Selbsthilfe in Königsdorf:"Der dörfliche Zusammenhalt lässt nicht nach"

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Lisa Grasberger gilt als gute Seele des Vereins, Franz Grasberger (nicht verwandt) ist der Vorsitzende. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Königsdorfer Krankenunterstützungsverein ist 125 Jahre alt. Heute hat er noch mehrere Hundert Mitglieder. Bedarf für seine Dienste besteht nach wie vor.

Von Arnold Zimprich, Königsdorf

Lisa Grasberger und Franz Grasberger - nicht verwandt - vertreten einen Verein, der im weiteren Umkreis ein Unikum sein dürfte. "So etwas Kostbares gibt es nicht noch mal", sagt Lisa Grasberger, die 30 Jahre lang bei der Caritas gearbeitet hat und als gute Seele des Königsdorfer Krankenunterstützungsvereins gilt. Der Verein übernimmt ehrenamtlich Aufgaben, die professionelle Pflegedienste nicht leisten können. Kernaufgabe ist die informelle Hilfe von Haus zu Haus und von Mensch zu Mensch, ohne lange Beantragungswege, ohne bürokratische Hürden. "Es geht um die Gemeinschaft", sagt Lisa Grasberger. Und diese schafft der Verein im Singkreis, bei Bastelnachmittagen oder einfach einem Gespräch zwischendurch. "Gspuit hamma ned vui, aber glacht", zitiert Grasberger eine Frau, die an einem Spielenachmittag teilgenommen hatte.

Der 1898 gegründete Krankenunterstützungsverein entstand "aus dem Burschenverein heraus", berichtet Franz Grasberger, der zum Treffen mit der Zeitung mehrere mit Dokumenten gefüllte Ordner mitgebracht hat. "60 Pfennig kostete die Mitgliedschaft monatlich." Im Krankheitsfall wurden 50 Pfennig pro Tag ausgezahlt. 50 bis 60 Gründungsmitglieder seien es gewesen. Damals gab es noch keine flächendeckende Krankenversicherung. Die Krankenunterstützung ist nach dem Reservistenverein, dem Handwerkerverein und der Königsdorfer Feuerwehr, die kommendes Jahr ihr 150. Jubiläum begeht, der viertälteste Verein im Ort.

"Wir müssten präsenter sein."

Auch 125 Jahre nach der Gründung mangelt es nicht an Unterstützung. "Der dörfliche Zusammenhalt lässt nicht nach", sagt Lisa Grasberger. Franz Grasberger muss auf die Frage, wie viele Mitglieder der Verein aktuell hat, kurz überlegen. "So 340 bis 350 sind es, es kommen immer wieder ein paar dazu." Viele wüssten gar nicht, dass es den Verein gibt: "Wir müssten präsenter sein." Immerhin sei der Krankenunterstützungsverein auf der Website des Gesamtvereins Königsdorf vertreten, der anlässlich der Königsdorfer Christbaumspende für den Münchner Christkindlmarkt gegründet wurde.

In einer Garage hält der Krankenunterstützungsverein gespendete Pflegegeräte wie Rollstühle, Duschaufsätze und Rollatoren bereit. Bei Bedarf werden die Hilfsmittel ausgegeben. "Beantragt man die Hilfsmittel über die Krankenkasse, kann das dauern. Bis etwas geliefert wird, vergehen oft zwei Wochen", sagt Pflege-Expertin Grasberger. Derweil bräuchten Bedürftige mitunter schneller Unterstützung. Rund zwanzig Leute zählt sie zu den ehrenamtlichen Betreuern des Vereins, die bei Bedarf auch mal einen Hausbesuch machen.

Unter Bekannten ist die Hemmschwelle niedriger

Grasberger erzählt von einer 96-jährigen, schon länger pflegebedürftigen Frau, die mit der Betreuung ihrer MS-kranken Tochter völlig überfordert war. In diesem akuten Fall konnte der Krankenunterstützungsverein nicht nur unbürokratisch helfen, sondern auch beratend tätig werden. Der Verein sei oft erste Anlaufstelle, wenn Hilfe benötigt wird. "Die Leute trauen sich manchmal nicht, beim Arzt anzurufen." Die Hemmschwelle, jemand Bekannten im Verein anzurufen, sei oft niedriger.

Die Königsdorfer Linden-Apotheke spendet dem Verein immer wieder Windeln. Und auch zum Königsdorfer Allgemeinarzt Martin Bös habe man einen guten Draht. "Der ruft uns schon auch mal an, wenn Not am Mann ist."

Es fällt auf, dass es die beiden Grasbergers vermeiden, das düstere Bild der Pflegelandschaft, wie man es aus den Medien kennt, nachzumalen. Königsdorf, eine Insel der Glückseligen? "Armut gibt's schon, aber eher versteckt", sagt Franz Grasberger. "Wir haben aber schon auch Menschen, die sich wünschen, dass jemand vorbeikommt." Im Notfall klingle auch mal des Nachts das Telefon. Lisa Grasberger sagt: "Die Entwicklung über die letzten Jahre ist schon, dass es mehr Bedarf an Hilfeleistungen gibt." Von einem Pflegenotstand will sie jedoch nicht sprechen. Und das muss man in Königsdorf offenbar nicht - dank dem Krankenunterstützungsverein.

www.gesamtverein-koenigsdorf.de/vereine

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