Kloster Beuerberg:Das Leben - ein Spiel

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Die neue Ausstellung im früheren Salesianerinnenkloster Beuerberg zeigt, dass sich die Ordensfrauen nicht nur der Kontemplation hingaben. Die Exponate beweisen, dass bei den Nonnen Spaß und Unterhaltung auch im Alltag nicht zu kurz kamen.

Von Benjamin Engel

'Das Spiel beginnt!' - unter dieser Überschrift wird gezeigt, dass das Leben im Kloster nicht nur von Gebet, Gehorsam und Entsagung geprägt war. Auch das Spiel hatte bei den Salesianerinnen ihren Platz und ihren Raum. Die neue Ausstellung im Kloster Beuberberg zeigt Interessantes und Unerwartetes, etwa einen großen Fundus an Kostümen und Accessoires. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Rolle einer Nonne scheint klar definiert. Ihr Leben widmet sie der Suche nach Gott und Erlösung. Das Kloster dient ihr als weltabgewandter Rückzugsort. In dessen streng-hierarchischer Ordnung scheint für das Spiel mit Identitäten und Rollen kein Platz. Und doch hat es genau das im früheren Salesianerinnenkloster Beuerberg gegeben. Am Vorabend des Dreikönigstags feierten die Nonnen etwa das Fest der Bohnenkönigin. Wer die im Gebäck versteckte Hülsenfrucht fand, schlüpfte in die Rolle der Königin. Die Übrigen verkörperten ihr Gefolge mit Leibarzt bis Hofprediger samt Kostümen.

"Einmal im Jahr hat sich die Hierarchie auf den Kopf gestellt", beschreibt Christoph Kürzeder, Leiter des Freisinger Diözesanmuseums, dieses feste Jahresritual. Mit seinem Team bereitet er die bereits dritte Ausstellung im Kloster Beuerberg vor. Die Schau eröffnet am Pfingstsamstag, 19. Mai, um 14 Uhr. In diesem Jahr geht die Ausstellung unter dem Titel "Das Spiel beginnt!" thematisch weit über die Darstellung des Klosterlebens hinaus. Denn vereinfacht gesagt, spielt der Mensch, wenn auch manchmal unbewusst, sein ganzes Leben lang - mit verschiedenen Rollen oder Identitäten.

Beispielhaft zeigt sich das an den Doppelporträts von Fotografin Herlinde Koelbl aus der Serie "Kleider machen Leute". Der Ausstellungsbesucher tritt etwa Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller in vollem Ornat und privat in Sandalen und Jogginganzug gegenüber. Die Strenge des Kirchengewands und das Laissez-Faire des Freizeitgewands scheint sich unmittelbar im Gesichtsausdruck zu spiegeln. Daran zeigt sich, wie sehr Kleidung etwa den Berufsstatus definiert.

Die Frage nach der eigenen Identität und Rolle steht denn auch am Beginn der aktuellen Ausstellung. Gerade im Spiel würden laut Kürzeder viele Lebensregeln eingeübt. "Mit Monopoly lernen wir etwa, wie der Kapitalismus funktioniert", sagt er. Im Kloster hätten die Nonnen dagegen zur geistlichen Erbauung gespielt. Wie individuelle Prägung funktioniert, illustriert etwa ein Leporello aus dem 19. Jahrhundert. Darin haben die Klosterschwestern das Leben einer jungen Novizin mit offenbar starker Sehschwäche in einer Bildergeschichte ironisch dargestellt.

Die Ausstellung erzählt von der patriarchalen Ständegesellschaft, in der Frauen in eine klar definierte Rolle hineingeboren wurden. Das System blieb undurchlässig. Standesgrenzen wurden nicht überschritten. Gerade für Frauen zählte der Eintritt ins Kloster zu den wenigen ehrenhaften Ausnahmen für ein Leben außerhalb der Ehe. Doch auch im Kloster blieben die Hierarchien erhalten. Die meist aus adeligem Hause stammenden Chorschwestern brachte eine hohe Mitgift ein. Sie übernahmen die Verwaltung, beschäftigten sich mit dem Chorgebet oder Klosterarbeiten. Die Laienschwestern kümmerten sich um Haus, Küche und Landwirtschaft. Zum Marthafest drehte sich das Verhältnis um. Die Chor- bedienten die Laienschwestern. Eine Art Wertschätzung ihrer Arbeit.

