Kabarett:Süßer Senf und "Ovoggodo"

Lesezeit: 2 min

Bayerisch-sächsische Rollenspiele: Christoph Stelzner (links) und Martin Bauer zeigen in Lenggries Lust an der Verwandlung. (Foto: Manfred Neubauer)

In ihrer sächsisch-bayerischen Satireshow zeigen Christoph Stelzner und Martin Bauer in Lenggries einige gelungene Parodien. Richtig pointiert wird es jedoch nur beim Kernthema: den Missverständnissen zwischen den Bewohnern beider Freistaaten

Von Sabine Näher, Lenggries

"Sie sind zwei sächsisch-bayerische Seelen zwischen Semperoper und Schweinshaxen, die sich ein Schicksal teilen: Mit ihrem Dialekt machen sich beide in Berlin unbeliebt!" So kündigen sich Christoph Stelzner und Martin Bauer auf ihrer Website selber an. Das macht neugierig. Und "sächsisch-bayerische Satireshow" klingt ebenfalls durchaus verheißungsvoll. Am Freitagabend konnte man die beiden bei KKK im Arabella Brauneck Hotel im ausverkauften Saal live erleben. Doch mitunter geht gute PR auch nach hinten los: Sie kann Erwartungen wecken, die dann nicht eingelöst werden.

Zugegeben: Das Duo hat viele witzige Ideen, die teilweise auch packend in die Bühnenrealität umgesetzt werden. Aber eben nur teilweise. Über weite Strecken rätselt der Zuschauer leider auch: Was treiben die da oben eigentlich? Die Texte lassen zum Großteil jene Exaktheit und Pointiertheit vermissen, die Kabarett zum geistigen Vergnügen machen kann. Auch die Performance wirkt nicht durchgehend professionell. Bei Stelzner und Bauer stellt sich mitunter eher der Gedanke ein: Knapp daneben ist leider auch vorbei.

Unklar auch, als was man diese Bühnenshow begreifen soll: Kabarett, wenn man es im klassischen und traditionellen Sinne begreift, ist es eher nicht. Also bleibt die Verlegenheitslösung, es als Comedy zu beschreiben. Denn dieser Begriff ist dehnbar. Aber zu den Inhalten: Da findet sich eine wirklich gut gemachte Papst-Parodie von Bauer, der natürlich den bayrischen Pontifex gibt. Aber wie fügt sie sich ein? Es fehlt der rote Faden. Den soll wohl die Rahmenhandlung herstellen: Die beiden Darsteller sind auf dem Weg nach München am "International Airport Chemnitz-Jahnsdorf" gestrandet. Ursächsische Lautsprecherdurchsagen (Wieso eigentlich soll Sächsisch an sich schon lustig sein?) und etliche Videoeinspielungen geben den Protagonisten Zeit für Kostümwechsel, bringen aber zusätzlich Unruhe ins ohnehin sehr bunte Programm.

Da wird etwa die "Crystal-Christl" eingeblendet, die Drogen vor Almkulisse im Dirndl anrührt. Oder es werden die schieren Klischees abgebildet: Die neue Flamme des Sachsen ist entweder die "Piercing-Peggy" oder die "Pegida-Petra". Doch dann glänzt Stelzner als sächsischer Swingerclub-Spezialist mit grenzdebilem Gegrinse und T-Shirt mit der Aufschrift "Sächsmaschine". Doch die einzelnen Perlen ergeben keine Kette. Erst am Schluss, als sie auf ihr Kernthema kommen, die nicht nur sprachlichen Missverständnisse zwischen Sachsen und Bayern beleuchten ("Ich habe mit Freunden auf dem Oktoberfest gefeiert. Für den Preis kriegst du in Sachsen eine Eigentumswohnung!") und sich gegenseitig Sprachunterricht erteilen, der auch das Publikum miteinbezieht, wird's richtig gut. "Was ist die beliebteste sächsische Frucht?", fragt Stelzner. Na klar: Avocado. Daraus wird ein herrlicher Rap im Gemüseladen "Hommse Ovogodo do?", den Bauer mit dem bayrischen Klassiker "Da ma mim Radl foahn?" durchsetzt. Und der Saal rappt lustvoll mit. So kommt die angekündigte "Völkerverständigung" tatsächlich doch noch zustande.

Doch wer verbirgt sich eigentlich hinter "Stelzner & Bauer"? Das Netz gibt Auskunft: Christoph Stelzner ist zu finden als Videojournalist und Autor, der als Freiberufler in der Region Dresden, Leipzig und Umland für den MDR arbeitet. Und Martin Bauer, der als Videojournalist, Sounddesign-Produzent und Comedy-Autor für Bayern 3 tätig ist, begann seine journalistische Laufbahn beim Hochschulfernsehen und -radio in Mittweida. Für alle, die es nicht wissen: Mittweida liegt auf der Westseite des Zschopautals im Mittelsächsischen Bergland, also mitten im Dreieck Leipzig-Chemnitz-Dresden. Ein Bayer mit Migrationshintergrund? Oder doch, die Sprache legt es nahe, eher einer, der eine Weile im wilden Osten gelebt und gearbeitet hat. Jedenfalls konnte er so einschlägige Erfahrungen sammeln und hautnah erfahren, dass an der Völkerverständigung zwischen Sachsen und Bajuwaren wirklich noch gearbeitet werden muss. Vielleicht könnten Stelzner und Bauer ihre Programme künftig ja mehr auf dieses Thema konzentrieren.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: