"Pipapo" in Geretsried:Das Hohelied des Vagabundenlebens

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"Heimat einfach anders" mit Josef Brustmann, Benni Schäfer und Sebastian Horn (von links). (Foto: Hartmut Pöstges)

Sebastian Horn, Benni Schäfer und Josef Brustmann geben beim Festival des Kulturvereins Isar-Loisach im Geltinger "Hinterhalt" einen wilden, gruseligen und urkomischen Auftritt.

Von Arnold Zimprich, Geretsried

Es ist bereits der zweite Auftritt in der Geltinger Kleinkunstkneipe "Hinterhalt" in dieser Konstellation - und der vielleicht sechste insgesamt, schätzt Sebastian Horn. Von Routine kann aber keine Rede sein bei Josef Brustmann, Benni Schäfer und Horn. Das musikalische Füllhorn der drei Musiker scheint am Sonntag unerschöpflich. Mit "Heimat einfach anders" hat das Trio den Abend betitelt.

Brustmann berichtet von einem Auftritt in Bad Wörishofen. "So viel gelacht wie bei Ihnen habe ich seit dem Tode meines Mannes nicht mehr", habe ihm eine Zuhörerin dort gesagt. Damit ist der schwarzhumoristische Spielraum in etwa abgesteckt.

Horns Hang zu Morbidem trifft auf Brustmanns Sarkasmus, katalysiert durch Schäfers Gitarrenvirtuosität. Ob da nun ein Topf seinen Deckel oder ein Dampfkochtopf sein Ventil gefunden hat, sei dahingestellt. Das dargebotene Liedgut stimmt mal nachdenklich, mal ist es amüsant. Die drei bedienen sich bei der bayerischen Volksdichterin Emerenz Meier oder besingen den Räuber Kneißl und dessen Hinrichtung auf dem Schafott: "Des war fürn Kneißl Hiasl a scheißlicher Termin." Undenkbar sei es, dass die Heldentaten eines Räubers heute noch so gerühmt werden wie in diesem 15 Strophen umfassenden Stück.

Eindruck macht das musikalisch untermalte Sprechstück Horns über Franz Schubert, der nur 31 Jahre alt wurde und angeblich innerhalb Wiens mehr als fünfzig Mal umgezogen ist. Fazit der Karriere: "Der große Wiener Komponist hinterließ nicht einen Groschen."

Das "Vagabundenleb'n" des Musikers an sich spielt eine große Rolle an diesem Abend. "I g'her do ned her, mir werd as Herz so schwer": Mehrmals wünschen sich die Musiker an einen anderen Ort. Das Publikum freilich möchte den Abend nirgendwo anders verbringen, nirgends lässt es sich besser schmachten als unter Brustmanns, Schäfers und Horns fachkundiger Anleitung. Gekonnt kombinieren die drei Absurdes, Komisches, Anstößiges und Trauriges - da darf schon auch mal über die Stränge geschlagen werden, beispielsweise in einer Isar-Rhapsodie: "Beim Taucha ham mia Buama Zipfe' g'messen."

Das Publikum wird mit harmonischem Männerdreigesang verwöhnt, aber auch gefordert: Beim "Awarakadawara" von Willi Resetarits - vulgo Ostbahn Kurti - wird zum Mitsingen aufgefordert: "Wo san meine Freind, wenn die Sunn ned scheint?" Auch die unerfüllte Jugendliebe und die Bigotterie der Kirche werden besungen ("Bin i mit meim Verlanga zum Herrn Pfarrer ganga - derfi derfi derfi s'Diandl liabn?"), und Horn darf seine okkultistische Ader ausleben und Dreiviertelblut-Sound auspacken: "Prost, meine Freind, trink ma no oans, da Deifi hod heid Nacht seine Heandl vlorn." Bevor aber die Stimmung zu weit ins Unergründliche umschwingt, kommt eine erlösende Ansage: "Wir spielen euch jetzt ein Lied, um wieder Lebensmut zu schöpfen."

Brustmann entführt das Publikum an die Isar seiner Kindheit und Jugend, Horn säubert seiner am Boden liegenden Großmutter noch die vom Fingernudelteig verklebten Haare, ehe sich dieser musikalisch und humoristisch kaleidoskopische Abend dem Ende zuneigt. Viel zu früh, möchte man sagen. Die Nacht ist doch erst jetzt so richtig schön tiefschwarz geworden.

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