"Je früher wir einen Weg finden, desto besser":Der grüne Ornithologe

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Ornithologe und Grünen-Kreisrat Wolfgang Goymann, mit zwei Figuren aus Tansania, einem Grillkuckuck und einem Hausrotschwanz. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Wissenschaftler Wolfgang Goymann aus Königsdorf befasst sich nicht nur mit heimischen Vogelarten wie dem Braunkehlchen. Als Kreisrat wünscht er sich einen bewussteren Umgang der Gesellschaft mit Lebensmitteln.

Von Arnold Zimprich, Königsdorf

Die Zukunft der hiesigen Braunkehlchen-Population malt der Königsdorfer Wolfgang Goymann wenn nicht schwarz, dann doch dunkelgrau. "Mich würde es wundern, wenn sie es noch zehn Jahre machen", sagt der 56-jährige Biologieprofessor, der am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz in Seewiesen (Landkreis Starnberg) arbeitet und forscht. Die Loisach-Kochelseemoore sind das größte Braunkehlchen-Brutgebiet in Bayern, doch setzen dem nur 14 Zentimeter großen Vogel gleich mehrere Faktoren zu: gesteigerter Pestizideintrag, die frühe und häufige Mahd und "stochastische Ereignisse" - mehrere extrem nasse Jahre hintereinander, in denen den am Boden brütenden Braunkehlchen die Brut förmlich davonschwamm. Doch auch andere heimische Vogelarten leiden unter den klimatischen und agrarwirtschaftlichen Veränderungen, etwa Mauersegler sowie Mehl- und Rauchschwalben, denen der Schwund von Insekten und Nistmaterial zu schaffen macht.

Das Braunkehlchen ist eines der Forschungsgebiete des Königsdorfers, ein anderes der Grill- und Bengalenkuckuck in Tansania respektive Taiwan. Das Besondere: Bei diesen Kuckucksarten übernimmt das Männchen die Brut. "Uns interessiert hier die Grundfrage, wie kommt so etwas zustande?", erklärt der Ornithologe. Mit seinem Team erforscht er die Evolution der Geschlechterrollen. In Tansania haben sich die Wissenschaftler in den vergangenen Jahren ein Studiengebiet aufgebaut. Schon länger teilt Goymann seine Forschungsarbeit zwischen einer regionalen und einer weit entfernten Spezies auf.

Der Weg zur Ornithologie war für Goymann vorgezeichnet. "Biologie hat mich schon auf dem Gymnasium in Bad Tölz begeistert", sagt er, "ich wollte schon früh Verhaltensbiologe werden." Er habe "kein optimales Abitur" gehabt und erst einige Semester Germanistik studiert: "Auch der Journalismus hat mich interessiert." 1991 war dann der Weg frei zum Traumstudium Biologie an der LMU München und FU Berlin.

1996 hat Goymann das Diplom in der Tasche, später kommen Promotion und schließlich 2008 die Habilitation. Geschlechterrollen waren schon damals sein Thema. Gerne erinnert er sich an seine Zeit als Postdoktorand von 2001 bis 2003 an der University of Washington in Seattle. "Dort gab es viele Postdoktoranden, die auf dem gleichen Level unterwegs waren wie ich. Vor allem die Diskussionskultur empfand ich sehr stimulierend." Goymann forschte unter dem Verhaltensendokrinologen John Wingfield und begleitete diesen auf Forschungsreisen nach Tansania - in eine Region, die ihn seitdem nicht losgelassen hat.

Auf Distanz zu Konrad Lorenz

In Seewiesen hat Goymann den Mittelpunkt seines Schaffens gefunden. Spürt man dort noch das Wirken von Konrad Lorenz, der den Forschungsstandort mitbegründete? "Nein", sagt Goymann, "und das ist auch gut so." Lorenz mag wertvolle Grundlagenforschung im Bereich des Tierverhaltens betrieben haben, aber: "Er hat die Evolution nie richtig verstanden" - Goymann nennt ihn eine "problematische Figur", insbesondere wegen seiner Rolle während der NS-Zeit.

Lorenz' Nachfolger Wolfgang Wickler, der kürzlich mit 92 Jahren starb, ist für Goymann die prägende Persönlichkeit. Wickler habe die Verhaltensökologie nach Deutschland gebracht, "viele verhaltensbiologische Institute sind mit Wickler-Schülern besetzt". Seewiesen habe seinen einstigen Nimbus verloren. Zwar sei es immer noch ein großartiger Forschungsstandort, doch gebe es inzwischen zahlreiche andere, gleichberechtigte Institute.

Aber Goymann ist nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Politiker. Er sitzt für die Grünen im Tölzer Kreistag. Die Unzufriedenheit der Landwirte kann er nachvollziehen. "Die aktuelle Bundesregierung stellt sich unglücklich an", findet er. Das grundlegende Problem sieht er dennoch auch an anderer Stelle: "Landwirtschaftspolitik wird primär auf EU-Ebene gemacht." Die Herausforderung, EU-weit konkurrenzfähig zu sein, führe dazu, dass Bauern gar nicht viel übrig bleibe, als in die Fläche zu gehen und intensiv zu bewirtschaften. Jedoch sei die Art und Weise, wie wir unser Land bewirtschaften, nicht nachhaltig, kritisiert Goymann. Er sieht hier neben der Politik auch die Gesellschaft in der Pflicht. Die Menschen sollten bereit sein, für landwirtschaftliche Produkte mehr Geld auszugeben. "Je früher wir einen Weg finden, damit umzugehen, desto besser."

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