Asyl:Wenn junge Flüchtlinge in Familien kommen

Lesezeit: 2 min

Judith Steinberger ist Sozialpädagogin im Tölzer Jugendamt. (Foto: privat)

Wer darf einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aufnehmen? Und was kommt dann auf einen zu? Eine Mitarbeiterin des Tölzer Jugendamtes gibt Antworten.

Von Pia Ratzesberger

Wer ganz alleine ankommt in einem neuen Land, nach Wochen und Monaten der Flucht, hat es besonders schwer - gerade als junger Mensch. Während das Jugendamt minderjährige unbegleitete Flüchtlinge früher vor allem in Wohngruppen unterbringen wollte, wird jetzt die Aufnahme in Pflegefamilien forciert. Die SZ sprach mit Judith Steinberger, Sozialpädagogin im Tölzer Jugendamt, über Voraussetzungen und Herausforderungen.

SZ: Wer kann einen geflohenen Jugendlichen aufnehmen?

Steinberger: Grundsätzlich können sich erst einmal alle Interessenten bei uns melden. Man muss allerdings Zeit und Kraft haben, auch Erfahrungen mit Jugendlichen oder anderen Kulturen. In jedem Fall ist Offenheit erforderlich.

Welches Verfahren muss man durchlaufen, damit die Aufnahme klappt?

Es gibt als Erstes ein Kennenlerngespräch mit dem Jugendamt. Aufklärung ist hier sehr wichtig, damit die Familie weiß, was auf sie zukommt. Dann folgt ein Bewerbungsinterview, auch das polizeiliche Führungszeugnis muss vorgelegt werden.

Könnte sich auch ein voll berufstätiges Paar bewerben?

Darauf gibt es keine pauschale Antwort, man muss stets das individuelle Umfeld beachten. Die Jugendlichen kommen am Nachmittag aus der Schule zurück nach Hause, dann sollte ein Ansprechpartner da sein. Wenn beide Elternteile arbeiten, kann das zum Beispiel auch die fitte Oma oder ein erwachsenes Geschwisterkind sein. Wenn ein Paar alleine jemanden aufnehmen möchte, sollte in der Regel einer von beiden nur Teilzeit arbeiten.

Ist es ein Muss, dass man selbst Kinder hat?

Nicht unbedingt. Es kann aber hilfreich sein, wenn etwa ein gleichaltriger Jugendlicher in der Familie lebt, an dem sich der Geflohene orientieren kann, besonders in der Eingewöhnungsphase. Wenn das eigene Kind nach einer Weile auf Distanz geht und doch eher sein Ding macht, ist das auch normal.

Worauf muss man sich einstellen?

Auf den Kontakt zu sehr vielen Leuten. Nicht nur die Kooperation mit dem Vormund und Jugendamt ist wichtig, sondern auch der Kontakt zu den Landsleuten des Geflohenen. Es ist wichtig, dass er seine Freunde nicht nur besuchen, sondern sie auch zu sich nach Hause einladen kann.

Wer unterstützt einen im Alltag?

Wir klären gerade, dass in Zukunft ein sozialer Träger die Pflegefamilien mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen intensiv begleiten wird. Sowohl die Familie als auch der Jugendliche sollen auf diese Weise beraten und gefördert werden. In den meisten Orten gibt es zudem einen Helferkreis, der geflohene Jugendliche etwa bei den Hausaufgaben oder beim Deutsch lernen unterstützt.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: