Gymnasium Icking:Barthel erklärt Asylpolitik

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel diskutiert mit Gymnasiasten in Icking. (Foto: Hartmut Pöstges)

Schüler diskutieren mit SPD-Bundestagsabgeordnetem.

Von Claudia Koestler, Icking

Die Asylbewerber, die auf lebensgefährlichen Wegen nach Deutschland kommen, sind für die Jugendlichen des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums kein Thema, das sie bloß aus den Medien kennen. Seit voriger Woche ist die Turnhalle der Ickinger Schule mit Flüchtlingen belegt. Über die Asylpolitik und die aktuelle Lage konnten die Gymnasiasten am Dienstag mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel diskutieren, der sich knapp zwei Stunden lang ihren Fragen stellte.

30 Asylsuchende sind derzeit in der Turnhalle einquartiert. Schulleiterin Astrid Barbeau äußerte sich erfreut, dass das Nebeneinander von Flüchtlingen und Schülern bislang reibungslos verläuft. Keine einzige Klage sei ihr bisher aus den elften und zwölften Klassen zu Ohren gekommen, deren Sportunterricht seit der Belegung komplett extern stattfinde, sagte sie.

Konkrete Fragen zur Situation in Icking stellten die Schüler nicht an Barthel, vielmehr wollten sie von ihm grundsätzliche Einschätzungen zur deutschen und europäischen Asylpolitik hören. "Die Debatte dreht sich ja momentan um die Frage Yes, we can oder No, we can not", sagte er. Entscheidend sei aber, ob man sich dem Problem stellen wolle oder nicht. "Wer sagt, das schaffen wir nicht, sollte sich fragen, was die Alternative ist - nämlich dass Menschen wie jene in der Ickinger Turnhalle sterben werden", sagte der Abgeordnete.

Flüchtlinge kommen Barthel zufolge "nicht wegen der tollen Turnhallen oder der tollen Sozialleistungen nach Deutschland", sondern weil die Situation in ihren Heimatländern unerträglich sei. "Anders ist nicht zu erklären, warum sie jetzt kommen, denn die Sozialleistungen gibt es schließlich schon länger", erklärte er. Das Asylrecht dürfe auch nicht an Zahlen gebunden werden: "Wenn Menschen bedroht oder bombardiert werden, dann kann man nicht sagen, 100 000 nehmen wir, der Rest hat Pech."

Berechtigt ist für ihn hingegen die Frage, wie mit der momentanen Lage umzugehen sei. Er plädierte für einen europäischen Verteilungsschlüssel, doch dafür gebe es momentan noch keine Einstimmigkeit unter den Staaten. "Wir müssen überlegen, wie etwas an den Ursachen der Flüchtlingsströme zu ändern ist, und zugleich muss Europa mit dem Problem solidarisch umgehen", sagte Barthel. Er sei weder gegen Grenzkontrollen noch gegen eine frühe Registrierung, doch das dürfe nicht den Eindruck erwecken, den Zustrom dadurch bremsen zu können. "Die Flüchtlinge dürften auch nicht die Angst haben, zurückgeschickt zu werden", sagte er. Da die USA "nicht ganz unschuldig an der Situation" seien, müssten sie bei der Bewältigung der Krise in die Pflicht genommen werden - und ebenso dabei, die Fluchtursachen zu beseitigen.

Prognosen zufolge kostet die Unterbringung der Asylsuchenden den deutschen Staat sechs Milliarden Euro im Jahr. Barthel glaubt nicht, dass diese Summe ausreicht. Allerdings müssten solche Zahlen immer in Relation gesehen werden: "Nach der Bankenkrise stellte die Bundesregierung innerhalb einer Woche 450 Milliarden Euro zur Verfügung, um das Finanzsystem zu retten", rief Barthel ins Gedächtnis. Er sehe die Flüchtlinge als Chance - wenn sie integriert werden oder wenn sie nach einer Rückkehr in ihre Heimat Freunde Deutschlands bleiben. "Nicht Geld ist die entscheidende Frage, sondern der Wille, und am Ende wird es sich lohnen, zu helfen, menschlich wie wirtschaftlich", schloss er.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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