Galerie an der Elbestraße:Schönfärber des Alltagsgraus

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Hans Reiser - hier mit einem Selbstbildnis - nennt sich Karikaturist, Illustrator und Schönfärber. In der Galerie an der Elbestraße präsentiert er "Für a Fünferl a Durchanand". (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Reichersbeurer Karikaturist Hans Reiser zeigt in Geretsried eine Auswahl seines Schaffens. Wer nach dem Rundgang keine gute Laune hat, ist reif für die Schimpfwort-Parade.

Von Stephanie Schwaderer, Geretsried

Als Bauchpinsler dürfte Hans Reiser in seinem Leben selten geschmäht worden sein. Dafür hat der Reichersbeurer Karikaturist eine viel zu spitze Feder. Und dennoch: Da sitzt er, wie Gott ihn geschaffen hat, bekleidet lediglich mit einer Narrenkappe aus Zeitungspapier. In der linken Hand hält er eine Farbpalette, mit der rechten führt er den Pinsel über seine nackte Körpermitte. Etwa dort, wo eigentlich der Bauchnabel eine Delle bilden müsste, ragt nun die Nase Albrecht Dürers aus ihm heraus. Ein starkes Stück, mit dem sich der Maler hier ein Denkmal gesetzt hat! Zu sehen ist es derzeit in der Geretsrieder Galerie an der Elbestraße, die Hans Reiser für eine Einzelausstellung gewonnen hat.

Wer Freude an verstecktem Sprach- und meisterlich gemaltem Bildwitz hat, der sollte Zeit mitbringen. Jedes Blatt, jedes Gemälde in dieser Schau will in all seinen Details entdeckt, enträtselt und gefeiert sein. Allein vor dem Großformat "Der kleine Verwaltungsapparat", den Reiser im Stil eines Altarbilds gemalt hat, würde man gerne so lange sitzen wie zuletzt in der Zulassungsstelle. Daneben buhlt "Der Würdenträger" um Applaus. Er schleppt so schwer an seinen Orden und einer von einem Hirschgeweih gekrönten Büste, dass es ihn schier in die Knie zwingt. Auf dem Blatt "Tubist vermisst" hingegen ist der Protagonist verschwunden. Sein Instrument jedoch erinnert schauerlich an schwer aktives Gedärm. Und ja, der Tubist ist dann leider doch im Bilde.

"Der Würdenträger" (Foto: Hartmut Pöstges)
"Tubist vermisst" (Foto: Hartmut Pöstges)

Mehrere Dutzend Ölgemälde und Gouachen hat Reiser für die Geretsrieder Ausstellung ausgewählt. Ein Motto findet sich nicht auf den Plakaten und Flyern. "Aber es gibt eines", verrät der 72-jährige Künstler. "Für a Fünferl a Durchanand."

Dem grauen Alltag funkelnde Pointen abzuringen, ihn augenblinzelnd schönzufärben, das ist eine Disziplin, in der es Reiser zur Meisterschaft gebracht hat. Er zeichnete für Zeitschriften wie den Spiegel, den Playboy oder das SZ-Magazin. Seit 54 Jahren liefert er zudem jede Woche eine Karikatur zum lokalpolitischen Geschehen beim Tölzer Kurier ab. Jeden Donnerstagabend werde das Thema festgelegt, erzählt er. Und Freitagmittag sei Abgabe. "Da schlaf' ich eine Nacht drüber oder denk' in der Sauna ein bisserl vor mich hin, dann fällt mir schon was ein."

Geboren wurde Reiser 1951 in Lenggries, aufgewachsen ist er in Fall am Sylvensteinsee. Nach dem Abitur studierte er an der Münchner Akademie der Bildenden Künste in der Klasse von Mac Zimmermann, einem bekannten Vertreter des Surrealismus und des Phantastischen Realismus - eine Schule, die ihn offenkundig ebenso geprägt hat wie seine Liebe zu den Alten Meistern. Dürer bewundere er vor allem als Zeichner und Kupferstecher, sagt er. "Für mich ist jeder ein Vorbild, der sein Handwerk beherrscht, ob das Bruegel oder Bosch ist. An denen orientiere ich mich, bei ihnen habe ich meine Anleihen gemacht."

So auch bei Botticelli. Dessen "Geburt der Venus" stand offenkundig Modell für Reisers Gemälde "Der zweite Frühling", das in Geretsried gleich neben dem Selbstbildnis mit Dürer hängt. Die Muschel, aus der sich seine üppige Schöne erhebt, befindet sich indes in Auflösung. Und das Gesicht der Venus ist zur Maschine mutiert - eine Kritik an der um sich greifenden Naturzerstörung. Auch die anderen wenigen Frauengestalten in der Ausstellung sind meist kalte Symbole der Technik und des Fortschritts.

Warum diese Männerlastigkeit? "Weil ich ein Kavalier bin", sagt Reiser. "Bei Männern kann man gewalttätiger vorgehen, was die Optik anbelangt." Das wisse er von den vielen Auftragskarikaturen, die er übernehme. Zu 95 Prozent gehe es da um Männer. "Dann heißt es immer: Du kannst schon Gas geben, der verträgt schon was. Und keiner hat sich je beklagt." Von den fünf Prozent Frauen jedoch, die er karikiert habe, seien Dreiviertel unglücklich gewesen. "Selbst wenn ich sie etwas schöner gemacht habe."

"Oida Kraudara" heißt dieses Blatt aus der Serie "Altbairische Schimpfnamen". (Foto: Hartmut Pöstges)
Die "Schoasdromme" gehört auch dazu. (Foto: Hartmut Pöstges)

Unglücklich dürften diese Ausstellung die wenigsten verlassen. Kurator Albrecht Widmann steht die Freude schon drei Tage vor der Vernissage ins Gesicht geschrieben. "Ich bin sehr froh und sehr stolz", sagt er.

Zur Einstimmung werden die Galeriebesucher selbst auf die Schippe genommen. "Rahmadama" heißen zwei Bilder, auf deren Rahmen sich Kunstsinnige drängen und sich mit klugen Kommentaren überbieten. "Verstörend", befindet der eine. "Eine radikal moderne Position", ein anderer. Im Bild: eine leere Wand mit einer alten Steckdose, täuschend echt gemalt.

Zum Ausklang gibt es eine vergnügliche bayerische Schimpfwort-Parade. Acht Typen hat Reiser detailverliebt in Szene gesetzt - vom "Tschamsdara", über den "Oiden Kraudara" bis zur "Schoasdromme". Wer dann noch immer Trübsal bläst, darf sich getrost die "Zwiderwurzn" an die Wand hängen.

Städtische Galerie an der Elbestraße, Geretsried, Vernissage am Freitag, 15. März, 18 Uhr, mit musikalischer Begleitung durch Jan Reiser und Freunde; Informationen unter kultur@geretsried.de

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