Klassik in Wolfratshausen:Lauter junge Stars

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Als Vollblutmusiker zeigte sich Konstantin Starke aus München beim Klarinettenkonzert, KV 622, von Mozart in der Wolfratshauser Loisachhalle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Seit rund 20 Jahren gibt es das Format "Junge Stars in Fürstenfeld". Nun präsentieren sich zwei junge Musiker mit der Neuen Philharmonie München in der Loisachhalle. Das ist musikalisch erstklassig, verdient aber Verbesserung in der Konzeption.

Von Paul Schäufele, Wolfratshausen

Der eine stürmt wehenden Haares auf den Flügel zu, der andere nimmt gemessenere Schritte, die Klarinette in der Hand, bis er die Mitte der Bühne erreicht. So bewegen sich junge Stars. Denn das Format, mit dem die Neue Philharmonie München, unterstützt von zwei aufstrebenden Jungmusikern, eine Reihe von anspruchsvollen Konzerten abschließt, trägt diesen Namen: "Junge Stars von morgen". Musikalisch unanfechtbar, in der Konzeption etwas wacklig, ist der Abend in der Wolfratshauser Loisachhalle im Ganzen ein würdiger Abschluss der Frühjahrssaison des Ensembles.

Starker Sinn für Klangfarben und charakterliche Differenzierung

Es dauert keine drei Sekunden, um zu erkennen, dass Konstantin Starke, 2004 in München geboren, ein Vollblutmusiker ist. Lebendigstes Parlando und weitsichtige Phrasierung präsentiert er schon im Kopfsatz des Klarinettenkonzerts von Mozart. Dabei empfängt er flexibel die Impulse, die ihm die Neue Philharmonie unter Johannes Zahn zuspielt, und verwandelt sie in eigenen Ausdruck. Etwa bei den zahlreichen Moll-Eintrübungen, die der Kopfsatz bietet. Starker Sinn für Klangfarben lässt diese in herbem Kontrast zu dem sonst eher lichten Satz erscheinen. Ebenso die Stelle, an der Mozart einen Dialog auf ein und demselben Instrument inszeniert - hier wechselt Starke nicht nur die Register auf der Klarinette, sondern differenziert charakterlich. Das berühmte Adagio aus KV 622 gestaltet er mit schlackenlos gesanglichem Ton.

Das verwundert nicht, schließlich ist Starke auch ausgebildeter Sänger und kann sich, wie man später erfahren wird, durchaus vorstellen, später noch musikalische Ausflüge in diese Richtung zu unternehmen. Obwohl er die Klarinette darum hoffentlich nicht in die Schublade legt, denn ein so vitales, leichtfüßiges, strukturiert gedachtes und auch in den höchsten Registern klangschönes Finale des Mozart'schen Klarinettenkonzerts begeistert.

Große Spielfreude: die Neue Philharmonie München unter Dirigent Johannes Zahn. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nicht weniger erstaunlich ist das Können, das Julius Egensperger, Jahrgang 2006, in Edvard Griegs Klavierkonzert an den Tag legt. Auch dieser preisgekrönte Musiker, Jungstudent an der Münchner Musikhochschule, schafft es, den effektvollen Satz mit strukturellem Denken zu verknüpfen. Hier glitzern die Läufe, wogen die dichten Akkorde, steuern aber auf einen präzise anvisierten Punkt zu. Egensperger macht daraus kein Theater, seine Bewegungen sind sparsam. Was er ausdrückt, drückt er durch Musik aus, nicht durch Äußerlichkeiten. Der zweite Satz wird oft überzuckert, als eine Art norwegische Belcanto-Piece aufgeführt. Bei Egensperger hat er die Klarheit und natürliche Schlichtheit, die er braucht. Im Schlusssatz macht er dem hier verwendeten norwegischen Springtanz Halling alle Ehre. Energiereich, blitzend und mit grimmigem Humor führt Egensperger durchs Finale. Dass hin und wieder das Zusammenspiel mit dem Orchester nicht ganz reibungslos funktioniert, fällt nicht ins Gewicht. Der Beifall kommt verdient und reichlich.

Christine Hochenbleicher, Veranstalterin der Reihe "Junge Stars in Fürstenfeld", moderierte den Abend in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Am Anfang war Franz Deutsch, Vorsitzender des Ickinger Vereins "Musikwerkstatt Jugend", Mutter-Organisation der Neuen Philharmonie München, etwas skeptisch, wie das Format "Junge Stars von morgen" angenommen würde. Ausverkauft ist die Loisachhalle an diesem Abend nicht, obwohl die Moderatorin, Christine Hochenbleicher, durchaus Renommee hat. Seit etwa 20 Jahren veranstaltet die Kulturagentin die Reihe "Junge Stars in Fürstenfeld", bei der junge Musizierende ein Podium für ihre Kunst geboten bekommen und sich anschließend in einem kurzen Interview selbst vorstellen können. So ganz will das an diesem Abend nicht aufgehen.

"Ohren offen haben dafür, wie die Resonanz ist."

Geschenkt, dass Hochenbleicher in ihrer Moderation Wikipedia-Fakten zu den Stücken vorliest. Aber etwas originellere Fragen als "Möchtest du beruflich in Zukunft bei der Musik bleiben?" an Julius Egensperger hätte man sich schon gewünscht - und ja, möchte er. Immerhin erfährt man in einer vergnüglichen Anekdote, wie Konstantin Starke, Sohn des Klarinettisten Gerd Starke, aus Ehrgeiz zum Instrument kam. "Meine Schwester und ich haben im Büro meines Vaters immer die Klarinette ausprobiert. Ich hab' aber nie einen Ton rausbekommen, was mich sehr geärgert hat. Also hab' ich mir selbst eine Klarinette gewünscht", erklärt er. Nach dem Konzert zeigt sich Franz Deutsch vorsichtig optimistisch. Natürlich könne man dies und das noch besser machen, aber nun müsse man vorrangig die "Ohren offen haben dafür, wie die Resonanz ist".

Umso besser, dass das Konzert mit exquisiter Musik endet. Nach einer zarten Zugabe, in der Starke und Egensperger Schumanns erstes Fantasiestück aus Opus 73 interpretieren, zeigt sich das Orchester allein. In der zweiten, 1919 veröffentlichten Konzertsuite, die Igor Strawinsky aus seinem Ballett "Der Feuervogel" geschmiedet hat, beweist die Neue Philharmonie einmal mehr ihre in den vergangenen Jahren gewachsenen Fähigkeiten. Mit Spielfreude, Spaß am Paukenknalleffekt und Lust an seiner kaleidoskopartigen Vielfarbigkeit führt das junge Ensemble durchs Stück, angeleitet von den sprechenden Gesten Johannes Zahns. Bravo-Rufe aus der Loisachhalle.

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