Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:"Da kann man es sich nicht leisten, zögerlich zu sein"

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Alexandra Schmidt war in München schon kommunalpolitisch aktiv. Jetzt will die 50-Jährige für die SPD in den Gemeinderat von Wackersberg

Von Marie Heßlinger, Wackersberg

Alexandra Schmidt hat 20 Jahre in München gelebt, acht Jahre war sie im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach. Vor drei Jahren zog sie aufs Land. Jetzt bewirbt sie sich für den Wackersberger Gemeinderat. Auf welche politischen Unterschiede zwischen Stadt und Land macht sich die SPD-Politikerin als Frau gefasst?

"Mir wäre es egal, wenn mir 100 Prozent Männer gegenübersitzen würden. Das macht für die programmatische Arbeit keinen Unterschied", sagt die 50-Jährige. In einem anderen Moment sagt sie: "In einer Runde, in der viele konservative Männer sind, spürt man als Frau, dass man leicht übergangen wird, wenn man nicht aufpasst." Sie fügt hinzu: "Das würde ich direkt ansprechen und thematisieren. Aber das war bis jetzt nicht nötig."

Schmidt trat 2004 in die SPD ein, "um die Umweltpolitik vorwärtszubringen in der Volkspartei, die sie jetzt scheinbar nicht mehr ist", sagt sie lächelnd. 2008 wurde sie in den Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach gewählt, 2010 wurde sie Ortsvereinsvorsitzende der SPD von Perlach-Waldperlach. Im Bezirksausschuss waren die Frauen nur leicht in der Minderheit, sagt Schmidt, bei der SPD sei das Geschlechterverhältnis ausgeglichen.

In Wackersberg wird das anders sein: Elf Männer und drei Frauen sind im aktuellen Gemeinderat. Bei einer Vorstellungsrunde der neuen Gemeinderatskandidaten traf Schmidt auf nur eine andere Frau. "Mit dem gleichen Geschlecht ist es leichter, sich zu verbünden und für bestimmte Themen Verständnis zu bekommen", sagt die Landschaftsarchitektin. Aber eigentlich mache es für sie keinen Unterschied, ob Frau oder Mann. Sie sagt aber auch: "Es gibt immer noch wirklich viele Männer, die vielleicht gar nicht bemerken, dass sie unbewusst, latent, Frauen weniger ernst nehmen als Männer. Selbst die, die sich nicht als solche Typen von Mann bezeichnen würden."

Schmidt geht seit jeher zur alljährlichen Bürgerversammlung. Als sie 2017 zum ersten Mal die Bürgerversammlung in Wackersberg besuchte, war sie erstaunt: Nahezu alle Anwesenden waren männlich. Woran liegt es, dass sich Frauen auf dem Land weniger politisch engagieren als Männer?

"Vielleicht ziehen mehr Familien aufs Dorf. Vielleicht wohnen Alleinstehende eher in der Stadt", spekuliert die zweifache Mutter. "Frauen fällt es halt viel schwerer, auf die Familie zu verzichten. Das geht mir genauso", sagt sie nachdenklich. Wenn man in einem politischen Gremium sei, müsse man viele Termine wahrnehmen. "Und da geht es bierernst zu und das stundenlang", sagt Schmidt. Früher habe sie ihren kleinen Sohn manchmal mitgenommen, "aber nach anderthalb Stunden war die Geduld zu Ende." Schmidt fände gut, wenn es während der Sitzungen eine Kinderbetreuung gäbe, und wenn man sich ein politisches Amt teilen könnte.

Doch gibt es wirklich nur aus Zeit- und Familiengründen weniger Gemeinderätinnen auf dem Land? Oder ist es auch eine Frage des Rollenverhaltens? Schmidt sagt, dass es in anderen politischen Ämtern vielleicht weniger Unterschiede zwischen Frauen und Männern gebe: "Die, die es zum Beispiel in den Stadtrat geschafft haben", sagt sie, "da kann man es sich nicht leisten, zögerlich zu sein." Sie fügt hinzu: "Im Gemeinderat könnte ich mir vorstellen, dass die Frauen tatsächlich noch sensibler sind, was die Bedürfnisse von anderen angeht." Dann rudert sie schnell zurück: "Da sind wir wirklich bei Klischees. Erst mal abwarten!" Sollte Schmidt in den Gemeinderat gewählt werden, möchte sie sich erst einmal zurückhaltend geben. "Nicht, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich neu bin", sagt sie. "Das ist, wie wenn ich in eine intakte Familie eindringe." Sie fügt hinzu: "Aber es kommt darauf an. Ich kann auch anders."

In Wackersberg fühle sie sich wohl. "Ich wollte auf's Land", sagt die gebürtige Chiemgauerin, "vielleicht, weil man sich ab einem gewissen Alter daran erinnert, wie man aufgewachsen ist?" Sie sagt: "Ich könnte auch in New York wohnen, das ist kein Ding. Aber diese Qualität, dass man dort wohnt, wo man sich sofort erholen kann...". Wackersberg komme ihr dabei noch traditioneller vor als Chiemgau. Den Fronleichnamsumzug mit den Trachten findet Schmidt besonders schön. "Das ist für mich eine rührende Ernsthaftigkeit, die man so im Alltag nicht erlebt." Nur die Wohnungssuche als Frau sei schwierig gewesen. Ob sie es sich auch leisten könne, sei sie oft gefragt worden. "Das würde man einen Mann nie fragen", sagt Schmidt.

Eigentlich gibt Schmidt nichts auf Klischees, sagt sie. "Ich mache mir keine Gedanken darüber, was ich als Frau machen sollte oder nicht." In München hat sie sich mit "Femmes de Terre" für die Gleichberechtigung der Frauen auf der Welt eingesetzt. In Wackersberg ist sie dem katholischen Frauenbund beigetreten. Sie sagt, auf Bundesebene sei der Verband sogar politisch und feministisch. Auf Dorfebene eher nicht so, "aber es wird halt einfach was für die Leute vor Ort gemacht." Das, betont Schmidt, finde sie richtig gut. Oft backe die Gruppe Kuchen für soziale Projekte. Schmidt scherzt: "Kuchenbacken - das wäre doch mal was für die Männer!"

© SZ vom 11.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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