Landrat nimmt die Bürgermeister in die Pflicht:Strikte Quote: Gemeinden müssen mehr Flüchtlinge aufnehmen

Lesezeit: 2 min

Bei der Ankündigung der Zuweisungen im vergangenen Sommer waren sich Landrat Josef Niedermaier (rechts) und Bürgermeister-Sprecher Stefan Fadinger erkennbar nicht ganz einig. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Landrat Josef Niedermaier sieht die Kapazitäten des Landkreises erschöpft. Nach dem Sommer soll nach "Königsteiner Schlüssel" zugewiesen werden. Bürgermeister-Sprecher Stefan Fadinger spricht von "Erstaunen" und betont die "Not" der Kommunen.

Von Felicitas Amler, Bad Tölz

Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) ist am Donnerstag in einer Pressekonferenz zur Unterbringung Geflüchteter sehr deutlich geworden. Mit Blick auf die Bürgermeister sagte er, die Haltung: "Ich kann nicht, weil ich nicht will", lasse er nicht mehr gelten. Niedermaier erklärte, er werde Ende August damit beginnen, Flüchtlinge nach dem "Königsteiner Schlüssel" direkt den Gemeinden zuzuweisen. Dies habe er den 21 Bürgermeistern am Freitag in einer Videokonferenz angekündigt.

Der Königsteiner Schlüssel ist ein Quotensystem für eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen, das von der Regierung von Oberbayern auf die Landkreise angewendet wird. Eine aktuelle Übertragung auf die Gemeinden, die das Landratsamt vorgelegt hat, zeigt, dass hier einzelne Kommunen stark im Rückstand sind. So müsste beispielsweise Dietramszell 86 Personen mehr als bisher aufnehmen, Münsing 62 mehr und Wackersberg 48 mehr. Dagegen liegen die drei Städte deutlich im Plus: Bad Tölz hat 307 Flüchtlinge mehr untergebracht, als es nach dieser Quote müsste (insgesamt 764); Geretsried 162 mehr und Wolfratshausen 70 mehr.

Insgesamt leben im Landkreis derzeit 1097 Asylsuchende, 1468 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und 334 Bleibeberechtigte, die keine Wohnung auf dem freien Markt finden, in insgesamt mehr als 200 Objekten. Zwei Turnhallen sind belegt: in Geretsried und Wolfratshausen.

Die neue Flüchtlingsunterkunft neben dem Landratsamt treibe die Menschen im benachbarten Lettenholz um, sagt CSU-Stadtrat Christof Botzenhart. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Regierung weist dem Landkreis laut Niedermaier etwa zwei Busse mit Geflüchteten pro Monat zu. Das bedeute, dass Monat für Monat jeweils 100 Menschen neu unterzubringen seien. Die Unterkunft für 126 Personen, die der Landkreis auf der Tölzer Flinthöhe errichtet hat, könne im Juli belegt werden - dann aber seien die Kapazitäten des Landkreises erschöpft, sagte Niedermaier. Und er betonte, man bräuchte allein bis Ende 2024 neun bis zehn Unterkünfte in derselben Größenordnung. Er weise seit Monaten auf diese Problematik hin, sagte der Landrat spürbar frustriert. Er habe aber den Eindruck: "Es hat die Gesellschaft nicht interessiert." Ihm falle die Anordnung an die Gemeinden nicht leicht, doch es habe so ein Szenario bereits 2015 gegeben, und dass es nun kurz davor sei, hätte den Bürgermeistern klar sein müssen, sagte Niedermaier.

Dagegen berichtete Bürgermeister-Sprecher Stefan Fadinger (CSU/Freie Wählergemeinschaft), in der Videokonferenz des Landrats seien "einige Kollegen sehr erstaunt" gewesen. Fadinger betonte mehrmals, wie beschränkt die Möglichkeiten der Kommunen seien, und sagte: "Wir sind überfordert mit der Unterbringung." Er kündigte an, die Gemeindeverwaltungen würden nun "alles abklappern", auch Vereinsheime und Pfarrsäle, schränkte aber ein: "Zum Schluss bleibt nur die Turnhalle - was keiner will." Ein Problem sei es auch, erklärte der Bürgermeister-Sprecher, dass Flüchtlinge Anspruch auf Kinderbetreuung hätten, denn hier fehle es ja ohnehin an Räumen und Personal.

Im Übrigen verwies Fadinger, selbst Bürgermeister von Gaißach, mehrmals darauf, dass auch die einheimische Bevölkerung Anspruch auf Wohnraum habe. Die Möglichkeit, für Flüchtlinge mit Containern Platz zu schaffen, wies er zwar nicht strikt zurück, fragte aber indigniert, ob eine Kommune etwa für die nächsten zehn Jahre ein Containerdorf schaffen solle.

Fadinger und Niedermaier befürworteten nachdrücklich den sogenannten Asylkompromiss der Europäischen Union. Doch dieser werde bis Ende 2024 "keinerlei Wirkung zeigen", sagte der Landrat. Auf Nachfrage, was sie sich politisch wünschten, sagte Niedermaier, "ein klares Einwanderungsgesetz", und der Bürgermeister-Sprecher an die Adresse der Bundesregierung gewandt, "dass die Hilfeschreie aller Kommunen gehört werden und die Not endlich zur Kenntnis genommen wird".

Die kürzlich auch in Lenggries geäußerte Beobachtung, dass es kaum noch Flüchtlingshelfer gebe, bestätigte Fadinger: "Die Helferkreise sind zurückgegangen." Allerdings gebe es Einzelne, die seit Jahren "ihre" Flüchtlinge betreuten, so der Bürgermeister-Sprecher. Dazu warf Niedermaier aus dem Hintergrund ein inständiges "Danke, danke, danke!" ein.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungKommunale Asylpolitik
:Die Not mit der Not

Die Gemeinden im Landkreis müssen endlich mehr Flüchtlinge unterbringen. Der Landrat drängt auf Einhaltung einer Quote, der Bürgermeister-Sprecher versucht abzuwiegeln.

Kommentar von Felicitas Amler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: