Kulturveranstaltung in Icking:Daheim in Chicago

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Monika Drasch mit Alex Haas (links) und Johannes Mayr machen die Poesie vom Emerenz Meier im Garten mit ihrer Musik lebendig. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Emerenz Meier zog einst mit ihrer Familie in die USA. Die neue Heimat blieb ihr immer fremd. Ihre Schwierigkeiten interpretieren Monika Drasch, Alex Haas und Johannes Mayr musikalisch-poetisch zum Auftakt der Gesellschaft unterm Apfelbaum.

Von Wolfgang Schäl, Icking

Es war eine Zitterpartie mit glücklichem Ausgang. Die schwarzen Gewitterwolken, die sich abends bedrohlich über der Irschenhauser Pfaffenleite zusammengebraut hatten, zogen mit ihrer nassen Fracht weiter und ließen einen denkwürdigen Abend unbehelligt geschehen. Der war einer Künstlerin gewidmet, deren Bronzebüste zwar an exponierter Stelle in Passau zu besichtigen ist, die in ihrer unmittelbaren Heimat aber mehr verkannt denn geliebt war: Emerenz Meier, die gemeinsam mit Lena Christ zu den bedeutendsten bayerischen Heimatdichterinnen zählt.

"Daheim in Chicago" war nun ein ihr gewidmetes Programm zum Thema Asylschicksal überschrieben, für das die "Gesellschaft unterm Apfelbaum" im Rahmen ihres Theatersommers 2022 eine würdige Interpretin gefunden hatte: Monika Drasch, die Frau mit der grünen Geige und dem hennaroten Haarschopf, weithin bekannt von der Gruppe "Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn", kam mit zwei musikalisch versierten, kongenialen Begleitern in die Isartalgemeinde. Alle drei brachten ein erstaunliches Sortiment an Instrumenten mit: Neben Drasch, die außer ihrer grün lackierten Violine noch eine Blockflöte und einen Dudelsack dabei hatte, Alex Haas mit Kontrabass und Gitarre und Johannes Mayr, der zum allgemeinen Staunen nebst Akkordeon ein seltsam anmutendes Instrument bediente: "Nyckelharpa" heißt es, ein ursprünglich aus Schweden stammendes altes Streichinstrument, einer Drehleier technisch nicht unähnlich, das aber mit Tasten und Bogen betätigt wird.

Solchermaßen musikalisch ausgerüstet rief das namenlose Trio das schwierige Leben Emerenz Meiers anhand von Gedichten und Briefen in Erinnerung. Emerenz, 1874 in Schiefweg bei Waldkirchen im Bayerischen Wald geboren, war Tochter von Wirtsleuten und Bauern, die wenig Verständnis für die Interessen des frühreifen, literarisch interessierten Kindes aufbrachten. Denn Emerenz versuchte sich schon bald an eigenen Versen und Erzählungen aus ihrer sozial stark eingeschränkten, dörflichen Umgebung und unternahm immer wieder Versuche, diesem geistig und sozial eingeengten Lebenskreis zu entfliehen. Bemerkenswert ist es jedenfalls, dass ein zehnjähriges Kind in diesem bescheidenen sozialen Ambiente, in einer Familie mit sieben Geschwistern, freiwillig Latein lernt und Goethe liest.

Ihre Geschichten aus dem dörflichen Umfeld sind sozialkritisch, aber auch voller Lebenslust, und diesem Teil ihrer Dichtungen ging auch das Drasch-Trio nach: "Lustig muaßt sei", das ist das Thema zum Auftakt, ein fröhliches Tralala und Hoppsassa in schnaderhüpflartigen, gesanglich und instrumental mitreißend inszenierten Stücken, die einen gewiss wichtigen Teil im Gefühlsleben der Emerenz musikalisch illustrieren.

Aber ihre Biografie erfährt vor dem Hintergrund der sozial ausweglosen Situation um die Jahrhundertwende im Bayerischen Wald eine radikale Zäsur: Um zu überleben, entschließt sich die verarmte Familie wie viele andere, im Jahr 1906 nach Amerika auszuwandern. Der damit verbundene Schmerz über den Verlust der Heimat und sogar der deutschen Sprache in den Exilantenkreisen und auch in ihrer eigenen Familie spiegelt sich im Verlauf des Abends beeindruckend wider, die Lieder werden ernster, tiefer, stiller, melancholischer, ebenso wie die Stimmung, die sich in ihren Briefen niederschlägt.

Aber schließlich siegte auch hier bei der Vorstellung am Ende das musikalisch-komödiantische Element, Drasch und ihre Partner wissen jedenfalls, wie ein Zwiefacher geht. Der Aufforderung zur "Damenwahl" mochte dann allerdings doch niemand folgen. Einen völlig neuen Musikstil hob das Trio dabei immerhin aus der Taufe: eine Art Verschmelzung von Country-Hillbillyklängen und niederbayerischen Jodel-Elementen, dem die Gäste des Abends in Irschenhausen mit einem lustvollen Hollereiduljö gern folgten.

Ein Bild von der Emerenz und ihrem Exilschicksal vermittelten Passagen aus den Briefen, aus denen Drasch zitierte. Sie schildern Eindrücke aus Chicago, der Stadt der Schlachthöfe und Wolkenkratzer, die der entwurzelten Literatin fremd bleibt. Sie stirbt dort 1928 mit nur 53 Jahren. Der Arzt, Literat und Freund, Hans Carossa, mit dem sie brieflich im Kontakt gestanden hatte, würdigte sie als uriges volkstümliches Wesen mit dem Seufzer: "Ach wäre sie doch in ihrer Heimat geblieben."

Am Anfang des Konzertes stand ein händeringender Appell von Veranstalterin Barbara Reimold, die um finanzielle Unterstützung für das aufwendige Theatersommer-Angebot der Freilichtbühne bat.

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