Flussfestival Wolfratshausen:Mit Evi im Heu

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Kabarettist Josef Brustmann eröffnet den Veranstaltungsreigen an der Loisach, begleitet von exzellenten Musikern. Er schwärmt von der Kindheit in Waldram und spannt Bögen von Kühen zu Aldi zu Terence Hill

Von Arnold Zimprich

Flussfestival-Programm
:Diese Woche an der Loisach

"Stadt in Bewegung" ist das Motto des Flussfestivals an der Alten Floßlände. Das Programm dauert noch bis 25. Juli. Diese Woche bringt folgende Termine:

Schmutzigbraun fließt die Loisach durch Wolfratshausen, die starken Niederschläge im Werdenfelser Land haben den Fluss anschwellen lassen. Fast hat man Sorge, dass das Floß, auf dem die Bühne für das Flussfestival errichtet wurde, in einem unglücklichen Moment mitgerissen wird. Es ist jedoch fest vertäut, fast so fest wie Klaus Heilinglechner auf dem Wolfratshauser Bürgermeistersessel sitzt. "Das war echt 'ne harte Nummer, bis Juni hamma ned gwusst, ob ma's durchführen können oder nicht", eröffnet Heilinglechner das Festival am Freitagabend. "Aber wir wollen ein Zeichen setzen und der Bevölkerung etwas bieten. Ich freue mich riesig, es ist für jeden etwas dabei!" Die Inzidenz ist aktuell niedrig, also hieß es schnell reagieren - für die Stadt wie fürs Publikum.

Gut 200 Gäste haben es sich auf gepolsterten Stühlen in einem nach Westen geöffneten Planenzelt bequem gemacht, einige sorgen durch mitgebrachte Kissen für noch mehr Komfort, der Kühle der sich auf die Loisachstadt senkenden Nacht wird mit Funktionsjacken, Schals und Mützen getrotzt. Die Mehrheit der Gäste ist 40 Jahre und älter - doch auch einige Teenager begleiten ihre Eltern.

Kabarettist und Musiker Josef Brustmann eröffnet das Festival. "Der vom Siemens, der vom Linde - alle san's Bürgermeister wor'n, bloß i ned. I bin der Josef, und do bin i dahoam", singt er. Dieses "do" ist etwas weiter gegriffen, denn Brustmann ist zwar in Waldram aufgewachsen, wohnt aber in Icking, wie er später noch betonen wird. Nach Wolfratshausen sei er nur hinuntergefahren, um auszuprobieren, wie sein Programm in den Loisach-Niederungen so ankommt. "Schee, dass a paar rauskrocha san aus eanane Höhlen", sagt er. Darunter sind etwa SPD-Fraktionssprecher Fritz Meixner, Energiewende-Oberland-Initiator Karl-Heinz Rauh und die Tölzer Regisseurin Ulla Haehn.

Brustmann hat in seiner Karriere wohl kaum eine kabarettistische Spielart ausgelassen, und entsprechend viele Register zieht er heute, erst recht, da sich eine größere Abordnung aus seiner umfangreicher Verwandtschaft eingefunden hat. Sie wollen den wohl berühmtesten aller Brustmänner und -frauen nach langer Coronapause - die der Kabarettist zum Verfassen eines Buchs nutzte - live erleben. "Ich bin ganz aufg'regt, weil sechs Enkelkinder geschlossen im Konzert san", sagt "der Josef" und legt gleich los. Er berichtet, wie der Homöopath den Heuschnupfen mit Kügelchen beworfen hat, und klagt, dass er einst mit Evi nicht ins Heu durfte, die Evi trotzdem "so liab" und die Welt "so schee" war. Brustmann spannt allegorische Bögen, dass einem ganz schwindlig wird, erzählt von der Kuh, die beim Aldi ihre Milch kauft, weil sie selbst sie gar nicht so billig produzieren kann, und klärt das Publikum darüber auf, dass Terence Hill Lori Zwicklbauer ehelichte. Es kristallisiert sich kein Schwerpunkt heraus, die Musik vermischt sich mit Anekdoten, Zoten, Witzen, Geschichten.

Apropos Musik: Brustmann wird von einer exquisiten Auswahl Musikanten begleitet, Benny Schäfer an Kontrabass und Tuba, Matthias Götz an der Posaune und Martin Regnat an der "Ziach". Die Musik bewegt sich zwischen derben Gstanzln und balladesken, anrührenden Stücken. Gelegentlich bedient Brustmann die Zither, begleitet von Luke Cyrus Goetze an der Lap Steel Guitar, eine kongeniale Kombination - und keine Angst, denn "der ist Amerikaner und schon zweimal geimpft".

Das Programm plätschert dahin wie die nach nassem Schwemmsand duftende Loisach, nach der Pause erkundigt sich Klaus Heilinglechner, ob "alles gut" ist und der Abend "gefällt" - man könnte glauben, der Bürgermeister würde selbst gern mitmischen auf der Bühne, schließlich hat auch er Übung an Saiteninstrumenten.

"Es gibt scho treue Männer, dass die aber alle so schiach sei miassn": Brustmann hat die Lacher auf seiner Seite, derweil toben rosa bejackte Kinder um das Zelt und am Ufer gegenüber hält ein Radler mit Anhänger, um den ungewohnten Klängen zu lauschen. Brustmann erzählt schließlich von seiner Kindheit und Jugend in Waldram, deren Tage immer gleich abliefen: "Schui, hoam, Isar". In den Ferien: "Isar". Und in den großen Ferien: "Sechs Wochen Isar."

Später betritt Brustmann mit einer Anekdote über einen türkischen Straßenkehrer auf dem Viktualienmarkt Glatteis, das Wort "Asylant" sollte man im Jahr 2021 nicht mehr so zwanglos in den Mund nehmen, wie es Brustmann heute tut. "Auf der Alm lässt sich's gut lieben, denn im Herbst wird abgetrieben" - gut, es ist schon spät, der Kabarettist bedient Klischees und Aficionados gleichermaßen. Kurz vor Schluss wird's noch mal rührend, der 66-Jährige stimmt eine Ode an seine Frau an. "Wenn ich mal sterben muss, dann denk ich an den Reißverschluss von deinem seidenden Kleid." Hach!

Kühl ist es auf dem Flussfestival geworden. Wie gut, dass Josef Brustmann die erhitzte Luft von der Bühne mit seinem "Reisealphorn", einem an einem Schlauch fixierten Trichter, Richtung Publikum wirbelt. "Dieser Dienst ist zu dieser Tageszeit nicht verfügbar", meldet das städtische Wlan, als man für diesen Text noch vor Ort zu recherchieren beginnen will. Der Datenfluss ist unterbrochen, ebenso die Musik. Nur die Loisach strömt, kleine Wirbel bildend, durch die Stadt. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.

© SZ vom 12.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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