Migrations- und Asylpolitik:Falsche Botschaft

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Vize-Landrat Thomas Holz erklärt eine Integration Geflüchteter für nicht mehr möglich. Eine Ohrfeige für alle, die es dennoch unermüdlich versuchen.

Kommentar von Felicitas Amler, Geretsried

Man kann die Strapazen und Sorgen, die ein Landrat, seine Stellvertreter und die ganze Kreisbehörde aktuell haben, nur zu gut verstehen. Wöchentlich werden neue Geflüchtete in die Landkreise geschickt, längst sind Turnhallen belegt, die allermeisten Kommunen erfüllen ihre Beherbergungsquote nicht - das sind große Herausforderungen und schwerwiegende Probleme. Vollkommen richtig, dass Vize-Landrat Thomas Holz darauf auch in der Geretsrieder Bürgerversammlung aufmerksam gemacht hat. Aber warum um Himmels willen erklärt er die Integration kategorisch für aussichtslos? "Integration ist nicht mehr möglich." Bleischwer lastet so ein Satz auf all jenen, die nach wie vor darum bemüht sind, Geflüchtete nicht nur aufzunehmen, sondern sich ihrer auch anzunehmen. Es gibt sie überall, in den Behörden genauso wie in der Bürgerschaft. Und gerade in Geretsried.

Mit seiner dezidierten Hoffnungslosigkeit konterkariert Holz geradezu die Bestrebungen des Geretsrieder Bürgermeisters, seines Parteifreunds Michael Müller. Der ist seit Jahren nachdrücklich um eine humane Flüchtlingspolitik bemüht, soweit diese kommunal möglich ist. Vor einer Woche erst hat er betont: "Integration ist eine ureigene kommunale Aufgabe." Es waren seine Kernworte zum 20. (!) Integrationsforum der Stadt. Und wie stets fügte Müller hinzu, dass Migration in der Vertriebenenstadt Geretsried kein neues Thema sei. "Wir wollen hier ein Zeichen setzen", sagte er.

So macht man Mut. Sätze, wie Holz sie in Geretsried gesprochen hat, bewirken das Gegenteil. Wenn schon die Politik erklärt: "Wir sind schlichtweg überfordert. Es geht nicht mehr" - was erwartet man dann von Bürgerinnen und Bürgern, von Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich für Geflüchtete engagieren?

In den vergangenen Monaten ist allenthalben die Phrase zu hören gewesen, dass "wir" hier nicht "das ganze Elend der Welt" bewältigen können. Kein Mensch verlangt das. Wer sehen will, wo sich das Elend der Welt abspielt, blicke aufs Mittelmeer, dort sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 28 000 Menschen ertrunken. Oder in jene Länder, in denen sich die Binnenflüchtlinge bewegen - und das sind fast drei Viertel der weltweit 108 Millionen Geflüchteten. Bei "uns" kommen diese Menschen gar nicht an.

"Wir" sind dagegen in der glücklichen Lage, in einer Demokratie, in Frieden und in einer Solidargemeinschaft zu leben. Ein Appell eines maßgeblichen Politikers an die Solidarität mit den Ärmsten der Armen könnte hier hilfreicher sein als schwarzmalender Defätismus.

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