Ungewöhnliche Auszeichnung:Eine Kirchenmusikdirektorin in der Diaspora

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Seit zehn Jahren ist Elisabeth Göbel in Bad Tölz als Dekanatskantorin tätig. Nun wurde ihr von der bayerischen Landeskirche der Titel als Kirchenmusikdirektorin verliehen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Dekanatskantorin Elisabeth Göbel erhält Ehrentitel der bayerischen Landeskirche für ihre Verdienste um die Kirchenmusik und ihr Engagement in der Nachwuchsarbeit. In der Tölzer Johanneskirche fühlt sie sich offenbar nicht immer ganz glücklich.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Es ist schon ungewöhnlich, wenn eine Dekanatskantorin, die in einer tiefkatholischen Gegend und damit in der Diaspora tätig ist, als Kirchenmusikdirektorin ausgezeichnet wird. Schließlich steht sie immer auch ein wenig in Konkurrenz zu jenen Kolleginnen und Kollegen, die es in einem eher protestantisch geprägten Landstrich mit ihrer Arbeit als Organist und Chorleiter oftmals leichter haben. Umso mehr hat sich Elisabeth Göbel über den Ehrentitel gefreut, den sie vor Kurzem von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern verliehen bekam. "Das ist eine große Wertschätzung meiner Arbeit", sagt die 38-Jährige, die seit 2013 als Kantorin im Dekanat Bad Tölz-Wolfratshausen tätig ist.

Dabei stammt sie aus einem ganz anderen, vorwiegend evangelischen Teil des Freistaats. "Ich bin im Fichtelgebirge aufgewachsen", sagt die gebürtige Marktredwitzerin. Früh kam sie mit der Musik in Berührung: Mit sechs Jahren lernte sie Klavier, mit neun dann Akkordeon, mit zehn auch Cello, mit 14 schließlich Orgel. Viel Zeit blieb da nach der Schule und den Übungsstunden nicht. Eine einsame Kindheit? Mitnichten, sagt die Kantorin: "Gerade durch die Musik habe ich viele Freundschaften mit Gleichgesinnten geschlossen."

B-Prüfung, Stipendium und künstlerisches Aufbaustudium

2003 begann sie das Studium an der Hochschule für evangelische Kirchenmusik in Bayreuth. Dort sei "ein breiter Fächerkanon" angeboten worden, "der Beruf ist ja vielseitig". Den Schwerpunkt legte sie jedoch auf die Orgel, in der Literatur, in der Improvisation. Hinzu kamen Chorleitung und Klavier. Nach vier Jahren absolvierte sich die sogenannte B-Prüfung, sprich: den Bachelor, wie es heutzutage heißen würde. Und zwar als Jahrgangsbeste. Dies brachte ihr ein Stipendium des Richard-Wagner-Verbands ein. Bei den Festspielen in Bayreuth durfte sie Aufführungen von "Tristan und Isolde", "Meistersinger" und "Parsifal" besuchen.

Damit war für Elisabeth Göbel aber noch nicht Schluss mit der Ausbildung. Für die kirchenmusikalische A-Prüfung, was einem Master entspricht, ging sie an die Hochschule für Musik und Theater in Hannover. "Ein künstlerisches Aufbaustudium", wie sie erzählt. Auf dem Programm standen unter anderem Musiktheorie, Gehörbildung und Tonsatz, aber auch evangelische Liturgik und Dogmatik. "Es geht schon darum, dass man nicht nur Orgel spielt, sondern auch weiß, was im Gottesdienst und im kirchlichen Leben passiert", sagt sie.

2018 leitete Elisabeth Göbel das Weihnachtskonzert in der Tölzer Johanneskriche. Die Kantorei hatte damals doppelt so viele Sängerinnen und Sänger wie nach der Corona-Pandemie. (Foto: Manfred Neubauer)

Nach einer auf zwei Jahre befristeten Assistenz bei Landeskantor Johannes Michel von der Christuskirche in Mannheim streute sie ihre Bewerbungen deutschlandweit - und erhielt in Bad Tölz den Zuschlag. Auf der Landkarte musste sie die Kurstadt nicht erst suchen, eingewöhnen im katholischen Oberbayern allerdings schon. "Ich bin hier von ganz vielen Leuten gut aufgenommen worden, aber es dauert eben eine Weile, bis man sich einlebt", sagt sie.

