Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Alles auf Grün

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Carola Belloni will für die Grünen in Eurasburg Bürgermeisterin werden. Im Hauptort will sie die Schule konzentrieren und bald ein Sportzentrum haben

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Das Gras steht selbst im Winter rund um das Haus von Carola Belloni hoch. Die 61-jährige Journalistin möchte einen naturnahen Garten haben. "Wir müssen sensibler werden für das, was uns umgibt", sagt sie. "Wir dürfen nicht mit Brachialgewalt mit einer Kettensäge durch die Wälder ziehen." Der Mensch sei nicht das Maß aller Dinge, habe Verantwortung für seine Mitwesen. Die Natur sieht Belloni durch den Klimawandel bedrohter denn je. "Es ist 50 Sekunden vor Zwölf." In der Kommune geht ihr vieles zu langsam voran. Daher will sie für die Grünen in Eurasburg als Bürgermeister-Kandidatin antreten.

Aufgewachsen ist Belloni im Dorf Aspisheim bei Bingen in Rheinland Pfalz. Früh interessierte sie sich für ökologische Themen, sammelte als Jugendliche Heilkräuter. Ihr Studium der Biologie in Mainz brach sie aber mit Mitte 20 ab, weil es ihr zu trocken war. Sie arbeitete fürs Fernsehen als Redaktionsassistentin, drehte als freie Journalistin Filme über Missstände bei Tiertransporten, der Straußenzucht oder der Abholzung von Regenwäldern.

Sechs Jahre war Belloni zwischen 2004 und 2010 Tölzer Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz und auch im Landesvorstand aktiv. Auch ohne jegliche parteipolitische Erfahrung - den Grünen ist Belloni erst im Vorjahr beigetreten - gibt sie sich daher selbstbewusst: "Mein Leben hat mich prädestiniert für den Gemeinderat", sagt sie. "Ich kann meine Erfahrung einbringen."

Kurz vor der Kommunalwahl sind klare Worte gefragt. Daran lässt es Belloni nicht fehlen. Bürgermeister Moritz Sappl (GWV) direkt anzugreifen, vermeidet sie aber. Sie will dem Amtsinhaber auch gar nicht vorwerfen, was er alles falsch mache. Sappl habe vieles angegangen und Probleme erkannt. "Es geht mir aber zu langsam", sagt sie. "Ich hätte die Fähigkeit, die Dinge schneller voranzutreiben." Dass etwa die vom Gemeinderat als "Meilenstein" definierte Mehrzweckhalle noch nicht steht, findet Belloni "unglaublich".

Eurasburg brauche Begegnungsstätten. Zudem verbinde kaum etwas die Menschen so sehr wie der Sport. Das könne ein Zentrum mit Wettkampfdimensionen leisten. Dass jetzt erst einmal nur der Kunstrasenplatz priorisiert wird, ist Belloni zu wenig. "Bevor es nur Stückwerk ist, sollten wir einen großen Wurf machen." Das ließe sich mit der Schule verbinden, die aus Sicht von Belloni in Eurasburg konzentriert werden sollte. Der bisherige zweite Standort in Beuerberg, für den Amtsinhaber Sappl bei einer Zusammenlegung Vorteile sieht, würde wegfallen. Ohne die Bevölkerung einzubeziehen, können solche Vorhaben aus Sicht von Belloni aber nicht funktionieren. Die Politik brauche mehr Transparenz, sagt sie. Die Bürger bräuchten ein Mitspracherecht. "Ich wäre niemand, der sagt, so machen wir das."

Stillstand konstatiert Belloni auch bei kommunalen Wohnbauprojekten wie am früheren Schleusenwärterhaus in Bruggen oder dem Einheimischenmodell im Ortsteil Berg. Um mehr Wohnraum zu schaffen, vermisst sie kreative Lösungen. So könnten durch Satzungsänderungen Dachausbauten möglich werden. Die Kommune könne Projekte gemeinsam mit Genossenschaften entwickeln, Mehrgenerationenhäuser oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen für Senioren etablieren. Womöglich könne ein Stockwerk mehr als bislang üblich zugelassen werden. Innenverdichtung sei das Stichwort, um möglichst wenig Flächen zu versiegeln. "Organisches Wachstum muss möglich sein", sagt Belloni.

"Für ein grüneres, natürlicheres und ökologischeres" Eurasburg will die Journalistin Photovoltaik- und Solaranlagen auf Dächern verpflichtend machen. Auch Photovoltaikanlagen am Boden seien vorstellbar. Nahwärmenetze, Elektrotankstellen, mehr Fahrradwege und ein leistungsfähigerer Personennahverkehr gehören für Belloni zu einem zukunftsfähigen Konzept. "Alle 20 Minuten muss ein Bus fahren." Ruftaxis oder andere Möglichkeiten für Mitfahrgelegenheiten könnten selbst abgelegene Ortsteile anbinden. "Wir informieren die Bevölkerung zu wenig, was möglich ist." Die Kommune könnte dafür einen Ansprechpartner installieren.

(Foto: SZ)

Die Bevölkerung mehr einbeziehen würde Belloni beim Kloster Beuerberg. Mit der Erzdiözese als Eigentümer gelte es, über Projekte über die Mauern der Anlage hinaus zu diskutieren. Der geplante Beherbergungsbetrieb in der Anlage könne für Pilger auf dem Jakobsweg, aber womöglich auch für Golfer interessant sein. "Man hätte die Wertschöpfung vor Ort."

Das würde Belloni auch gerne mit den Landwirten gelingen. Dass die Grünen von den Bauern oft so hart kritisiert würden, kann sie nicht nachvollziehen. Denn der Partei gehe es darum, gerade die regionalen Produzenten zu unterstützen. In der familieneigenen Finca Foyeta de Tur bei Alicante in Spanien wirtschaftet Belloni ebenfalls streng nach ökologischen Kriterien. Vor zwei Jahren hat sie mit ihrem Sohn ein Unternehmen gegründet, um das dort produzierte Olivenöl, Mandeln und Kräuter zu vermarkten. Es wird nicht bewässert und nur mit Pferdemist gedüngt. Bewirtschaftet werden nur 15 der 65 Hektar Landfläche des Anwesens. Im übrigen Teil finden seltene Bodenbrüter wie der Ziegenmelker, Rothühner oder die Haubenlerche Lebensraum. "Mir geht es darum, dort die Natur zu erhalten", beschreibt Belloni ihr Prinzip. Das gilt für sie umso mehr für Eurasburg. Dass so viele Büsche, Bäume und Wiesen brutal zurückgeschnitten werden, besorgt sie. "Wir brauchen viel mehr Hecken", fordert sie.

Während der Gartenarbeit, bei Treffen mit Freunden, Lesen oder Nordic Walking entspannt sich Belloni. In Eurasburg hat sie seit zwanzig Jahren ihre Heimat gefunden. Und auch wenn sie sich nicht um eine Kandidatur als Bürgermeisterin gerissen habe, wie sie sagt, findet sie es wichtig, Flagge zu zeigen - gerade in Zeiten rechter Scharfmacher ohne Lösungskonzepte, wie die Journalistin selbst sagt. Doch wer die Zukunft gestalten möchte, muss sich aus ihrer Sicht einbringen. "Die Demokratie braucht Wahlmöglichkeiten."

© SZ vom 03.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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