Ausstellung der Kunstzeche Penzberg:Formen und geschehen lassen

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"Urkraft", Skulptur aus Eiche. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Holz-Bildhauer Christoph Finkel arbeitet respekt- und kunstvoll mit dem Material, mit dem er im Allgäu groß geworden ist.

Von Felicitas Amler, Penzberg

Man macht das manchmal spielerisch, wenn man einen Apfel schält - man lässt die Schale, ohne das Messer auch nur einmal abzusetzen, in einem einzigen sich ringelnden Band auf den Teller fallen. Nicht ganz einfach. Aber wer ein solches Band aus einem Stück Baum herausschälen kann, muss ein Künstler ein. Christoph Finkel kann es. Der Bildhauer aus dem Allgäu schafft wunderbar anmutige, oft fragil wirkende Objekte aus Holz, die dennoch die Kraft ihres Materials nicht verleugnen. Kugelähnliche Gebilde versieht Finkel rundherum mit Lamellen; eine längliche Form hat er meisterlich zur Spirale verdreht, andere Skulpturen sind in feinsten Holzschichten aufgefächert. Unglaublich, was mit diesem Naturmaterial alles möglich ist.

"Schale" heißt die Skulptur aus dem Holz eines Birnbaums. (Foto: Harry Wolfsbauer/Harry Wolfsbauer)

Die Kunstzeche Penzberg gastiert mit der Finkel-Ausstellung im Campendonk-Museum. Auf drei Etagen bietet sie einen animierenden Einblick in das Werk dieses Künstlers, der sich und seine Arbeit selbst auf mehreren Texttafeln erklärt. Finkel ist 51 Jahre alt, stammt aus Bad Hindelang und ist, wie er sagt, "von den Bergen geprägt". Vater, Großvater und Urgroßvater waren Wagner und Schlittenbauer; mit diesem Handwerk ist der Bub aufgewachsen. Schon da habe er viel über Holz gelernt, sagt Finkel, "vor allem das Selbstverständnis, die Natur und den Wald zu respektieren und nachhaltig zu nutzen". Er ist außerdem ein ausgezeichneter Sportkletterer, war Trainer des deutschen Nationalkaders im Bouldern und Gewinner eines Weltcups. Das Klettern hat nach seiner Ansicht mit der Kunst Gemeinsamkeiten. Beides habe mit Freiheit und Respekt für die Natur zu tun; mit Leidenschaft und Kreativität. Genau diese Einstellung spürt man in der Penzberger Schau.

"So rum" aus Bergahorn. (Foto: Harry Wolfsbauer)
"Leichtigkeit I und II" aus dem Holz eines Apfelbaums. (Foto: Harry Wolfsbauer/Harry Wolfsbauer)

Wie Finkel zu Werke geht, zeigt ein Beitrag der BR-Kultursendung "Capriccio". Es empfiehlt sich, den fünfminütigen Film im Erdgeschoss des Museums anzuschauen, da er die kunst- wie kraftvolle Arbeit eindrucksvoll vermittelt. Etwa wenn er zeigt, wie der Bildhauer einen mächtigen Stamm in Eis und Schnee mit dem Schlitten vom Berg herunterholt - denn er fällt nie einen Baum für seine Kunst, er findet sein Holz, sucht Bäume, die von Stürmen oder Lawinen umgerissen wurden oder, wie er einfühlsam formuliert, aus "Altersschwäche gefallen" sind. Das ist für ihn "die Erlaubnis, mit dem Baum arbeiten zu können". Im BR-Film sieht man, wie er eine 170 Jahre alte Esche, eine Tonne schwer, Durchmesser eineinhalb Meter, bearbeitet. Imposante Bilder, die noch nichts von der scheinbaren Leichtigkeit späterer Kunstwerke ahnen lassen.

Christoph Finkel in seinem Atelier. (Foto: Tobias Burger/oh)

Eine Motorsäge, eine massige mehr als 120 Jahre alte Drehbank, Messer, die teils vom heimatlichen Dorfschmied eigens angefertigt wurden - er brauche nicht viel Werkzeug, sagt Finkel. "Viel wichtiger ist es, dass man gut damit umgehen kann." Gut, nämlich sorgsam geht der Bildhauer, der an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg studiert hat, auch mit dem Holz um. Er behandelt es wie einen Schatz, und so spricht er auch darüber. Wenn man die Jahresringe an einem Stamm nicht mehr zählen könne, weil der Baum unter so beschwerlichen Umständen gewachsen sei, dann sei das "Wahnsinn", sagt er - wie wenn man Gold finde.

Die Gestaltung seiner Objekte sei zeitaufwendig, sie könne Wochen und Monate dauern. Wenn er anfange, wisse er noch nicht, was daraus entstehen werde, er treffe während des gesamten Arbeitsprozesses Entscheidungen, denn man könne nie gegen das Holz arbeiten: "Man bewegt sich immer auf Neuland. Man spielt mit dem Risiko." Während der ganzen Zeit muss das Holz feucht gehalten werden. Das Ende der Bearbeitung ist freilich noch nicht das Ende des Kunstschaffens. Denn das besteht auch im Geschehenlassen. Während der Trocknung arbeitet das Holz, und erst das gibt der Skulptur die vollendete Form. "Das Holzobjekt beginnt sich selbst entsprechend seinen natürlichen Strukturen zu verformen, und gerade die luftigen Lamellenkörper entwickeln hier ihre eigene Dynamik."

"Open end" (Walnussbaum) (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie stark sich das Holz verzieht, habe ganz wesentlich mit dem einstigen Standort zu tun, erklärt Finkel. "Ein Bergahorn, der auf 1600 Meter Höhe gestanden ist und mit einer Lawine ins Tal gerissen wurde, verhält sich viel ruhiger als ein Baum, der wegen eines Bauplatzes in der Nachbarschaft gefällt werden musste." Der "Verzug", mit dem er so gern arbeite, sei umso intensiver, je wilder ein Baumstamm gewachsen sei, und er hänge auch von der Jahreszeit ab. Im Winter verliere der Baum seine Blätter, der Saft werde reduziert, "der Baum hat relativ wenig Leben". Im Sommer habe er eine ganz andere Dynamik: "Wenn das Holz dann trocknet, ist es natürlich sehr radikal." Man könne mit beidem arbeiten, sagt Finkel, aber man müsse es eben immer im Hinterkopf haben. Denn was am Ende in der Trocknung geschehe, könne er nicht mehr beeinflussen: "Und dann sieht man, ob man verstanden hat, mit was für einem Stück Holz man gearbeitet hat."

Finkel lacht, als er sagt: "Ich habe eine sehr gute Beziehung zu diesem Material." Es sei ihm sympathisch. "Holz hat eben nicht nur oberflächliche Schönheit, sondern auch diese starke organische Qualität des Sich-selbst-Verformens. Das ist für mich der zentrale Punkt, das wahnsinnig Spannende, dass das Holz im Endeffekt macht, was es machen will."

Zufälliges Lichtspiel im Innern einer Skulptur. (Foto: Felicitas Amler)

Finkels Kunstwerke sind nicht makellos - und gerade deshalb so wunderschön. Das Holz hat die Form, die der Künstler ihm geben wollte, aber eben auch Risse, Sprünge, Schrunden. Bizarre Löcher geben herrliche Einblicke in die Skulpturen. Und innen offenbaren sie noch einen eigenen Kosmos. Also, reinschauen!

Kunstzeche Penzberg: Christoph Finkel, Museum Penzberg; bis 16. April. www.museum-penzberg.de

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