Starkbierfest Geretsried:So genga di Gang

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Ludwig Schmid gab in den Geretsrieder Ratsstuben erneut den Fastenprediger Bruder Barnabas. (Foto: Hartmut Pöstges)

In den Geretsrieder Ratsstuben predigt Ludwig Schmid alias Bruder Barnabas der lokalen Politik, was das Volk so denkt.

Von Claudia Koestler, Geretsried

So ein Starkbierfest nüchtern zu betrachten hat seine Eigenheiten. Da bemühte sich Ludwig Schmid alias Fastenprediger Bruder Barnabas am Wochenende in den neuerlich ausverkauften Geretsrieder Ratsstuben, heuer die Leviten so inklusive wie nur möglich zu lesen. Auch jenen im Publikum, die nicht auf Anhieb wissen konnten, wer "der Martin", der "Thomas" oder "der Hubert" sind, gab er eingangs dezidierte Information, inklusive vollem Namen, Ort und Parteizugehörigkeit. Kurz zuvor aber hatte er dafür den Abend eröffnet mit dem Seufzer "so ginga di Gang". Wer da schnell die Google-KI zurate zog, erhielt die Antwort: "Es gibt anscheinend keine passenden Übereinstimmungen für deine Suchanfrage". Gut, dass es neben künstlicher Intelligenz ja noch den eigenen, bayerischen Erfahrungsschatz gibt. Und demnach ist "ginga di Gang" so etwas wie "ja nun, alles geht seinen Lauf". Google kennt immerhin "genga di Gang" als Variante. Wie auch immer, Schmid hatte damit tatsächlich den Ton des Abends schon gesetzt.

Wobei, einen Lauf hatten ja zunächst die Nachbarn in Wolfratshausen gehabt. Das Singspiel in Wolfratshausen genau eine Woche zuvor sei "grandios" gewesen, sagte Barnabas. Um dann ein anderes Maß anzulegen: Das Format eines Singspiels sei eben auch leichtere Kost, spiele mehr auf Emotionen an, während man bei einer Rede mitdenken müsse. "Klar, dass da manche lieber in Wolfratshausen sitzen", ätzte er. Ihm selbst fehlte aber anfangs auch etwas: "Die Rede ist da, das Bier ist da...", wunderte er sich, um dann zu erkennen: "Was Grünes fehlt". Also schleppte er zwei Kübelpflanzen auf die Bühne. Bauernproteste seien jedoch nicht zu erwarten, mutmaßte er, weil alle Landwirte gerade im Saal der Brauchtumsgruppe Gelting beim Theaterspiel säßen.

Das über der Bühne prangende Stadtwappen Geretsried wurde ebenfalls zu einer Zielscheibe. Das sollte langsam den Gegebenheiten angepasst werden, mahnte der Fastenprediger: Der silbrig-graue Untergrund gehöre ersetzt durch einen beige-gesprenkelten Farb-Asphalt (wie am Karl-Lederer-Platz), der blaue Wasserlauf sei zu groß, der sollte kleiner werden und im Winter ganz weg (wie am Karl-Lederer-Platz). Der Baum passe, "also von der Anzahl her, sollte aber vielleicht in einen überdimensionierten Kübel" (wie am Karl-Lederer-Platz). Zudem könnte man sich bestimmt einen Teil des Chamalières-Wappens ausleihen, "weil des schaut a bisserl aus wie eine Baustellenabsperrung".

