Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Zu neuem Miteinander gezwungen

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Bei der Wahl zum künftigen Stadtrat Wolfratshausen haben die Grünen den größten Nutzen aus ihrer Arbeit ziehen können. Die bislang größten Fraktionen von Bürgervereinigung und CSU mussten hingegen Federn lassen. Und für die SPD ist das Ergebnis einfach nur bitter

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Die politischen Zeiten sind gut für die Grünen. Das zeigen die Erfolge der Partei allenthalben. Dass die Fraktion im Wolfratshauser Stadtrat bei der Kommunalwahl von der kleinsten zur größten wird, damit hatte auch bei den gewählten Vertretern der Ökopartei keiner wirklich gerechnet. Sechs Stadträte werden die Grünen künftig im Gremium stellen, doppelt so viele wie bisher. "Ich habe nicht geglaubt, dass wir erster werden", sagt Fraktionssprecher Hans Schmidt. "Aber ich bin natürlich begeistert."

Der Erfolg komme jedoch nicht von ungefähr. "Der Klimaschutz ist in den Köpfen und Bäuchen der Gesellschaft angekommen", sagt Schmidt. "Jeder weiß: Man muss was tun. Und dieses Tun traut man uns zu." Für die Fraktion im Wolfratshauser Stadtrat sei das auch eine große Verantwortung. "Wir müssen durchsetzen, dass unsere Klimaschutzziele auch umgesetzt werden", erklärt Schmidt.

Den Erfolg führen er und die knapp unterlegene Bürgermeisterkandidatin Annette Heinloth, die bei der Stadtratswahl die meisten Stimmen aller Kandidaten bekam, aber auch auf die Aktivitäten des Ortsverbands zurück. So habe es etwa das Grüne Kino und die Gesprächsreihe "Wie wollen wir leben?" gegeben. Und die Stadtratsfraktion habe, oft in Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen, viele erfolgreiche Anträge gestellt. "Wir waren einfach politisch präsenter als die anderen", findet Schmidt. Im Stadtrat werden die Grünen nun auch numerisch vom David zum Goliath. "Wir werden viel mehr Gewicht haben in der Stadtpolitik", sagt Schmidt. Das wolle man nicht nur für den Klimaschutz nutzen, sondern auch für andere Themen des Wahlkampfs, etwa mehr Bürgerbeteiligung und mehr Information für die Stadträte. Auch den Baumschutz werde man wieder auf die Tagesordnung bringen. "Da wird sich was bewegen", sagt Schmidt.

Ordentlich bewegt haben die Wähler die Kräfte in dem Gremium, dessen Parteien und Gruppierungen sich nun von vier auf sechs erhöht haben. Neben den Grünen werden künftig Bürgervereinigung und CSU (je fünf Sitze), SPD (vier Sitze), Wolfratshauser Liste (drei Sitze) und FDP (ein Sitz) um die Geschicke der Stadt debattieren. Die bislang größten Fraktionen von Bürgervereinigung (BVW) und CSU mussten am meisten Federn lassen und haben je drei Sitze verloren. Ein schwerer Schlag, weshalb bei ihren Vertretern die Analyse des Ergebnisses so kurz nach der Wahl noch knapp ausfällt. "Man muss das jetzt alles reflektieren", sagt Klaus Heilinglechner, der für die BVW Bürgermeister bleiben möchte. Er sei aufgrund der Krisensituation mit Corona noch nicht dazu gekommen, sich dazu viele Gedanken zu machen. Der Vorstand werde aber die Ergebnisse demnächst analysieren. Heilinglechner, der bei der Bürgermeisterwahl immerhin sieben Prozent mehr Stimmen bekommen hat als seine Gruppierung bei der Stadtratswahl, findet es "sehr schade", dass einige BVW-Vertreter nicht mehr im Stadtrat sind. Die Jugendreferentin Kathrin Kugler habe etwa viel angestoßen. "Es ist schade, dass das nicht honoriert wird", sagt Heilinglechner.

Sein Konkurrent in der Stichwahl zum Bürgermeisteramt will nicht von Enttäuschungen sprechen. "Es ist genau das eingetreten, was wir erwartet hatten", sagt Günther Eibl von der CSU. Schließlich habe seine Fraktion zum Ende der Legislaturperiode drei Abgänge hinnehmen müssen: Richard Kugler und Manfred Fleischer gründeten zusammen mit dem BVW-Aussteiger Helmut Forster die Wolfratshauser Liste und Helmuth Holzheu wechselte zur Bürgervereinigung, für die er nun in den Stadtrat gewählt wurde. "Und es war klar, dass wir Federn lassen mussten aufgrund des allgemeinen politischen Stimmungswandels", sagt Eibl.

Dass die SPD einen Sitz verloren hat, findet Fritz Meixner hingegen "schon bitter". Auch wenn er sich über seinen persönlichen Erfolg freue - mit 4388 Stimmen konnte er Spitzen- und Bürgermeisterkandidat Manfred Menke überholen - mache ihn das Ergebnis der SPD "echt traurig", erklärt der Fraktionssprecher der Sozialdemokraten. "Wir waren eine sehr fleißige Fraktion", sagt Meixner. Es gebe viele Erfolge in der Stadt, etwa den sozialen Wohnungsbau in Waldram oder die Entwicklung der einstigen Landwirtschaftsschule, "die man klar bei uns hätte verorten können", betont er. "Das hat der Wähler wohl nicht gesehen."

Bei den neuen Kräften freut man sich über den Wahlausgang. "Ich bin sehr zufrieden", sagt Helmut Forster, der zusammen mit Kugler und Fleischer für die Wolfratshauser Liste in den Stadtrat gewählt wurde. "Uns gibt es schließlich erst seit vier Monaten. Wir konnten nicht automatisch davon ausgehen, dass wir überhaupt in den Stadtrat kommen. Und nun können wir eine Fraktion bilden."

Auch Patrick Lechner ist "sehr glücklich", dass ihm die Wähler zum einzigen FDP-Sitz verholfen haben. "Das ist ein guter Start, nachdem wir 18 Jahre nicht im Wolfratshauser Stadtrat vertreten waren", sagt er. Er werde "keine One-Man-Show" sein, erklärt er. Sein Team vom Ortsverband werde "im Hintergrund mitarbeiten", auch werde er mit allen Fraktionen Gespräche führen, um eine Fraktionsgemeinschaft zu bilden, "damit ich mein Mandat besser ausführen kann".

Die neue Konstellation im Stadtrat wird für alle eine Herausforderung. Schon in den vergangenen Jahren konnten die Stadträte nur mit interfraktioneller Zusammenarbeit die nötige Mehrheit finden, um zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen. Nun wird die Kollaboration miteinander noch wichtiger. Das wissen auch die Protagonisten. Die Stadtratsarbeit werde "schwieriger aber interessanter", prophezeit Schmidt. "Es kommt darauf an, gemeinsame Positionen zu finden, die Wolfratshausen weiterbringen." Eibl glaubt, dass die Zusammenarbeit "spannender" werde. Sie müsse aber auch "mehr moderiert werden", ergänzt er. Und betont: "Partikularinteressen müssen zurückgestellt werden." Heilinglechner sagt: "Man muss in einen sehr intensiven Austausch treten, um eine Mehrheit zusammenzubringen." Dafür brauche es "definitiv mehr interfraktionelle Zusammenarbeit". Die Stadträte müssten "miteinander auskommen und im Interesse der Stadt handeln", sagt Forster. Und Meixner drückt es so aus: "Das Wahlergebnis zwingt zu einem neuen Miteinander." Das aber müsse man erstens wollen und zweitens gestalten.

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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