Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Speed Eating mit der CSU

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Statt angekündigter Zweiergespräche gibt's bei den Geretsriedern nach dem Fisch eine Tour d'Horizon des Bürgermeisters

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Luft ist dünn, der Saal voll, und statt des angekündigten "Speed-Dating" mit den Stadtratskandidaten gibt's Speed Eating: Zum politischen Aschermittwoch der CSU sind so viele Besucher gekommen, dass an abwechselnde Politdialoge in schnellem Tempo eher nicht zu denken ist. Erst einmal sind Massen von Matjesfilets und Rächerlachstellern zu servieren; damit es vorangeht, legen zusätzlich zum Personal in den Ratsstuben mehrere CSU-lerinnen und die Ehefrau des Bürgermeisters - Alter-Wirth-Wirtin Daniela Müller - mit Hand an.

Nach einer Stunde schließlich leitet Hans Ketelhut, CSU-Stadtrat und professionell als Musiker unterwegs, mit seiner Quetschkommode und einem improvisierten Gstanzl ("Liabe Leit, jetzt habt's alle guad gessen, jetzt werd's für a kurze Rede Zeit ... ") zur Ansprache von Michael Müller über. Der Bürgermeister nimmt sich vierzig Minuten, um alle Themen von der Digitalisierung bis zum bezahlbaren Wohnen abzuklappern. In vielen Passagen antwortet er auf Positionen, mit denen andere Gruppierungen im Wahlkampf von sich reden machen. Einiges hat ihn offenbar geärgert, so die Behauptung der Freien Wähler um Ann-Kathrin Güner und Dominik Irmer, der Dialog mit der Wirtschaft werde in Geretsried nicht mehr von oberster Stelle aus gepflegt. Müller sagt: "Ich weiß gar nicht, wo das Gerücht herkommt, ich würde mit der Wirtschaft nicht reden." Ganz im Gegenteil, so betont er, sei Wirtschaft in Geretsried Chefsache.

Ähnlich äußert sich Müller über seinen Dialog mit den Bürgern. Auch hier sehen die Freien Wähler Verbesserungsbedarf, er hingegen verweist auf wöchentliche Gesprächsangebote im Rathaus und öffentliche Open-Air-Sprechstunden, wie kein anderer Bürgermeister im Landkreis sie veranstalte.

Inhaltlich stellt der Bürgermeister, der nach sechs Jahren in die nächste Amtszeit gehen möchte, Familie und Wohnen in den Vordergrund. Schulen und Kindergärten hätten in den kommenden sechs Jahren Priorität, sagt er. Bezahlbares Wohnen sei eine kommunale Pflichtaufgabe. Und da der Mangel, wie er gerade erst bei einem Auftritt im Jugendzentrum erfahren habe, auch die jungen Leute umtreibe, fordert Müller sie auf, nicht bloß für den Klimaschutz zu demonstrieren: "Geht's halt auch mal für bezahlbaren Wohnraum auf die Straße!"

Der politische Aschermittwoch im Landkreis, traditionell verbunden mit einem Fischessen, stand heuer ganz im Zeichen der Kommunalwahl. (Foto: Hartmut Pöstges)

Deutlich geht der CSU-Kandidat auf Distanz zu seiner grünen Herausforderin Martina Raschke. Diese wolle den Ausbau der Bundesstraße 11 stoppen, erklärt er dem Publikum, und damit "die Schlagader unserer Stadt abschneiden". Tatsächlich stehen Verlegung und Ausbau der B 11 im Bundesverkehrswegeplan 2030; wann das Vorhaben realisiert wird, ist derzeit noch offen. Müller sagt: "Diese B 11 wird verlegt", und verweist darauf, dass täglich mehr als 30 000 Autos dort führen.

Gleichzeitig spricht er sich für einen starken Öffentlichen Personennahverkehr aus, bekräftigt seinen "felsenfesten" Glauben an den Ausbau der S-Bahn bis Geretsried und unterstreicht die Bedeutung der geplanten Expressbuslinie von Starnberg über Wolfratshausen und Geretsried bis Bad Tölz. Da diese Busse im 20-Minuten-Takt fahren sollen, fordere er "die Andockung" des Geretsrieder Stadtbusses. Der müsse vom Halbstunden- ebenfalls auf einen 20-Minuten-Takt umgestellt werden.

Wenn allerdings die S-Bahn komme und dafür die geplanten drei Bahnhöfe - in Gelting, Gartenberg und Geretsried-Süd - entstehen, dann könne man nicht sagen, "ich will das Wachstum stoppen": Auch mit dieser Bemerkung rekurriert Müller auf die Freien Wähler, die gerade vor zu schnellem Bevölkerungszuwachs gewarnt haben, da man mit der Infrastruktur nicht nachkomme. Müller sagt, die oft zitierte Zahl 36 000 Einwohner bis zum Jahr 2036 sei lediglich "das Baurechtspotenzial, das da ist". Die 36/36 sei keineswegs ein politisches Ziel, sondern eine "Orientierungsmarke": "Wenn ein Wachstum kommt, müssen wir darauf vorbereitet sein."

Der Fisch ist gegessen, die Rede vorbereitet: Bürgermeister Michael Müller (links) mit Gerhard Meinl. (Foto: Hartmut Pöstges)

Genauso verteidigt Müller die Entwicklung des Stadtzentrums mit einem Vollsortimenter und einem Aldi. Man brauche diese "Magnetbetriebe"; kleinere Läden sollen sich anschließen. Er räumt ein, nicht jeder finde jede neuere Architektur schön, aber es gehe darum, Kaufkraft an einem Ort zu bündeln, "ein vernünftiges Geschäftszentrum und "Möglichkeiten zum Bummeln" zu schaffen. Die "Identität" dieses Zentrums könne erst in einem weiteren Schritt entstehen, wenn die B 11 verlegt sein werde und damit ein neuer Platz entstehe. Dann sollen, so Müller, "kulturelle Einrichtungen" folgen.

Den Bewohnern des südlichsten Stadtteils Stein versichert der Bürgermeister, die Stadt versuche alles, um eine Nachfolgenutzung für den scheidenden Penny zu finden: "Wir sind im Hintergrund mit allen Beteiligten in Gesprächen." Er appelliert aber auch an die Steiner: "Geht einkaufen vor Ort!" Anders sei regionale Versorgung nicht zu gewährleisten.

Im Saal wird auch dies wie manches zuvor nach Kräften beklatscht. Es ist schon fast Müllers Schlusswort. Nur so viel noch: Was er verspreche, halte er, das habe er in den vergangenen sechs Jahren gezeigt, sagt der Bürgermeister, der's wieder werden möchte: "Und darauf kann ich auch stolz sein."

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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