Landgericht München II:Ein Boxtalent geht zu Boden

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Patrick S. galt als hoffnungsvoller Sportler. Dann kam der Knock-out: Mit Raubüberfällen wollte er seine finanzielle Misere beheben. Nun steht er vor Gericht.

Andreas Salch

Patrick S. galt einmal als Talent im Boxen. In seiner Gewichtsklasse, dem Halbfliegengewicht, habe er mit "Weltklasseleuten" im Ring gestanden, sagt der inzwischen 33-Jährige noch heute voller Stolz. Er sei sogar auf den Sprung in die Nationalmannschaft gewesen.

Die Tankstelle an der Sachsenkamer Straße in Bad Tölz suchte sich Patrick S. als Ziel für seinen Raubüberfall aus. Jetzt muss er sich wegen schwerer räuberischer Erpressung vor dem Landgericht verantworten. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Jahr 2007 kam dann aber ein schwerer Knock-out. So zumindest beschreibt es Patrick S.. Seine Frau ließ sich von ihm scheiden, er begann zu trinken und verlor seinen damaligen Job bei einer Sicherheitsfirma, da er zu oft krank war. Arbeitslosengeld habe er zunächst keines bekommen. "Da ist für mich eine Welt zusammengebrochen", erinnert sich der 33-Jährige.

Aus lauter Frust habe er "durchgesoffen". Das war auch am 22. November 2008 so. In den frühen Morgenstunden des darauf folgenden Tages, gegen drei Uhr, wachte Patrick S. auf. Er maskierte sich, nahm ein Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge und überfiel eine Tankstelle in der Sachsenkamer Straße. Die "Idee" dazu, sagte Patrick S. am Donnerstag vor dem Landgericht München II, wo er sich wegen schwerer räuberischer Erpressung verantworten muss, sei ihm "spontan" gekommen.

Der 33-Jährige erbeutete 620 Euro. Beim Verlassen der Tankstelle sagte er zu dem Tankwart noch "Sorry" und verschwand unerkannt in der Dunkelheit. Das komplette Geld habe er noch am selben Tag mit seinen Zechkumpanen in einer Kneipe "versoffen", so S. Zwei Wochen später erzählte er einem von ihnen, woher das Geld stammte.

Dann passierte lange nichts. Bis Anfang Dezember vorigen Jahres. Der Bekannte von Patrick S. wollte sein schlechtes Gewissen erleichtern. Er rief den überfallen Tankwart an und sagte ihm, wer die Tat begangen habe. Patrick S. kam in Untersuchungshaft. Da die Fahnder nach dem Überfall auf die Tankstelle DNS-Material von ihm hatten sicherstellen könne, fanden sie bei einem Vergleich mit noch nicht aufgeklärten Fällen heraus, dass ein weiterer Überfall auf das Konto des ehemaligen Boxers geht.

Nur zehn Tage nach der ersten Tat hatte S. versucht, einen Supermarkt in Wackersberg auszurauben. Morgens um 7 Uhr. Dass um diese Uhrzeit noch nicht viel Geld in der Kasse sein konnte, habe er nicht bedacht, so der Angeklagte. Nachdem der Kassierer ihm dies schließlich gesagt hatte, erhielt Patrick S. von seinem Opfer einen Schlag ins Gesicht und rannte Hals über Kopf davon. Auch vor diesem gescheiterten Raubüberfall will er viele Stunden gezecht haben. Als er am nächsten Morgen aufgewacht sei, habe er sich wieder mehr oder weniger spontan dazu entschieden, einen Überfall zu begehen.

Dass Patrick S. einmal Sportler war, sieht man ihm noch immer an. Er wirkt durchtrainiert und wiegt gerade mal 60 Kilogramm bei einer Größe von 1,75 Metern. Als er arbeitslos gewesen sei, habe er täglich sieben bis acht Bier und genauso viele Stamperl Wodka getrunken, sagte S..

Dem Gutachten eines Rechtsmediziners zufolge dürfte der 33-Jährige bei dem Überfall in Bad Tölz angesichts seines geringen Körpergewichts eine Blutalkoholkonzentration von fast 1,6 Promille gehabt haben - und das 15 Stunden, nachdem er das letzte Glas Bier ausgetrunken hatte. Bei dem Überfall habe der Angeklagte nicht betrunken gewirkt, meinte der Tankwart bei seiner Vernehmung.

Nachdem S. die Geldscheine an sich genommen habe, sei er sogar davongerannt. Als der Tankwart seine Aussage gemacht hatte, stand Patrick S. auf. Dem ehemalige Boxer rinnen Tränen über die Wangen. Mit schluchzender Stimme bittet er den Tankwart um Entschuldigung. Der entgegnete: "Passt schon." Der Prozess dauert an.

© SZ vom 11.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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