalt der Geburtshilfe zu gewähren, nennt der Bürgermeister "äußerst unglücklich". Auch Niedermaier kritisiert den Umgang mit den Mitarbeitern und der Kommune. Beide äußern aus wirtschaftlicher Sicht Verständnis für die Entscheidung, die Akutgeriatrie und das Reha-Angebot am Standort Tölz zu vereinen.

Asklepios hätte aber erklären müssen, wo die neue Hauptabteilung mit 30 Betten unterkommen solle, sagt Janker. Für ihn ist klar, dass spekuliert werde, "wenn Asklepios mitteilt, dass die Geburtshilfe bis zum 30. Juni gesichert ist, und dann erklärt, ab 1. Juli beginnt die Geriatrie". Wo die Abteilung untergebracht werden, steht Horn zufolge nicht fest. Am Konzept werde "fieberhaft gearbeitet", es gebe freie Kapazitäten im Haus. "Die Station 2, in der die Geburtshilfebetten untergebracht sind, und der Kreißsaal sind in dem Konzept nicht mit einbezogen." Asklepios wolle die Geburtshilfe in Kooperation mit einer anderen Klinik erhalten.

Als es im November 2016 im Beirat um die Geburtshilfe gegangen sei, habe man zu Lenggries nichts erfahren, sagt Janker. Auch er wurde erst am Donnerstag informiert. Das Gremium hat kein Mitspracherecht in Fragen der Betriebsführung und der Ausrichtung des Krankenhauses. Als eine bloße Kaffeerunde sieht er den Beirat gleichwohl nicht, sondern als Bindeglied zur Politik. Wenn es um Erbpachtvertrag, Kooperationsverträge oder die Übergabe der Betriebsträgerschaft an Dritte gehe, dürfe er auch mitbestimmen.

Niedermaier, der 2001 als Tölzer Bürgermeister die Privatisierung der Stadtklinik befürwortete, hält diesen Schritt noch immer für richtig. "Die Rahmenbedingungen dafür hat der Bund gesetzt", sagt er. "Die gefallen mir nicht, denn sie fordern volle Wirtschaftlichkeit. Diese Mischung aus Planwirtschaft und Kapitalismus funktioniert im Gesundheitswesen einfach nicht." Der Kochler Bundestagsabgeordnete und Kreisrat Klaus Barthel (SPD) sagt: "Der Vorgang ist eine neuerliche Warnung für alle, die in der Privatisierung des Kreispflegeheimes eine Lösung sehen. Der Landkreis muss seinen Einfluss auf solche Einrichtungen der Daseinsvorsorge sicherstellen." Niedermaier bleibt dabei, das Kreispflegeheim womöglich privatisieren zu wollen.

Unterdessen wurde bekannt, dass Christine Hertwig, die Frau des Lenggrieser Immobilienmanagers und Geschäftsführers der Bergweg 21 Immobilien-Gesellschaft Christoph Hertwig, zugleich Sekretärin der Geschäftsleitung der Tölzer Asklepios-Klinik ist. Die GmbH wurde Anfang November mit dem Ziel gegründet, die Reha-Klinik zu kaufen, umzubauen und mit Rendite zu betreiben, als was auch immer. Christine Hertwig fungiert in einigen Immobiliengesellschaften ihres Manns als Geschäftsführerin. "Der Verkauf der Reha-Klinik und das Arbeitsverhältnis von Frau Hertwig sind klar voneinander zu trennen", sagt Horn. Dass seine Frau bei Asklepios arbeite, sei Zufall, sagt Hertwig.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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