Jugendsiedlung Hochland:Gelebte Bildung

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Als Leiter der "Jugendsiedlung Hochland" in Königsdorf hat Josef Birzele 27 Jahre lang jungen Menschen Demokratie und Geschichtsbewusstsein vermittelt. Nun wurde er in den Ruhestand verabschiedet.

Von Wolfgang Schäl, Königsdorf

Es ist ein geschichtsträchtiges Terrain, auf dem Josef Birzele in den vergangenen 27 Jahren gewirkt hat. So lange, seit 1991, war er Chef der Königsdorfer Jugendsiedlung Hochland, einer Bildungseinrichtung des Bezirks Oberbayern, die sich als Konsequenz aus der deutschen Vergangenheit erfolgreich einem Schwerpunktthema gewidmet hat: der Vermittlung von Demokratie.

Von 1936 bis 1945 ist das weitläufige Gelände am Rothbach von den Nationalsozialisten als Lager für die Ausbildung der Hitlerjugend genutzt worden, Tausende Jugendliche wurden hier indoktriniert und gedrillt, es war das größte Lager seiner Art in Bayern. Nach dem Krieg diente die Einrichtung als Zuflucht für Displaced Persons, versprengte Opfer der Kriegswirren aus aller Welt, bis schließlich eine paramilitärisch-zionistische Organisation, eine Vorläuferin der israelischen Hagana, hier ihre Übungen abhielt. Seither hat sich die Jugendsiedlung zu einer demokratischen Vorzeige-Institution mit einem breit gefächerten, reichhaltigen politisch-ökologischen Bildungs- und Erlebnisangebot für junge Leute entwickelt - ein Prozess, an dem Birzele jahrzehntelang in führender Position tatkräftig mitgewirkt hat. Nun wurde er, 63-jährig, in den Ruhestand verabschiedet. Rund 160 Gäste bereiteten Birzele im "Glashaus", dem Speisesaal, einen würdigen und warmherzigen Abschied. Angesichts des Lobes habe er "schon ein bisschen geschluckt", beschreibt der scheidende Chef seine Gefühlslage bei der Festveranstaltung.

In den Jahren seiner Amtszeit hat sich die Einrichtung auch äußerlich stark verändert. "Es gibt kaum ein Haus auf dem 36 Hektar großen Gelände, das wir nicht mindestens einmal umgebaut haben", erzählt Birzele. Zuletzt wurde ein schwierig zu finanzierendes, mehr als sechs Millionen Euro teures Gebäude errichtet, das noch nicht ganz fertig ist. Großen Wert habe er dabei auf die Inklusion von Gästen mit Behinderung und vor allem auf die Umsetzung ökologischer Errungenschaften gelegt, darunter eine Schilfteich-Kläranlage und eine Umstellung der Wärmeversorgung von Öl auf Hackschnitzel. "Das war mir immer ein Herzensanliegen, schließlich befinden wir uns hier in einem Landschaftsschutzgebiet", sagt der Schwabe Birzele, der bei der Durchsetzung seiner Ideen gelegentlich auch stur sein konnte. Auch regionaler Einkauf und ökologische Küche seien ihm ein großes Anliegen gewesen. Stolz ist er besonders darauf, dass die Bildungsstätte mittlerweile an eine öffentliche Buslinie angeschlossen ist, deren Fahrplan sich nach den Seminarzeiten richtet. "Hierher muss niemand mehr mit dem Auto kommen."

Enorme Veränderungen hat es auch in inhaltlicher und personeller Hinsicht gegeben. 36 Mitarbeiter sind mittlerweile in der Bildungsstätte fest angestellt, dazu kommen viele freiberufliche Referenten, die dazu beitragen, dass jährlich um die 450 Seminare und Führungen abgehalten werden können. Zu Beginn waren es gerade einmal 30 Bildungsveranstaltungen. Dem entsprechend haben nach Birzeles Worten auch die Ausgaben zugenommen: von anfangs 300 000 Euro im Jahr auf jetzt 3,2 Millionen. Das sei schon eine große Verantwortung, schließlich hänge an einem Angestellten ja jeweils eine ganze Familie. "Die Jugendbildungsstätte ist mit den Aufgaben gewachsen, aber auch mit der Nachfrage", erläutert Birzele, der als größtes Ereignis in seiner Ägide ein Zeltlager im Jahr 2015 mit 4500 Teilnehmern nennt - junge Feuerwehrleute aus ganz Deutschland. Logistisch sei dies bisher die größte Herausforderung gewesen. Alle Kräfte aufbieten mussten die Verantwortlichen aber auch bei zwei Hochwasserereignissen. 2005 und 2011 trat der Rothbach über die Ufer und flutete einige Gebäude, darunter den Keller des Tagungshauses.

Als sein Hauptanliegen nennt der Sozialpädagoge, "jungen Menschen in den Nöten ihrer Zeit beizustehen", ihnen zu vermitteln, wie Ökologie und Demokratie funktionieren. "Bildung", so einer seiner Kernsätze, "wendet sich an jeden einzelnen, findet aber in der Gruppe statt". Und diese Gruppen sollten nach Birzeles Überzeugung "draußen in der Natur unterwegs sein, denn dort findet jeder am besten seine Rolle". Zur Bildung zählt Birzele vor allem die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit und die Geschichte des Hochlandlagers selbst. Zwar gebe es bald kaum noch Zeitzeugen, dafür könne man sich den historischen Themen aber verstärkt wissenschaftlich nähern, nachdem allmählich die Geheimhaltungsfristen für einschlägige Dokumente und Materialien auslaufen.

Um Bildung in der Gruppe zu vermitteln braucht man für Birzele aber auch die passenden Konzepte wie selbst inszeniertes Theater, Zirkusvorstellungen, Wanderungen und eine enge Zusammenarbeit mit den Schulen, der Lernenden Region, Jugendverbänden und Unternehmen. Sein pädagogische Credo fasst er in einem "schlauen Spruch" zusammen: "Sachen klären, Menschen stärken, Handeln lernen." In diesem Sinne will er sich auch in den kommenden Jahren als freier Mitarbeiter der Jugendsiedlung engagieren.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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