Bevor sich Schmid alias Bruder Barnabas weiter über die neuralgischen Punkte der Stadt ausließ, begrüßte er nahezu jeden einzelnen Kreis- und Stadtpolitiker persönlich - mit entsprechendem Spott. Landrat Josef Niedermaier sei "ein Bäcker, der Klarinette spielt und sich ab und zu mit Bürgermeistern herumärgert. Das haben wir gemeinsam. Aber der Unterschied: Verklagt von den Bürgermeistern wird nur er." Damit spielte der Fastenprediger auf seinen dauerschwelenden Konflikt mit Geretsrieds Rathauschef an, der sich heuer neuerlich entschuldigen ließ. Hart traf es heuer den Eurasburger Bürgermeister Moritz Sappl (anwesend): Dem fehlten etwa 1,7 Millionen Euro in der Gemeindekasse. "Drum ist er heut Abend da und nicht morgen mit den anderen Bürgermeistern. Dann fällt's nicht so auf, wenn er sich nichts zu essen leisten kann." Und noch härter Michael Grasl, Rathauschef in Münsing. Den bezeichnete Schmid als "arme Sau und Hundling". Dieser müsse zwischen den Bevölkerungsgruppen seiner Gemeinde einen "gewaligen Spagat hinlegen, aber von der Statur her sieht er nicht aus, als gehöre Spagat zu seinen bevorzugten Tätigkeiten". Ob Grasl am folgenden Tag "mit seiner Frau oder Gschpusi" nach Geretsried komme, sei offen. Die Aufklärung folgte: "Des Gschpusi is' sei' Tuba."

Schmid erinnerte zudem an die Nachbarkommune Königsdorf, die mit ihrem Christbaum in München in aller Munde gewesen seien - oder besser gesagt, mit ihrem Glühwein dort. "Saufen für die Dorfgemeinschaft - wahrscheinlich nicht so unüblich", konstatierte der Fastenprediger. Die Eglinger Politik erinnere ihn hingegen eher an ein Schiebepuzzle: "Die schieben die Ortsdurchfahrtsperren nur so hin und her. Aber macht's weiter so, jedes Absperrschild, das bei euch steht, kann nicht mehr in der Egerlandstraße stehen."

Prost! (Foto: Hartmut Pöstges)

Dann richtete Schmid den Blick wieder in die eigene Kommune. Andreas Wagner sei "ausgetreten aus der Partei der Linken, und eingetreten in die SPD, also eigentlich ein Rechtsruck". Der Posten eines Zweiten Bürgermeisters lasse sich einfach zusammenfassen: "Nix falsch machen, am besten gar nix machen und nur schön lächeln." Insofern habe Geretsried mit Sonja Frank "eine sehr gute Zweite Bürgermeisterin".

Überhaupt, Geretsried. Die Stadt der Baustellen und eigenen Parkdynamiken: "Jeder parkt, wo er will, keiner, wie er soll, und jeder, wie er kann." Nur irgendwie nicht in der eigens gebauten Tiefgarage. "Die wurde übrigens nicht gebaut, damit der Utzinger trockenen Fußes zum Rathaus kommt."

Dafür aber führen in der Stadt Busse, "des is' der Wahnsinn". Das sei eben auch der Unterschied "zwischen Bus und Bahn - die Busse fah'n", reimte Schmid. Um dann erneut nach Wolfratshausen zu ätzen: "Da brauchen's dort beim Singspiel gar nicht so frech singen, 'es fährt kein Zug nach Geretsried', so sicher ist des in Wolfratshausen nämlich auch nicht, ob einer fährt."

Einmal wurde Schmid aber auch ganz ernst, nämlich, als es um die Geflüchteten ging. Geretsried, eine Stadt aufgebaut von ehemals Geflüchteten, nehme nun Flüchtlinge auf. Das sei nicht immer leicht oder schön, aber es müsse klar sein: "Wenn einer Hilfe braucht, also wirklich braucht, und nicht nur will, dann muss er sie auch kriegen. Egal, ob er aus Timbuktu kommt oder aus der Jachenau."

Nach einer Stunde verbeugte sich Schmid und zog weiter. Nicht ohne vorher angekündigt zu haben, auch 2025 wieder aufzutreten, zum dann 20. Mal. So ginga di Gang halt. Oder genga.

Roland Hammerschmied und die Bunkerblasmusik untermalten den Abend. (Foto: Hartmut Pöstges)
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