Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Energiewende muss Fahrt aufnehmen

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Bei einer Diskussion der Geretsrieder Bürgermeisterkandidatin der Grünen, Martina Raschke, wird deutlich mehr Photovoltaik gefordert. Resi Harth bringt die Idee einer Draisine ein

Von Felicitas Amler, Geretsried

Wenn Geretsried die Klimawende schaffen will, müssen Politik und Gesellschaft noch sehr große Anstrengungen unternehmen - und vielleicht auch ein wenig Witz aufbringen. Bei den Geretsrieder Grünen ist am Montagabend die Idee aufgekommen, auf dem Industriegleis parallel zur B 11, das nur morgens und abends genutzt werde, eine Draisine einzusetzen. Resi Harth, die in der Stadt einen Rikscha-Service bietet, brachte dies in die Diskussion ein, zu der Bürgermeisterkandidatin Martina Raschke eingeladen hatte. Neben vielen sehr ernsten Forderungen zum Klimaschutz kam dieser eher beschwingte Vorschlag unter den 15 Besuchern im Eiscafé Roma gut an: "Eine Draisine von Geretsried nach Wolfratshausen - das könnte eine Touristenattraktion sein", hieß es.

Geretsried gehört wie der ganze Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und die Nachbarn Miesbach, Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen der Bürgerstiftung Energiewende Oberland (EWO) an. Deren stellvertretende Geschäftsstellenleiterin Elisabeth Freundl sagte, vom ursprünglichen Ziel der EWO, das Oberland bis zum Jahr 2035 ausschließlich mit regional erzeugter erneuerbarer Energie zu versorgen, sei man weit entfernt. "Wir haben Halbzeit, und die Bilanz ist leider sehr schlecht." Die Politik müsse alles tun, um Bürger und Wirtschaft zur Mitwirkung zu animieren. Alles Nötige sei wissenschaftlich analysiert: "Jetzt müssen wir wirklich ins Handeln kommen."

Mit Muskelkraft übers Industriegleis - das Gymnasium Geretsried hat im Juni 2008 bewiesen, dass es geht. An vier Sonntagen wurden Passagiere gratis von der Blumenstraße bis zum Gut Buchberg gefahren. Rikscha-Spezialistin Resi Harth könnte sich eine Draisine im Dauerbetrieb vorstellen. (Foto: Heinz Kiess/oh)

Der Landkreis steht in einem der drei EWO-Felder Strom, Wärme und Verkehr gut da: Die Stromversorgung werde zu mehr als 80 Prozent regenerativ gedeckt - was an den großen Wasserkraftwerken am Sylvensteindamm und am Walchensee liege. In der Stadt Geretsried hingegen ist die Bilanz unterdurchschnittlich: Hier sind nach Freundls Worten nur 7,8 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt. Noch schlechter schneidet die mit 26 000 Einwohnern größte Stadt des Landkreises hinsichtlich der Wärmeerzeugung ab: Während im gesamten Oberland zehn Prozent aus erneuerbarer Energie kommen, sind es in Geretsried nur 2,6 Prozent.

Dennoch mochte die EWO-Sprecherin die Stadt nicht schelten. Geretsried sei eine Kommune, die viel in Richtung Energiewende mache, die ein Energiekonzept und eine Energiemanagerin habe und "dran bleibe", sagte sie. Dies freilich immer vor dem Hintergrund ihrer generellen Forderung, dass Politik und Gesellschaft weitaus stärker anschieben müssten: "Man braucht alle", sagte Freundl. Und es sei auf jeden Fall ein Mix an Energiequellen erforderlich.

Raschke hat in ihrem Wahlkampf immer wieder die Forderung "Photovoltaik auf jedes zweite Dach" eingebracht. Selbst wenn dies im ganzen Oberland erfüllt wäre, so sagte Freundl, brauchte es immer noch neun Windräder, um den gesamten Bedarf zu decken. Potenziell gibt es im Oberland sieben sogenannte Vorranggebiete für 34 mögliche Windräder. Im Landkreis BadTölz-Wolfratshausen kämen lediglich Gebiete im Norden in Frage. Freundl sagte, bei einer Befragung hätten sich mehr als 60 Prozent grundsätzlich für Windkraft ausgesprochen. Sie sei hier wie bei allen Themen der Energiewende für "breite Bürgerbeteiligung von Anfang an".

Außerdem fragte sie: "Wieso wehren wir uns so wahnsinnig gegen eine Photovoltaik-Freiflächenanlage?" Damit sei viel Energie zu produzieren - "und ich kann dazwischen noch die Schafe grasen lassen".

Die Energiewende sei machbar, aber keine der beteiligten Kommunen schöpfe bisher ihre Möglichkeiten aus, so Freundl. Raschke unterstrich dies: "Es ist wichtig zu erkennen, dass wir diesen Wandel brauchen." Dies betreffe auch die Einsicht, dass weniger Energie verbraucht werden müsse. Entscheidend sei, dass Kohle- und Atomkraftwerke nicht weiter betrieben werden dürften. Im Übrigen sagte Raschke, es müsse auch Druck aus der Bürgerschaft auf die Politik aufgebaut werden. Sie erinnerte an einen Antrag der Grünen-Fraktion im Geretsrieder Stadtrat vom vergangenen November zur finanziellen Förderung von Photovoltaik-Anlagen auf Balkonen. Dies sei eine Möglichkeit auch für Mieter. Der Vorstoß sei aber im Stadtrat "voll abgeschmettert" worden. Das Publikum ergänzte dies um Forderungen nach Begrünung großer Gebäude, wie sie gerade im Geretsrieder Zentrum entstehen. Auch genossenschaftliche Solarpark-Modelle müssten gefördert werden, so Raschke. Jedenfalls bedürfe es einer "großen Kampagne" für die Energiewende.

© SZ vom 11.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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