Glimpflicher Ausgang:"Mir ist die Hand ausgerutscht"

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In der Freinacht 2017 geht ein Rentner auf Jugendliche los. Das Amtsgericht verurteilt ihn zu einer niedrigen Geldstrafe

Von Benjamin Emonts, Wolfratshausen

Es zeichnete sich bereits am ersten Prozesstag ab, dass es nicht ganz leicht werden würde, das Tohuwabohu aus der Freinacht 2017 im sonst so ruhigen Icking aufzuarbeiten. Vor dem Haus eines Rentners war es damals zu tumultartigen Szenen gekommen. Vor dem Anwesen hielt sich eine Gruppe von mehr als 30 Jugendlichen auf, die dem Rentner Klingelstreiche spielten und offenbar Böller auf dessen Haus warfen. Der 71-jährige Ruheständler verlor die Fassung und ging auf die Jugendlichen los. Ein Vater trat mit ihm in den Ringkampf. Die Frau des Rentners spritzte beide Männer mit dem Gartenschlauch ab. "Die waren schon wirklich nass", sagt sie vor Gericht.

Trotz zahlreicher Zeugenaussagen bleibt vieles im Dunkeln, was an jenem Abend genau passiert ist. Das Amtsgericht sieht es am Ende der Verhandlung aber als erwiesen an, dass der Rentner zwei minderjährigen Jugendliche mindestens Ohrfeigen verpasst hat. Richter Urs Wäckerlin verurteilt ihn am Dienstag wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 2400 Euro.

Der Rentner kommt damit noch glimpflich davon: Die beiden Jugendlichen klagten nach dem Vorfall über Schädelbrummen und Übelkeit, bei einem der beiden bestand der Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft München II fordert deshalb eine Geldstraße von 8400 Euro. Die Vorwürfe, die dem Mann eingangs der Verhandlung gemacht wurden, wogen sogar noch schwerer. Drei Jugendliche sollte er ins Gesicht geschlagen haben, mit der offenen Hand und der Faust. Den Vater von einem der Jugendlichen sollte er mit einem Wasserschlauch davon abgehalten haben, die Polizei zu alarmieren. Und er soll versucht haben, dem Mann einen Fußtritt zu geben.

Vater und Sohn bekräftigten die Vorwürfe zum Prozessauftakt - beide waren nach dem Vorfall zur Untersuchung ins Krankenhaus gefahren und hatten bei der Polizei Anzeige erstattet. Doch ihrer Anschuldigungen stellten sich teilweise als nicht verifizierbar heraus. Dass der Mann tatsächlich mit der Faust zugeschlagen haben soll, lässt sich nicht beweisen - und ebenso wenig, dass er mit dem Gartenschlauch den Anruf bei der Polizei verhindern und den Vater treten wollte. Eine Ohrfeige räumt der Rentner vor Gericht jedoch ein. "Ich bin provoziert worden. Mir ist die Hand ausgerutscht", gesteht er. Die Aussagen seiner Gegner aber will er so nicht hinnehmen: "Ich habe innerhalb weniger Stunden noch nie so viele Lügen gehört wie hier in diesem Raum."

Der Anwalt des Angeklagten wirft Vater und Sohn vor, Unwahrheiten zu verbreiten. Er weist auch auf die Vorgeschichte hin, dass Jugendliche bereits in den vorherigen Freinächten das Haus seines Mandanten beschädigt hätten. Vom Vater des Jugendlichen sei der Mann auf seinem Anwesen auf demütigende Weise am Boden fixiert worden. "Er hat schon eine Strafe bekommen. Dieses Nachspiel muss sich im Urteil wiederfinden", fordert der Anwalt.

Amtsrichter Wäckerlin spricht den Senioren teilweise frei - die Vorwürfe der Nötigung und der versuchten Körperverletzung werden fallen gelassen. Ein Polizist im Zeugenstand gibt indes Einblicke, wie sehr die Freinacht die Beamten beschäftigt. In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai spielen die Jugendlichen in den Dörfern fast schon traditionell Streiche, welche die Grenze oft überschreiten. Zu dem Anwesen in Icking war die Polizei mit einiger Verzögerung gekommen. "In dieser Nacht herrschte Land unter aus polizeilicher Sicht", erinnert sich der Beamte. Sie eilten demnach von Vorfall zu Vorfall.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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