Konzert:Mal Zwölftonreihen, mal Groove

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Hochklassiges Zusammenspiel: Das Roland Neffe Trio überzeugte bei seinem Auftritt vor nur gut einem Dutzend Zuhörern in der Reihe "Loisach Jazz". (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Vibes Beyond": Roland Neffe weiß um die Gefahren der Besetzung Vibraphon, Schlagzeug und Bass im Jazz, geht ihnen mit seinem Trio in der Musikschule Wolfratshausen aber gekonnt aus dem Weg

Von Matthias Köpf, Wolfratshausen

Ein klassisches Jazz-Trio bietet Platz, und das um so mehr, wenn es sich bei zwei Musikern um einen Schlagzeuger und einen Bassisten handelt. Spielt der dritte Vibraphon, dann ist die Gefahr groß, dass der dann den vielen Platz mit den gerne als perlend beschriebenen Läufen zuklöppelt und viel zu oft am Einsatz des Dämpfer-Pedals spart, um die letzten Lücken mit dem Nachhall seiner Schläge zu füllen. Roland Neffe hat darauf mit seinen Vibes Beyond am Freitagabend überwiegend verzichtet. Den Saal der Wolfratshauser Musikschule hat er trotzdem gut gefüllt, wenn auch nicht mit Zuhörern.

Dass sich nicht einmal zwei Dutzend Gäste einfinden, ist leider Standard bei der losen "Loisach Jazz"-Reihe, die sich die Stadt Wolfratshausen seit 2011 vom Germeringer Veranstalter Hans-Jürgen Schaal kuratieren lässt. Doch wer da ist, bekommt meistens Hochklassiges zu hören, was auch mit "Roland Neffe's Vibes Beyond" nicht anders war.

Die "Vibes" müssen musikalisch spätestens seit Bob Marley oder den Beach Boys als Chiffre für allerlei Gefühltes bis Gefühliges herhalten, doch als Instrument dürfen die Jazzer sie für sich reklamieren. Denn das Vibraphon ist noch keine hundert Jahre alt und war mit seinem ersten und noch immer größten Star Lionel Hampton von Beginn an ein Jazz-Instrument, vor allem eins der Bigbands. Erst Milt Jackson hat es mit seinem Modern Jazz Quartet in kleineren Besetzungen etabliert, wie auch Roland Neffe sie bevorzugt.

Der Österreicher und Wahl-Berliner weiß um die Gefahren seiner Besetzung und erläutert dem Publikum das Problem zwischendurch sogar selbst, denn seine pädagogische Ader ist doch deutlich ausgeprägter als sein Bühnen-Charisma. Der nette Mann mit den Schlägeln versucht nach eigener Ansage die drohende Langeweile der vielen Töne mit Zwölftonreihen und anderen kompositorischen Elementen aus der Neuen Musik zu begegnen, in der er sich ebenfalls gern tummelt. Beyond eben.

Am besten funktioniert das, wenn Neffe sich wie in "Acoustic Outland" an der minimal music eines Steve Reich orientiert, bei der sich kurze, immer wiederkehrende Patterns zu einem dichten Ganzen verweben. Dass die Zahl der musikalischen Schuss- und Kettfäden bei einem Trio begrenzt ist, fällt da kaum auf, denn Neffe selbst weiß seine vier Schlägel auf dem metallenen Vibraphon und der wärmeren, weil hölzernen Marimba durchaus zu handhaben, und seine Nebenleute beherrschen ihre Instrumente sicher nicht weniger. Reinhardt Winkler, der mit Neffe schon seit gemeinsamen Grazer Jugendzeiten vor bald einem Viertaljahrhundert zusammenspielt, ist ein völlig unaufgeregter, aber ungeheuer präziser und variantenreicher Schlagzeuger. Peter Herbert ist erst kürzlich zum Trio gestoßen und einerseits oft ein echter Streicher und andererseits ein sehr perkussiver Bassist, der sein Instrument mit den Fingerspitzen beklopft und die Handfläche über den Korpus schmieren lässt. Er ist für die manchmal dringend nötige Schräglage zuständig, die sich aus einem in der Harmonie gleichsam fest verschraubten Vibraphon so schwer holen lässt.

Winkler und Herber sind die interessanteren Solisten als Bandleader Neffe, der - vom rein Kompositorischen einmal abgesehen - seine stärksten Momentan immer dann hat, wenn er sich daran erinnert, dass auch sein Instrument zum Schlagwerk gehört. Dann vergönnt er sich und den Zuhörern in den tiefen Registern seiner Marimba, die in ihrer dunklen Wärme Herberts Kontrabass seelenverwandt sind, den durchgehenden Beat und den Groove, der für die Jazzer dann doch mehr gute Vibes birgt als manch kompliziert Konstruiertes. Ein Stück wie "Speak" erinnert dann an das, was von Bryan Carrott auf der legendären Berliner Live-Aufnahme der Lounge Lizards von 1991 zu hören ist. Das ist eine Weile her, doch für einen Mann an den Vibes bleibt es kein geringes Kompliment.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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