Kabarett:Weißwurscht und Kruzifix

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Ein Romeo-und-Julia-Balkon als Kulisse: Michl Müllers neues Programm dreht sich um Shakespeare. (Foto: Hartmut Pöstges)

Michl Müller liefert in der ausverkauften Loisachhalle Pointen am laufenden Band

Von Petra Schneider, Wolfratshausen

Michl Müller ist nicht Shakespeare, soviel steht fest, und so hat er auch, um Missverständnissen vorzubeugen, sein 16. Programm genannt. Auf der Bühne der ausverkauften Loisachhalle ist ein Romeo-und-Julia-Balkon aufgebaut, eine Fanfare spielt zum Einzug des Komödianten. Shakespeare also, dessen Tragödie nach Ansicht Müllers eine Rosamunde-Pilcher-Schmonzette mit völlig veralteter Sprache ist. In seiner Version liebt der Hassan mit dem Dreier-BMW die McDonalds-Verkäuferin Julia, die es total supi findet, dass der Hassan sie voll krass heiraten will, sogar mit Weddingplanner.

Müllers Welt ist bevölkert von bodenständigen Durchschnittstypen: Fleischereifachverkäuferinnen; die stets leicht angeschickerte Frau Doktor Meringhoff; der Carlos, der eigentlich Günther heißt und nicht aus Spanien, sondern aus der Oberpfalz kommt; oder der sanfte Holger ("Man muss zufrieden sei, der Dalai Lama sacht auch, ma muss zufrieden sei").Dafür liebt das Publikum den selbsternannten "fränkischen Dreggsagg". Ein versiertes Publikum, das er mit unglaublicher Energie und hohem Tempo durch den fast dreistündigen Abend manövriert. Er liefert Pointen am laufenden Band - Alltägliches, aufgepeppt mit Schlüpfrigkeiten, Schlagermusik und etwas Politik. Geschickt verknüpft er seine Späße, webt als Running Gag den Wolfgang aus Taufkirchen ein, der sich leichtsinnigerweise bei der Frage nach der Intimrasur meldet.

Shakespeare gibt die Themenschwerpunkte vor: Liebe und Unsterblichkeit. Aber auch politische Einlassungen gibt es, die nicht unbedingt nötig wären, weil sie nicht rasend originell sind und in dem recht runden Programm wie Fremdkörper wirken. Lachhaft ist manches dennoch: Etwa die SPD, die derzeit bundesweit bei 17 Prozent liege: "Da hat ja selbst Eierlikör mehr Prozente", sagt Müller. "Und mehr Eier." Oder der Kreuzerlass, der laut Söder als "Ausdruck bayerischer Lebensart" verstanden werden solle. Kommentar Müller: "Das ist eine Weißwurscht auch, aber die ist so schlecht zum Aufhängen." Gänzlich unnötig ist der sprechende Shakespeare-Totenkopf auf der Bühne, der sächselnd ("Ich bin kein Angelsachse, sondern ein Sache, das ist ein Übersetzungsfehler") eine alberne Geschichte erzählt: Eigentlich habe gar nicht er, sondern sein Bruder, der Legastheniker Heiko, die Geschichte von Romeo und Julia geschrieben.

Müller ist kein intellektueller Politkabarettist; aber gut gemachte Comedy ist allemal besser als halbgares Kabarett. Und gute Comedy macht der 46-Jährige zweifellos. Er ist ein genauer Beobachter; seine Bestandsaufnahme moderner Beziehungen sind treffsicher, seine Begegnungen im Apple Store oder in der Warteschleife bei der Telekom zum Schießen. Witzig auch seine Lifestyle-Kritik: neumodische Junggesellenabschiede zum Beispiel, oder energetisches Wasser, das seine Information preisgebe, wenn man Bergkristalle zugebe. Das mit den Informationen habe er gar nicht gewusst, sagt Müller. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich viel zu selten mit Wasser unterhalte."

Die Karriere des gelernten Werkzeugmechanikers begann im heimatlichen Faschingsclub in Garitz. Seit 2007 tritt er als Hauptact der BR-Sendung "Fastnacht in Franken" auf, seit 2015 hat er in der ARD eine eigene Show. Umwerfend sind seine Schlagerparodien: Die große Pose à la Helene Fischer hat er perfekt drauf: Arme weit nach oben ausgebreitet, mit spitzen Fingern Löcher in die Luft gebohrt, Hände zum Herzen - großartig. Fast könnte man meinen, das sei ernst. Wenn da nicht die Texte wären, die jeglichen Kitsch wegironisieren. "Wenn es Nacht wird am Kilimandscharo, is genauso dunkel wie daheim." Als Zugabe gibt es ein Medley seiner Hits wie "Die Ingwerreibe" oder "Vollwärmeschutz der Liebe". Da hält es niemanden mehr auf den Sitzen - alles steht, singt, klatscht. Sogar der olle Shakespeare klappert mit den Zähnen.

© SZ vom 27.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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