Kabarett:Guter Sex in der Kaminstub'n

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Aufklärerische Intention: Philipp Weber will mit seinem Kabarett nicht nur Spaß machen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Philipp Weber klärt in Lenggries über Werbung, Konsum und gesteigerte Bedürfnisse auf

Von Petra Schneider, Lenggries

Zuletzt hat sich Philipp Weber mit den Themen "Futter" und "Durst" beschäftigt. In seinem neuen Programm, das er am Freitag in der Kaminstub'n des Brauneck-Hotels in Lenggries vorstellt, arbeitet er sich auf der Bedürfnispyramide weiter nach oben: Um Konsum und Marketing geht es, um Manipulation und Bedürfnisse, die es gar nicht gäbe, würde die Werbung sie nicht als unverzichtbar verkaufen. "Weber N°5: Ich liebe ihn!" hat der 42-Jährige sein Programm genannt. Denn alles Widerstreben hilft nichts - am Ende kapituliert auch er vor einem lukrativen Werbeangebot von "Weber-Grill".

Mit einiger Selbstironie und irrem Tempo jagt Weber durch sein Programm: Verwandelt die Bühne in eine Arena, auf der er herumwirbelt, dass der Pferdeschwanz nur so wippt. Beugt sich tief zu den Gästen in der ersten Reihe, lüftet sein T-Shirt, auf dem sich im Lauf des Abends Schweißflecken abzeichnen. Seine Stimme schwingt sich zu sopranen Höhen auf, wenn er Salven in fränkischem Dialekt abfeuert oder sein Publikum anspricht. "Habt's es auch gelesen, oder?", fragt er immer wieder.

Die Lenggrieser kennen ihren Philipp gut - jedes Jahr sei er mindestens einmal da, sagt Veranstalterin Sabine Pfister, und jedes Mal seien die Termine ausverkauft. Die Zuschauer amüsieren sich auch an diesem ausverkauften Freitagabend prächtig, obwohl auch sie gefordert sind: Konzentration ist gefragt bei diesem Hochleistungskabarett für Hirn und Zwerchfell. Denn Weber will nie nur Spaß machen; seine Programme haben immer auch eine aufklärerische Intention. Sie sind ein Appell, Konsumgewohnheiten zu überprüfen und die Macht von Werbung und Marketing zu hinterfragen.

Atemlos eilt er von Pointe zu Pointe, vermittelt neurophysiologische Wahrnehmungsgrundlagen ebenso wie Lifestyle-Entgleisungen und kleine Schlüpfrigkeiten - ganz gemäß dem Leitsatz von Werbestrategen: "Sex sells". Bei aktuellen politischen Themen spricht er Klartext und übt fundamentale Religionskritik. Ein intelligenter Rundumschlag, der zum Abbild unserer schnelllebigen Welt wird: Zeit zur Reflexion bleibt nicht, obwohl Weber viel Nachdenkenswertes einstreut: "Besitz ist eine Gefahr für die menschliche Freiheit", zum Beispiel. Für Weber ist Werbung eine "ehrliche Lüge" in kryptischer Sprache, die "Problemprodukte" wie Hämorrhoidensalbe ebenso verkaufen müsse, wie die Problemländer Nordkorea, Thüringen oder die Türkei. Allen "Demokratiemüden" empfiehlt er einen Urlaub in Saudi Arabien: "Erleben Sie Zuckerbrot und Peitsche auf der eigenen Haut." Ernst ist es ihm mit seiner Warnung vor Populisten, die den Verstand umgingen, indem sie direkt auf die Emotion abzielten.

Mit vielen Preisen, darunter dem Bayerischen und dem Deutschen Kabarettpreis wurde der schmale Mann aus dem Odenwald bereits ausgezeichnet. Ursprünglich hat er Biologie und Chemie auf Lehramt studiert. Auch in seinen Kabarettprogrammen kann Weber sich das Dozieren nicht ganz verkneifen; immer wieder streut er Zahlen und Fakten ein - freilich nicht, ohne ihnen einen komischen Dreh zu geben. So erfährt man, dass 90 Prozent der Alltagschemie aus der Erdölindustrie kommt, 40 Prozent aller Elektrogeräte vollkommen gebrauchstüchtig weggeworfen und 100 Milliarden Euro jährlich für das Marketing von Kinderartikeln ausgegeben werden. "Weine, schrei, wirf dich auf den Boden. Weil ohne diese Fruchtzwerge wirst du es nie aufs Gymnasium schaffen!"

Am Ende ist noch einmal das Publikum gefragt. Gutes Essen sei wie guter Sex. "Und, Lenggries, was ist guter Sex?", fragt Weber. "Wie ein Abend im Kabarett", ruft eine Dame.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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