Ihre Aufgabe ist zweigeteilt: Zum einen hat sie den Orgeldienst und die Leitung diverser Chöre an der Johanneskirche Bad Tölz zu verrichten, zum zweiten ist sie fürs Dekanat tätig, wo sie vor allem Unterricht im Orgelspiel gibt. Sie klingt ein wenig traurig, als sie sich in der kleine Kirche am Tölzer Schützenweg mit dem Lovis-Corinth-Altarbild an die Orgel setzt, die weniger wie eine Königin der Instrument aussieht, eher wie eine Magd. Ob die Orgel gut sei? Nein, sagt Göbel. Im Dekanat gebe es allerdings vorzügliche.

In der Tölzer Johanneskirche hat Elisabeth Göbel die Kirchenmusik zu konzeptionieren und zu leiten. Zu ihren Aufgaben gehört aber auch der Dienst im Dekanat, der vorwiegend aus Orgelunterricht besteht. (Foto: Manfred Neubauer)

Auch die Johanneskantorei hatte schon mal mehr Mitglieder. Etwa 20 Sängerinnen und Sänger sind dem Chor nach der Corona-Pandemie noch geblieben, zuvor war er gut doppelt so groß. "Für viele hat sich durch Corona die Lebenssituation geändert, die berufliche Situation, die private", erzählt Göbel. "Für manchen war das auch der Punkt, um zu sagen, jetzt höre ich auf." Während sie guten Mutes ist, dass die Kantorei wieder mehr Mitglieder bekommt, berichtet sie von einem anderen Schwund: "Es werden immer weniger Kirchenmusiker, das merken wir." Deshalb arbeitet sie für die Nachwuchskampagne "Mach' Kirchenmusik". Das Interesse, ein Instrument zu lernen, sei unter Kindern "generell sehr hoch", sagt sie; die Musikschule in Bad Tölz plage ja kein Nachwuchsmangel. "Aber viele haben nicht auf dem Schirm, dass das auch mit der Orgel gehen würde."

Das Engagement für diese Kampagne, die Mitarbeit im Arbeitskreis "Kirche und Tourismus" der Landeskirche, dazu Vizepräsidentin des Verbands der evangelischen Kirchenmusik in Bayern - all dies zählt gleichfalls zu Göbels Verdiensten um die Kirchenmusik, für die sie den Ehrentitel erhalten hat. So ganz glücklich wirkt die neue Kirchenmusikdirektorin jedoch nicht. Auch wenn sie betont, dass sie derzeit "keine Wechselpläne" hege.

Kirchenmusik, sagt Göbel, habe eine Strahlkraft nach außen

Mit ihrem katholischen Pendant von der Tölzer Pfarrgemeinde Maria Himmelfahrt verbindet sie immerhin eine freundschaftliche Zusammenarbeit, unter anderem bei zwei ökumenischen Konzerten in den vergangenen Jahren. Christoph Heuberger, sagt sie, sei "ein sehr lieber Kollege". Auch mit Dekan Heinrich Soffel, der in Konflikt mit dem Kirchenrat geriet und außer Dienst gestellt ist, und Pfarrerin Elisabeth Hartenstein hat sie nach eigenem Bekunden ein gutes Verhältnis. Was die Pfarrer Johannes Schultheiß und Urs Espeel angeht, hält sie sich jedoch bedeckt und spricht nur kurz von "verschiedenen Ansichten". Also anders gefragt: Was denn ihr Wunsch sei? "Dass die Kirchenmusik mit allem, was sie sein kann und was sie bedeutet, ins Bewusstsein der kirchlichen Mitarbeiter und der Kirchenmitglieder kommt." Kirchenmusik, sagt Göbel, habe Strahlkraft nach außen. "Sie ist ein anderes Ende der Verkündigung als das reine Wort."

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