Krippenausstellung in Tölz:Kaleidoskop der Frömmigkeit

Lesezeit: 2 min

Eine Krippenwerkstatt für das Tölzer Stadtmuseum. Der Tölzer Krippenverein erstellt, modelliert und fertigt in mühevoller Kleinarbeit naturgetreue Landschaften, um diese als Krippen dem Stadtmuseum letztlich auszustellen. (Foto: N/A)

Die Mitglieder eines 1977 gegründeten Tölzer Vereins pflegen, reparieren und drapieren die Krippen der Stadt und der Region. Derzeit arbeiten sie am Auftritt eines besonderen Prachtexemplars, die "Pauer-Krippe" des Hoftapezierermeisters von König Ludwig II.

Von Barbara Szymanski, Bad Tölz

Das Kamel scheint gerade losschreiten zu wollen. Und hat der König aus dem Morgenland nicht mit dem Fuß gewippt? Verblüffend naturgetreu und mit viel Liebe zum Detail ist auch diese Figur der Pauer-Krippe gearbeitet. Noch steht der König ziellos herum in der öffentlich zugänglichen Krippenwerkstatt des Tölzer Museums. Doch bald, vielleicht schon zur Adventszeit, wie die Museumsleiterin Elisabeth Hinterstocker hofft, wird diese und viele andere Krippendarsteller in einer passenden Umgebung ihren Auftritt haben. Diese Kulisse wird wohl ebenso echt wirken wie die zauberhaften Geschöpfe aus Holz und Textilien selbst. Dafür sorgt der 1977 gegründete Krippenverein. Denn "Tölz ist über seine Stadtgrenzen hinaus bekannt für seine schönen Krippen", sagt Siegfried Schmeller, der Ehrenvorsitzende.

Ihn hat es schon im Alter von sieben Jahren "erwischt". Ein Kriegsversehrter hat ihn das Schnitzen gelehrt und das Erarbeiten von Krippenfiguren. In dieser Sparte allerdings üben sich die Aktiven des Vereins nicht mehr. "Unser Hauptgeschäft ist, Krippen in den fünf Tölzer Kirchen zu betreuen", berichtet der Vorsitzende Wolfgang Friedl. Auch in Reutberg, Bichl, Wackersberg und Bad Heilbrunn pflegen Mitglieder des derzeit 40 Köpfe zählenden Vereins die Krippen, arrangieren die Figuren der Jahreskrippen, reparieren, drapieren, bauen ab und auf.

Doch was sind wundervolle Figuren, wie die der Pauer-Krippe, die eine Münchner Familie dem Tölzer Museum vermacht hat, wenn sie nicht eine passende und stimmungsvolle Umgebung bespielen können. Das war und ist die derzeit zentrale Aufgabe für die Tüftler und Erfinder, die ihre langjährigen Kenntnisse und überbordende Fantasie in gut 500 Stunden ausleben konnten und können. Ein Geheimnis machen Schmeller, Friedl und der für die "Botanik" - also Palmen, Zedern oder Dornenbüsche - zuständige Wolfgang Peschl aus der Entstehungsgeschichte der felsigen Kulisse mit der steinernen Geburtshöhle nicht. An der Wand der Werkstatt können Museumsbesucher den Entwurf von Schmeller aus Ytong sehen und dann anhand von Fotos Schritt für Schritt verfolgen, wie aus Styropor, Faserplatten, Leim, Steinchen und vielen anderen Materialien die nachempfundene Hügellandschaft des Westjordanlandes entstand. Diese präsentiert sich in der Realität mit 4,60 Metern Länge, 1,35 Metern Breite und ungefähr 85 Zentimetern Höhe. In ein Halbrund mit sechs Metern Länge und 1,50 Metern Höhe sind diese wahrhaft orientalisch erscheinenden Gefilde eingebettet. Noch sind nur wenige himmelblaue Pinselstriche zu sehen. Das Ziel der Malerin Inge Friedl ist jedoch, den gemalten Hintergrund mit dem dreidimensionalen Vordergrund so zu verschmelzen, dass Tiefe entsteht und perfekte Stimmung. Dass sie ihr Handwerk beherrscht, kann sie in einer Mappe mit Fotos zeigen. Schon oft hat die Kunstschaffende, die vor allem fantasievolle und farbstarken Ölbilder malt, bei öffentlich zugänglichen aber auch vielen privaten Krippen für den perfekten Hintergrund gesorgt. Doch die Dimension der Pauer-Krippe, die sich weiland im Besitz des Hoftapezierermeisters von König Ludwig II. befand, verursacht bei ihr ein leichtes Bauchkribbeln, wie sie gesteht.

Wie eine Krippenlandschaft entsteht
:Styropor, Leim und Geduld

Als Umgebung für die prächtige Pauer-Krippe haben die Freiwilligen in rund 500 Stunden Arbeit aus Styropor, Faserplatten, Leim, Steinen und mehr eine Hügellandschaft des Westjordanlandes nachgebaut.

Von Claudia Koestler

Währenddessen wird von einer Spezialfirma die Vitrine gebaut für die geplante Dauerausstellung eben dieser Pauer-Krippe sowie der Reiterkrippe, der Passionskrippe und der biedermeierlichen Kastenkrippe aus Pappmaché und Wachs, Spiegelchen, Kirschholz und Textilien. Darauf freut sich Museumsleiterin Hinterstocker genauso wie die Landschaftsbauer der prächtigen Pauer-Krippe. Und Wolfgang Peschl, der Botaniker, begrüßt gerne Interessierte, denen er in der Krippenwerkstatt Tipps und Tricks zeigen will, wie echt wirkende Palmen und anderes entstehen können. "Störungen" durch Museumsbesucher sind also erwünscht. "Nur die Bezeichnung Kripperl möchten wir nicht hören", sagt Friedl ernst. Vermutlich würde darob sogar der erhabene König aus dem Morgenland vom Kamel fallen.

Krippenwerkstatt im Bad Tölzer Stadtmuseum, Marktstraße 48, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Botanik-Kurs für Krippenbauer 12.bis 14. November, 15 bis 17 Uhr

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: