"Heimatdamisch":"Geiler Anblick": 7000 rocken beim Open Air in der Tölzer Marktstraße

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Das erlebt die Kurstadt selten: Die Menschen tanzen und singen zu den mit Tuba und Akkordeon bajuvarisierten Welthits der Party-Combo.

Von Thekla Krausseneck, Bad Tölz

Das Pärchen parkt seinen Wagen vor der AOK in Bad Tölz und macht sich auf den Weg. Hand in Hand läuft es in Richtung Marktstraße, und je näher es ihr kommt, desto mehr Menschen schließen sich ihm an. Sie bewegen sich auf ein Stimmengewirr zu, das einer gewaltigen Menschenmenge entsteigt; die meisten sind schon da, das Pärchen ist spät dran. Am Eingang zur Marktstraße steht der bullige Pick-up-Truck eines Sicherheitsdienstes quer, einer von diesen Wagen, die man in Tölz sonst nur bei den US-Car-Treffen zu sehen bekommen. Das Konzert, das keinen Eintritt kostet, das ganz ohne Sicherheitsschleusen und Taschenkontrollen funktionieren soll und zu dem nicht weniger als 7000 Besucher kommen, ist lastwagensicher. Es kann losgehen.

Kurz darauf steht das Pärchen auf der Dachterrasse eines Anwohners und blickt auf eine Menschenmenge, die so überwältigend ist, dass der Heimatdamisch-Schlagzeuger Florian Rein den ganzen Abend den Blick nicht abwenden kann. "Das ist ein geiler Anblick, ihr müsst euch mal umdrehen", sagt er später auf der Bühne, und ein paar Tausend Köpfe wenden sich um. In der Eisdiele Gran Gelato brummt das Geschäft, Mitarbeiter reichen Getränke in Pappbechern über die Theke; der Italiener Enzo verkauft Pizzastücke; drei Mitarbeiterinnen von den Stadtwerken verteilen in anderthalb Stunden mehr als 3000 Leuchtarmbänder. Schlangen vor den Bierständen und der Bude des Heimat-Foodtrucks, der Spanferkel-Döner verkauft. Eine Partymeile mit Münchner Ausmaßen: Drei Stunden lang feiern die Tölzer das Event. Drei perfekte Partystunden.

Elf Minuten nach 20 Uhr dröhnt plötzlich Carl Orffs pathetisches "O Fortuna" aus den Lautsprechern der Bühne, die am unteren Ende der Marktstraße aufgebaut ist. Schon nach wenigen Sekunden endet der Carmina-Burana-Chorsatz abrupt - und Blasmusik setzt ein. Rein haut ins Schlagzeug, und Heimatdamisch leitet über in eine bayerisch akzentuierte und teilweise umgedichtete Version von "So lonely". An der Stelle, an der The Police im Original "I always play the starring role" singen, ruft Sängerin Conny Kreitmeier: "Welcome to this Heimatdamisch-Show!" in die Menge. Und damit rauscht das Konzert los. Das Publikum jubelt und tanzt, unter den in den Fenstern sitzenden Nachbarn singt einer mit und auf der gut besuchten Dachterrasse wird angestoßen.

Es ist elf Jahre her, seit das letzte Mal so viele Menschen in die Marktstraße gekommen sind. Damals spielte Rein, der die Tölzer Marktstraße den "tollsten Konzertsaal Bayerns" nennt, mit den Bananafishbones vor 10 000 Besuchern. Am Mittwoch ist er mit seiner neuen Formation zurückgekehrt - endlich, sagt Rein. Acht Musiker hat der Schlagzeuger um sich versammelt: Zusammen mit Kreitmeier singt Bastian Starflinger, der das Konzert über - ganz heimatlich - an einem kleinen Holztisch mit einer Maß Bier sitzt. Alois Riesch spielt das Akkordeon, Konrad Sepp, Dominik Glöbl, Leonhard Schwarz und Max Grasmüller blasen Trompete, Tuba, Posaune und Klarinette, darunter das Intro von "Take on me" von a-ha.

Open Air
:Das ist der Sound der Heimatdamischen

Die Band um Schlagzeuger Florian Rein spielt Welthits im Oberkrainer-Format und präsentiert sich am Mittwoch mit einem kostenlosen Konzert in der Tölzer Marktstraße.

Von Petra Schneider

Jemand wirft riesige weiße und blaue Luftballons in die Menge, auffliegende Hände stoßen sie über die Köpfe. Einer schwebt auf Maria Hörmann herab, die aufspringt und den Ballon anschubst, damit er nicht abstürzt. Heimatdamisch kannte sie vorher zwar nicht, sagt Hörmann, "aber Florian Rein spricht für sich". Das Konzert sei eine tolle Gelegenheit, mal rauszukommen - und dann auch noch bei so gutem Wetter. Wolkenloser Himmel bei 26 Grad und Windstille: Heimatdamisch hätten es nicht besser treffen können. Sarah Rappolder ist aus Kochel am See angereist, "um Freunde zu treffen, gute Musik zu hören und den Abend zu genießen". Heimatdamisch habe sie noch nie live gesehen, aber bereits gekannt - durch Rein. Die Tölzer lieben ihren Tölzer. Und die international bekannten Songs im bayerischen Gewand, etwa das vom Akkordeon unterlegte "Run to the hills" von Iron Maiden. Die finden auch im Ausland Anklang, weshalb die junge Band bald zu einer Tour aufbricht, die sie nach Frankreich, Norwegen, Österreich und in die Niederlande führt.

In der hereinbrechenden Dämmerung schillert die Bühne in immer knalligeren Farben; es wird Nacht, geht auf 23 Uhr zu. Rein dankt den Nachbarn, "die gerade nicht schlafen können", Zugabe folgt auf Zugabe - wenn es nach der Stimmung ginge, könnte Heimatdamisch noch die ganze Nacht weiterspielen. Die Polizei, obgleich durch den Operativen Ergänzungsdienst aus Kochel am See verstärkt, hat kaum zu tun: Ein Geldbeutel wird gefunden, ein verloren gegangenes Kind den Eltern zurückgebracht. Friedlich verläuft das Fest und friedlich geht es zu Ende.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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