Finanzen in der Corona-Krise:Geretsried setzt den Rotstift an

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Der Stadt droht ein millionenschweres Defizit. Bürgermeister Michael Müller hat den Stadtratsfraktionen deshalb eine Streichliste mitgegeben. Vor allem Zuschüsse für Sportvereine und soziale Einrichtungen stehen zur Disposition.

Von Susanne Hauck, Geretsried

Solche finanziellen Zustände hat Geretsried schon lange nicht mehr erlebt: Im Stadtsäckel der Kommune klafft ein Millionenloch. Bürgermeister Michael Müller (CSU) machte keinen Hehl aus der Dramatik der von Corona geprägten Lage. "Es hat uns voll erwischt", erklärte er am Donnerstag im Finanzausschuss des Stadtrats. Im Klartext heißt das: Der Stadt geht das Geld aus.

Damit steht der Geretsrieder Stadtrat vor schweren Entscheidungen. Viele Wünsche werden unerfüllt bleiben, weil das Geld nur noch für die Pflichtausgaben reicht. Müller kündigte an, den Haushalt von freiwilligen Leistungen gründlich entrümpeln zu wollen. Das dürfte vor allem die Trägervereine treffen. Schulen und Kindergärten sollen dagegen kein Opfer des zu erwartenden Sparmarathons werden. "Sie haben Vorrang", so der Rathauschef. Es zeichnet sich somit ab, dass sich die Stadt vorläufig nur mit neuen Krediten aus der Finanzmisere befreien kann.

Ganz so weit ist es aber noch nicht. Denn die Vorstellung des Haushalts 2021 mit dem Finanzplan bis 2024 war nicht mehr als der Auftakt für die anstehenden Beratungen von Stadtverwaltung und Stadtrat. Noch weist der künftige Etat aber tiefrote Zahlen auf. Der Ergebnishaushalt, eine Art Gewinn- und Verlustrechnung der Kommune, präsentiert sich mit einem dicken Minus von 5,6 Millionen Euro. Auch der Finanzhaushalt, aus dem die Investitionen bestritten werden, enthüllt die städtische Klemme. Hier fehlen über zwölf Millionen Euro. Und in den Folgejahren könnte sich die Lage sogar noch einmal verschärfen, wenn die Auswirkungen der Pandemie voll auf die Gewerbesteuereinnahmen durchschlagen.

Nadine Zikeli von der städtischen Kämmerei erläuterte den Mitgliedern des Finanzausschusses am Donnerstagabend Schritt für Schritt das umfangreiche Zahlenwerk. Für das laufende Jahr geht sie von verminderten Steuereinnahmen in Höhe von etwa 35 Millionen Euro aus - das sind rund 1,5 Milliionen weniger als 2020. Auf der Ausgabenseite stehen dagegen zum Beispiel hohe Personalkosten von 10,8 Millionen. Am stärksten zu Buche schlagen die sogenannten Transferleistungen mit knapp 27 Millionen Euro, die Posten wie die Kreisumlage und freiwillige Zusatzzahlungen beinhalten.

Bei den Investitionen im Finanzhaushalt bereitet der Stadt das Zwölf-Millionen-Loch arge Sorgen. Die liquiden Mittel von derzeit 30 Millionen Euro dürften bis Jahresende auf die Hälfte geschrumpft und bis 2023 restlos aufgebraucht sein. Viele Aufgaben düften bis dahin dann zwar abgearbeit sein: die Erweiterung der Mittelschule, der Ausbau des Dachgeschosses im Rathaus, eine dritte Grundschule, die Kita in der Johann-Sebastian-Bach-Straße, das Bürgerhaus Stein, das Feuerwehrhaus in Gelting, die Sanierung der Aussegnungskapelle und die Ausstattung der Bushaltestellen mit einer digitalen Fahrgastinformation. Aber diese Investitionen verschlingen auch viele Millionen.

Auch andere Stellen im Haushalt offenbarten, wie schlecht es um die Finanzen der Stadt bestellt ist: So reichen die Gelder nicht einmal mehr zur Tilgung der laufenden Kredite.

Die Schwerpunkte im laufenden Jahr stellen laut Kämmerei-Mitarbeiterin Zikeli die Fertigstellung des Parkdecks am Hallenbad (700 000 Euro), die Planungskosten für die Erweiterung der Adalbert-Stifter-Mittelschule (500 000 Euro), die Zentrumsgestaltung (600 000 Euro), die Generalsanierung der Buchberger Straße (300 000 Euro) und Reservemittel für zu erwartende Baukostensteigerungen (350 000 Euro) dar. Mit 5,5 Millionen Euro kommt auch der Grunderwerb für "Vorratsgelände" sehr teuer.

Welche Einsparungen wo fällig werden, war im Ausschuss noch kein Thema. Den Haushaltsentwurf gab Bürgermeister Müller den Fraktionen zum Ausdiskutieren mit. Erst in der Stadtratssitzung im Februar soll dann das große Streichkonzert losgehen. Was alles auf die Abschuss- oder Warteliste kommt, soll ein eigens gegründeter Arbeitskreis festlegen, ebenso wie die laufende Anpassung an die Finanzsituation der Stadt. Müller machte aber bereits jetzt deutlich, dass sich der Sportbereich wohl darauf einstellen muss, den Gürtel enger zu schnallen - ebenso wie soziale Träger. "Wir müssen uns von Liebgewordenem verabschieden", machte der Bürgermeister den Ernst der Lage klar. Er ermahnte gleichzeitig dazu, die Ansprüche herunterzuschrauben, da die Stadt sich bislang sehr spendabel bei den Anträgen gezeigt habe. "Wir können das nicht mehr in dem Takt weiterführen."

In seiner zwanzigminütigen Haushaltsrede erklärte Müller, wo die Reise für Geretsried hingehen soll. Trotz aller finanziellen Herausforderungen will er bei der Bildung keine Abstriche machen, ebenso pocht er darauf, an der Digitalisierung der Schulen und des Rathauses, an Klimaschutzprojekten wie der Begrünung der Stadt sowie dem Ausbau des Bussystems und der Radinfrastruktur festzuhalten.

Einige Stadträte brachten Änderungsvorschläge mit ein. Hans Hopfner (SPD) bat darum, Abrisskosten für das alte Hallenbad in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro zu berücksichtigen. Gerhard Meinl (CSU) warnte davor, dass die Gesamtkosten für die Erweiterung der Adalbert-Stifter-Schule mit 30 Millionen viel zu niedrig angesetzt seien.

© SZ vom 23.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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