Kaum jemand hätte wohl vor 50 Jahren gedacht, dass die Filiale einmal länger existieren würde als das Stammhaus. Ein Foto vom 28. September 1972 zeigt den damals 41-jährigen Senior-Chef Otto-Ernst-Holthaus, freudestrahlend in einer dichten Menschenmenge zwischen den Eingangstüren des Geretsrieder Isar-Kaufhauses, das er gerade eröffnet hatte. Das Stammhaus im Wolfratshauser Markt existierte damals schon sechs Jahre, ist aber schon länger Geschichte: Es schloss 2012 nach 46 Jahren. Sein Sohn, der heutige Geschäftsführer Frederik Holthaus, feiert das halbe Jahrhundert Jubiläum für das Isar-Kaufhaus nun in der einstigen Zweigstelle in Geretsried, und zwar mit einer Aktionswoche im Oktober.
Als das Kaufhaus eröffnete, war er ein Bub von neun Jahren. Noch heute schwärmt Holthaus von der "tollen Baustelle" im ausgeschlachteten Capitol Kino an der Egerlandstraße. Sein Vater hatte den Flachbau gemietet, einen ersten und zweiten Stock oben drauf setzen lassen und die Fläche des früheren Lichtspielhauses in das tausend Quadratmeter große Kaufhaus integriert. An den Eröffnungstag könne er sich zwar nicht genau erinnern, sagt Sohn Frederik Holthaus. Er weiß aber noch, dass ihm seine Eltern einen dunkelblauen Blazer angezogen und eine Fliege umgebunden hatten. "Meine eine Schwester war damals sieben", berichtet er. "Mit ihr zusammen habe ich in der Spielwarenabteilung ein- und ausgeräumt. Das war ganz spannend."
1972 war ein Jahr des Aufbruchs - für die Familie Holthaus und die ganze Region. In München fanden die Olympischen Spiele statt, U- und S-Bahn wurden gebaut. Seitdem aber hat sich der Einzelhandel grundlegend verändert. Große Fachmärkte mit viel Parkraum am Stadtrand zogen die Kunden aus dem Zentrum. Discounter erweiterten ihr Angebot. Schließlich nahm der Online-Handel massiv zu, der Abgesang aufs Kaufhaus wird immer wieder gesungen.
Frederik Holthaus glaubt trotzdem immer noch fest an dessen Zukunftsfähigkeit - wenn auch unter modifizierten Bedingungen. "Der stationäre Einzelhandel hat nach wie vor seine Berechtigung", sagt er: "als Ort der Kommunikation und Inspiration." Menschen sei es wichtig, einander außerhalb der eigenen Wohnung zu treffen. Für alle, die nicht so genau wüssten, nach was sie eigentlich suchten, sei das Kaufhaus nach wie vor der richtige Ort, um sich vom Sortiment anregen zu lassen. Das eigentliche Herz des Geretsrieder Isar-Kaufhauses, sagt Holthaus, seien aber die Mitarbeiterinnen - viele von ihnen schon jahrzehntelang dabei. "Die Kunden schätzen die persönliche Ansprache." Auch als größte Kommune im Landkreis sei Geretsried doch immer noch eine Kleinstadt in ländlicher Umgebung, in der sich Kunden und Mitarbeiter kennen.
An der grundsätzlichen Ausrichtung - von Mode, Wäsche- und Strumpfwaren, über Lifestyle-Produkte, Küchenutensilien bis zu Schreibwaren und Dekorationsartikeln - soll sich im Isar-Kaufhaus nichts ändern. Gleichwohl hat es sich an das veränderte Kundenverhalten angepasst. Für Unterhaltungselektronik oder Fahrräder gebe es heute bessere Fachgeschäfte mit mehr Platz, sagt Holthaus. Bei Kochtöpfen und Küchenutensilien aber könne sein Kaufhaus jederzeit mit Spezialisten mithalten. Auch Köche aus umliegenden Gasthäusern gehörten zu seinen Kunden. Besonders seit der Pandemie erlebe das Kochen einen Boom, sagt der 59-Jährige. Darauf habe man sich ebenso eingestellt wie auch auf andere Trends: Die recyclingfähige Flasche aus Maisfaser finde der Kunde genauso wie die umweltfreundliche Essensbox.
Elfriede Rupp legte Fußböden und schleppte Waren über Leitern, wo es noch keine Treppen gab. Die heute 84-Jährige war von Anfang an dabei - Tochter Edeltraud war die erste Auszubildende.
Inzwischen wirbt das Isar-Kaufhaus auch auf den sozialen Medien, einen Online-Shop hat es aber noch nicht. "Aus organisatorischen Gründen", wie Holthaus erklärt. Er will nicht ausschließen, dass es einmal einen geben könnte. Dann aber so, dass er mit den Mitbewerbern mithalten könne. "Sonst ist das sinnlos, weil der Kunde immer vergleicht." Auch wenn das Kaufhaus-Motto "Alles unter einem Dach" heute etwas verstaubt klingt, gilt es laut Holthaus prinzipiell immer noch. Gerade für junge Familien oder Senioren sei es einfach bequem, in einem Haus relativ viel zu bekommen, vom Schnürsenkel bis zum Dichtungsring.
Mit den Kunden wollen Holthaus und sein Team aber erst einmal feiern: vom 6. bis 15. Oktober. Am Samstag, 8. Oktober, schneidet Frederik mit seinem Vater Otto-Ernst Holthaus um 11 Uhr die Geburtstagstorte an. Danach gibt es Kaffee und Kuchen für Kunden und ein Kinderprogramm. Betrieb ist auch am folgenden verkaufsoffenen Sonntag, 9. Oktober - mit Rabattaktionen, Verlosungen und mehr. Vom eigentlichen Geburtstag am Mittwoch, 28. September, wird man im Kaufhaus kaum etwas merken. "Für die Kunden ist das ein ganz normaler Tag", sagt Holthaus. "Für die Mitarbeiter habe ich mir intern aber eine kleine Überraschung ausgedacht."
