"One Billion Rising Day":Deklinationen mit einer starken Frau

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Mit Humor gegen Gewalt an Frauen: Franziska Wanninger, musikalisch begleitet von Florian Burgmayr, im Hinterhalt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Franziska Wanninger macht im Geltinger Hinterhalt Bayern verständlicher.

Von Petra Schneider, Geretsried

Der "Hinterhalt" in Gelting ist nicht nur eine Kulturbühne, sondern immer schon ein Ort, an dem Flagge gezeigt wird. Auch am Montag, dem "One Billion Rising Day", findet hier eine Veranstaltung statt, die darauf aufmerksam machen soll, dass Frauen und Mädchen Opfer von Gewalt werden, immer und überall. Die Veranstaltung, die von diversen Organisationen im Landkreis unterstützt wird, wird gestreamt, auch ein Live-Publikum mit etwa 20 Gästen ist gekommen. "Aufmerksamkeit für das Thema ist wichtig, auch in unserer scheinbar heilen Welt im Landkreis", erklärt Claudia Harrasser von den Tölzer Soroptimistinnen. Denn wie aktuelle Zahlen belegten, habe sich die Situation durch Corona noch verschärft: Die Beratungsanfragen beim Verein "Frauen helfen Frauen" seien um 20 Prozent gestiegen, die Zahl der Frauen, die Zuflucht in einem Frauenhaus gesucht hätten, um 43 Prozent. Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, Felicitas Wolf, richtet einen leidenschaftlichen Appell an die Zuschauerinnen: "Wir sind alle Schwestern, Töchter, Mütter, Nichten. Wir müssen zusammenhalten." Gewalt gegen Frauen sei vielfältig; brutal, kalt, subtil oder verborgen. Jede Dritte sei weltweit in ihrem Leben bereits Opfer geworden, sagt Wolf, "eine Milliarde, one billion".

Starke, selbstbewusste Frauen braucht die Welt, und die Frau, die anschließend die Bühne betritt, ist dafür ein gutes Beispiel: Franziska Wanninger, eine gestandene Person in Dirndl und roten Pumps. Seit elf Jahren steht die preisgekrönte Kabarettistin aus dem Landkreis Altötting auf der Bühne. Vor zwei Jahren hat sie ein Buch geschrieben, mit ihrem Kollegen Martin Frank als Co-Autor, das mehrere Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste stand. Titel: "Der famose Freistaat - Bayern verstehen für Anfänger und Fortgeschrittene". Ein Kompendium bayerischer Sprache, Geschichte und Lebensart, aus dem Wanninger am Montag liest, begleitet von Florian Burgmayr mit Akkordeon und Tuba. Der Bühnenmusiker und Komponist untermalt die Lesung wunderbar mit geschmeidigen Akkordeon-Stücken; und sorgt mit manchmal leicht verrutschten Tönen oder rotzigen Tuba-Zwischenspielen für einen angenehm ironischen Ton.

Wanninger ist eine leidenschaftliche Chronistin bayerischer Lebensart, eine Sammlerin von vom Aussterben bedrohter Ausdrücke, Redensarten, Schimpfwörter. Mühelos wechselt sie vom Hochdeutschen ins Oberpfälzische und dekliniert den Satz "ich wollte ihr tragen helfen" durch sämtliche fränkische Dialektspielarten. Die kernige Oberbayerin hat Lehramt für Deutsch und Englisch studiert, und so erfährt man in ihrem Buch einiges über gestürzte Diphtonge, die der Grund für den bellenden Dialekt der Oberpfälzer seien. Über doppelte Verneinungen ("A Suppn mechat i gar nie ned"). Oder über die zur Depression neigende Wesensart der Franken, die sich bereits in der Sprache manifestiert. Denn alles sei beim Franken nur "a weng".

Wanninger beleuchtet die Herkunft der Bayern, deren "Toleranzgrenze des Zuzugs" bereits mit der Völkerwanderung überschritten worden sei und beschränkt sich bei den bayerischen Monarchen auf Ludwig I, Ludwig II und Franz Josef Strauß. Ihr großes kabarettistisches Talent zeigt sich vor allem bei den Anekdoten, die sie als Zugabe erzählt. Dann ist sie ganz nah dran an den Leuten und deckt in kleinen Alltagsszenen eine umwerfende Komik auf - nicht ohne Spott, aber liebevoll.

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