Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Bio-Pionier und politischer Neuling

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Für die ÖDP zieht Max Korntheuer aus Bolzwang in den Kreistag ein. Überraschend haben die Wähler den 70-Jährigen von einem hinteren Platz nach vorne gehäufelt

Von Benjamin Engel, Münsing

Für viele Bauern der Region war Max Korntheuer nur ein Exot, als er Anfang der Achtzigerjahre auf ökologische Landwirtschaft umstellte. In der Region zählte der heute 70-jährige Bolzwanger zu den Pionieren. Wer so erfahren ist, sollte nur schwer zu überraschen sein. Und doch ist ihm genau das passiert. Der Landwirt vom Kernzlhof hatte für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) auf Listenplatz 19 zur Kreistagswahl kandidiert. Niemals hätte er damit gerechnet, die zweitmeisten Stimmen aller ÖDP-Bewerber zu bekommen und so in das Gremium einzuziehen. "Das war nicht zu erwarten", sagt Korntheuer. Was in der Kreistagspolitik auf ihn zukommt, kann er noch gar nicht abschätzen. Da müsse er sich noch einarbeiten, erklärt er.

Auf seinen Erfolg reagiert Korntheuer bescheiden. "Es ist besonders schade, dass unser Spitzenkandidat nicht dabei ist", sagt er. Offensichtlich sei Betriebswirt Manuel Tessun noch zu wenig bekannt und daher nur auf die dritte Position gekommen. Außer Korntheuer schaffte es die Hebamme Monika Achermann-Weinert in den Kreistag.

Korntheuer hat den Aussiedler-Bauernhof bei Bolzwang 1977 von seinem Vater übernommen. Zu den sogenannten Aussiedlern zählten in den Siebzigerjahren die Landwirte, die mit staatlicher Förderung aus den Kernen kleiner Dörfer auf die grüne Wiese zogen, weil dort Platz für größere Höfe war. Inzwischen hält sich Korntheuer im Hintergrund. Vornehmlich sein Sohn Benedikt bewirtschaftet seit 2014 die 45 Hektar Grund, inzwischen mit seiner Frau. Die Familie hat auf Mutterkuhhaltung umgestellt und derzeit 35 Tiere. Hinzu kommen Bienenvölker und 300 Hühner im mobilen Stall. Sohn Benedikt Korntheuer hat den Getreideanbau intensiviert. Außer Roggen, Weizen und Dinkel baut er noch Lein, Hanf und Nackthafer an. Daraus werden beispielsweise Müsliflocken hergestellt.

Der abgelegene Standort außerhalb des Dorfes hat Korntheuer geholfen, so findet er es jedenfalls. "Dort konnte ich ganz ungestört meine Sachen ausprobieren", erklärt er. Der Landwirt orientiert sich an den biologisch-dynamischen Richtlinien des Anthroposophen Rudolf Steiner. Demnach stellt die Landwirtschaft einen Kreislauf dar, in den von außerhalb nichts Künstliches eindringen darf. Zu den Kernelementen zählt es, besondere Präparate - ganz ohne chemische Inhaltsstoffe - zu spritzen. Wenn Korntheuer von Hornkiesel (Quarzmehl, also sehr fein zerstobenes Quarzgestein, das in Kuhhörner gefüllt wird) und Hornmist spricht, ist ihm aber nur zu bewusst, dass dies für viele sehr esoterisch klingt. Von der besonderen Kräftewirkung ist der Landwirt aber überzeugt.

Im Frühjahr füllt Korntheuer Quarzsand in Kuhhörner und vergräbt diese im Boden. Der Hornkiesel bleibt den ganzen Sommer über in der Erde. Der Landwirt verwendet zum Spritzen nur Hornkiesel aus dem Vorjahr. Dazu gräbt er die Hörner aus, nimmt den Quarzsand heraus und verrührt ihn mit Wasser. So werde die Energie übertragen. Anschließend verspritzt Korntheuer die Mischung über die Pflanzen. Um die 20 Liter kommen auf einen Hektar. Ganz ähnlich verfährt der Landwirt mit Kuhmist, der im Herbst in Hörner gefüllt wird und den Winter über in der Erde bleibt. Diesen holt er ebenfalls wieder hervor, vermischt ihn mit Wasser und bringt ihn aus. Das sei gut für den Boden, sagt er.

Nur noch drei Bauern wirtschaften heute in Bolzwang. Zur Jugendzeit Korntheuers in den Siebzigern waren es noch sechs. Damals hatte die Anthroposophin Alice Spies-Neufert aus Schlederloh bei Icking einmal für alle einen Vortrag zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft gehalten, erinnert sich Korntheuer. So sei er mit dem Gedankengut Rudolf Steiners bekannt geworden. "Das war für uns völlig fremd." Den Kontakt zu Spieß habe der Inhaber der Happ'schen Apotheke aus Wolfratshausen vermittelt, der als junger Mann nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Höfen in Bolzwang ausgeholfen habe.

Korntheuer beschreibt die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft als mehrjährigen Prozess. 1982 wurde der Kernzlhof schließlich offiziell durch den Demeter-Verband zertifiziert. Bis in die Neunzigerjahre hätten sie noch in einer Nische gewirtschaftet, sagt Korntheuer. Erst dann habe es eine größere Anzahl Bauern gegeben, die auf biologische Bewirtschaftung umstellten. Er selbst habe Vorträge gehalten und sei eigentlich immer auf offene Ohren gestoßen. Heutzutage seien viele Menschen an der Thematik orientiert.

Die Familie verkauft ihre Produkte vorwiegend über Ladengeschäfte. Sein Sohn habe die Vermarktung speziell von Getreide intensiviert und den mobilen Hühnerstall aufgebaut, sagt Korntheuer. Mittlerweile konzentriere er selbst sich hauptsächlich auf die Bienenhaltung mit derzeit 15 Völkern. "Wir wollen eine wesensgemäße Bienenhaltung", beschreibt er sein Credo. Die Völker vermehrten sich ausschließlich über natürliche Verjüngung. Künstliche Königinzucht spiele bei ihm keine Rolle.

Korntheuer sagt, er habe es nie bereut, auf ökologische Landwirtschaft umgestellt zu haben. Und womöglich vertrauten die ÖDP-Wähler Bio-Bauern besonders, vermutet er. Denn auch sein Demeter-Kollege Konrad Bauer sei weit nach vorne, auf den vierten Platz, gehäufelt worden. Jetzt freut sich Korntheuer, mit Monika Achermann-Weinert eine kompetente Partnerin seiner Partei im Kreistag an der Seite zu haben. In die Politik werde er sich einarbeiten. "Ich bin ganz zuversichtlich, dass das klappt."

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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