Nach dem Losprinzip trafen die Salesianerinnen viele Entscheidungen. So legten sie beispielsweise fest, in welcher Zelle sie im nächsten Jahr wohnen, welchem vorbildhaften Jahresheiligen oder welcher besonderen Tugend sie folgen sollten. Das verdeutlichen die Lose, welche die Besucher gleich am Ausstellungseingang ziehen können. Die Nummer darauf steht für einen Heiligen und eine Tugend von "Leiden in der Stärke" bis "Sieg über sich selbst", der jeweils ein Platz im Chorgestühl zugewiesen ist. Dort können sich die Ausstellungsbesucher mit dem jeweiligen Los niederlassen.

Die Idee zum Mitmachen prägt das Konzept der Ausstellung. In der Klosterkirche können sie zum Würfel greifen und selbst zur Spielfigur werden. Die 100 Felder der bei den Salesianerinnen beliebten "Reise in die Ewigkeit" bedecken den Boden. Ziel des Spiels ist es, von der Erde bis in den Himmel zu kommen. Doch der Spieler kann genauso in Fegefeuer und Hölle geraten. Felder mit Tugenden oder aber Lastern führen schneller nach oben oder vom rechten Weg ab. Es geht um Verdammung oder Erlösung. Ein duales Prinzip, das laut Kürzeder letztlich in allen Kulturen zu finden sei. Vieles blieb in Beuerberg unverändert, nachdem die letzten Klosterschwestern die Anlage vor vier Jahren verlassen hatten. So sind erstmals die prachtvollen Kostüme der Nonnen für ihre Theateraufführungen zu sehen. Stücke zu spielen, war für die Salesianerinnen wichtig. Aus dem Fundus haben Textilrestauratorin Theresa Waldburg und Kunsthistorikerin Melissa Melchert die Schaustücke ausgewählt. Ein mit Goldapplikationen verzierter roter Rock samt dazu passendem Oberteil aus dem 19. Jahrhundert ist zu sehen. In Schränken hängen bunte Kleider. Zum Kostümfundus zählen Hüte und Krawatten oder Nasenattrappen samt Brillengestell. Überraschendes wie Handpuppen von Kasperl und einem Affen einschließlich Skript eines Theaterstücks wurden entdeckt. In der Plattensammlung für den Alltagsgebrauch findet sich Erwartbares und Erstaunliches - von der Matthäus-Passion bis zur Pop-Single "Yummy, Yummy, Yummy" der Gruppe Ohio Express.

Ausstellung im Kloster Beuerberg
:Das Spiel beginnt!

Das Kloster als weltabgewandter Rückzugsort? Von wegen: Auch für Spiele gab es Platz im früheren Salesianerinnenkloster Beuerberg - und für manche Überraschung.

Claudia Koestler

Zu sehen sind Brettspiele etwa zum Kennenlernen der Kirchenliturgie. Selbst kreativ werden, Spiele erfinden oder eigene mitbringen, können die Besucher während der Ausstellung später in Workshops und Aktionstagen. Denn auch in der bereits dritten Schau in Kloster Beuerberg wird es wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm geben. Essen und trinken können die Gäste wie schon in den Vorjahren in der Klosterküche im Refektorium. Theaterworkshops sind genauso geplant wie Konzerte, Kinovorführungen und vieles mehr.

Im umfassenden Sinn können die Besucher in Beuerberg erfahren, was das Spiel als prägende Menschheitserfahrung ausmacht. Warum auf der Welt überhaupt gespielt wird, hat sich Kürzeder gefragt. Persönlich glaubt er, dass die Menschen so auf andere Weise Unlösbares doch bewältigen, vieles besser lernen könnten. Das Leben hält Kürzeder selbst für ein Spiel, nur ein "ziemlich ernstes", wie er sagt.

Die Ausstellung
:Buntes Programm aus Führungen, Konzerten und Kulinarik

Nach dem Auszug der letzten Schwestern 2014 hat die Erzdiözese München-Freising die weitläufige Anlage des früheren Salesianerinnenklosters Beuerberg übernommen. Bisher fehlte noch ein Gesamtkonzept für die spätere Nutzung. Doch in den beiden ...

Das Spiel beginnt!, Pfingstsamstag, 19. Mai, bis Sonntag, 7. Oktober, Kloster Beuerberg, Mittwoch bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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