Geretsried:Listerien bei Großmetzgerei Sieber: Anklage lautet jetzt auf Vorsatz

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  • Nach Listerien-Funden auf Fleisch- und Wurstwaren hatte die Großmetzgerei Sieber im vergangenen Jahr einen bundesweiten Skandal ausgelöst.
  • Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Firmenchef vorsätzlich gehandelt hat. Ende April muss sich der frühere Inhaber Dietmar Schach vor Gericht verantworten.
  • Die Behörden verdächtigen das Unternehmen, für eine Listeriose-Infektionswelle mit acht Toten in Südbayern vor fünf Jahren verantwortlich zu sein.

Von Benjamin Engel, Geretsried

Der frühere Geschäftsführer der Geretsrieder Großmetzgerei Sieber, Dietmar Schach, muss sich im April wegen "vorsätzlichen Inverkehrbringens gesundheitsschädlicher Lebensmittel" vor dem Wolfratshauser Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft München II wirft ihm vor, ein mit Listerien kontaminiertes Wacholderwammerl in den Verkauf gebracht zu haben, bei dem er damit habe rechnen müssen, dass es kontaminiert gewesen sei, wie eine Sprecherin bestätigt.

Nach Listerien-Funden auf Fleisch- und Wurstwaren hatte Sieber im Vorjahr einen bundesweiten Skandal ausgelöst. Die Behörden verdächtigten das wenig später insolvente Unternehmen, für eine Listeriose-Infektionswelle mit acht Toten in Südbayern vor fünf Jahren verantwortlich zu sein.

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Das "Vorzeigeunternehmen Sieber" hätte nicht geschlossen werden dürfen, sagt der Insolvenzverwalter.

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Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatte die Großmetzgerei schon zuvor mit Listerien belastete Waren in den Verkauf gebracht. Laut Sprecherin waren die Fälle aber nicht strafrechtlich relevant. Im konkreten Fall hat der frühere Metzgerei-Inhaber gegen den Strafbefehl in Höhe von 2250 Euro Einspruch eingelegt, weswegen es zum Prozess kommt. Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass die Grenzwerte für eine Listerienbelastung bei dem Wacholderwammerl deutlich überschritten wurden.

Der Insolvenzverwalter von Sieber, Rechtsanwalt Josef Hingerl, weist die Vorwürfe gegen den früheren Metzgerei-Inhaber zurück. "Der Mann hat mehr getan als die meisten anderen", erklärt er. Dass die Staatsanwaltschaft diesem nun bedingten Vorsatz vorwerfe, könne er nicht verstehen. Jeder Produzent müssen mit Listerien rechnen. Denn die gebe es überall. Problematisch werde es nur, wenn Grenzwerte überschritten würden. Mit dem Wacholderwammerl gebe es einen Ausreißer. Es sei aber unklar, wie es kontaminiert worden sei. "Wir haben hier einen Vorzeigeunternehmer, auch auf Hygieneebene", sagt Hingerl.

Für Sieber hatte der Skandal im März 2016 begonnen: Damals wiesen die Behörden auf einem "Original Bayerischen Wacholderwammerl" eine Kontamination mit Listerien nach. Die Großmetzgerei zog die gesamte Charge daraufhin aus dem Verkehr. Der Betrieb unterzog sich engmaschigen Kontrollen durch das Landratsamt. Doch die Behörden fanden neue Listerien auf weiteren Produkten. Das Landratsamt ließ Hunderte Tonnen Fleisch, Wurst und vegetarische Aufschnitte zurückrufen. Sieber durfte kein Waren mehr ausliefern. Die Großmetzgerei meldete im Juni vor einem Jahr Insolvenz an.

Insbesondere der verpackte Schinken von Sieber stand nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts und der Gesundheitsbehörden im Verdacht, für eine Listeriose-Infektionswelle in Südbayern verantwortlich zu sein. 2012 hatten sich 76 Menschen an der meldepflichtigen Krankheit infiziert. Acht Menschen starben, zwei Schwangere erlitten Fehlgeburten. Sieber, dessen Firmengeschichte bis 1825 zurückreicht, belieferte zahlreiche Supermärkte in Süddeutschland, verschiedene Großkantinen, bis 2007 das Oktoberfest und bis wenige Wochen vor der Schließung einen Imbiss im Lehel. Wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtergesetz nahm die Staatsanwaltschaft München II Ermittlungen auf.

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Jahrelang hatten die Behörden an der Metzgerei Sieber nichts zu beanstanden. Und doch stehen deren Produkte nun im Verdacht, für den Tod mehrerer Menschen verantwortlich zu sein.

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Nach Ansicht von Insolvenzverwalter Hingerl hatten die Behörden den Betrieb zu Unrecht geschlossen. Seine Begründung: In den vergangenen zehn Jahren habe es nur eine Probe gegeben, die über dem gesetzlichen Grenzwert für Listerien lag, das Wacholderwammerl, das im März 2016 in Franken gefunden worden war. Vom Freistaat hatte Hingerl bis zu zwölf Millionen Euro Schadensersatz gefordert.

Die Behörden wiesen die Darstellungen des Unternehmens stets zurück. "In diesem Fall ging es darum, ein mutmaßlich durch Produkte der Firma Sieber verursachtes Krankheitsgeschehen mit mehreren Toten zu beenden", erklärte ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums noch im November 2016. Nach Erkenntnissen des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit lagen damals 23 Listeria-monocytogenes-Isolate vor, die Muster aufweisen, die für das Ausbruchsgeschehen in Süddeutschland spezifisch seien.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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