Eurasburg:Ein Teufelskreis für Flüchtlinge

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Drei junge Männer aus Syrien sind als Asylsuchende anerkannt worden. Weil sie vorerst Hartz IV beziehen müssen, finden sie keine Wohnung. Die brauchen sie jedoch, um arbeiten und studieren zu können.

Von Claudia Koestler, Eurasburg

"Die Situation verzweifelt zu nennen, das wäre fast noch untertrieben", sagt Carola Belloni vom Helferkreis Asyl in Eurasburg. Dabei sollte es eigentlich ein Glückstag für Aisa Mohmad sein, einen ihrer Schützlinge: Nach Wochen auf der Flucht aus Alhaska im kriegszerrütteten Syrien endlich in Sicherheit, hält der 21-Jährige jetzt auch die lange ersehnte Anerkennung als Asylberechtigter in den Händen. "Damit ist er jetzt in der Realität unseres Landes angekommen", sagt Belloni. Aber die sei anders als erhofft. Denn Mohmad findet keine Wohnung.

Wie schwierig die Suche ist, wissen auch seine Kollegen aus der Containerunterkunft in Eurasburg: Alaaeddin Al Halabi (26) aus Damaskus und Mohamad Hamandoush (22) aus Aleppo suchen seit Wochen nicht minder verzweifelt nach einer Wohnung. Alle drei sind anerkannte Asylberechtigte und damit aufgefordert, die Containerplätze in Eurasburg zu verlassen. Würde diese Anweisung strikt umgesetzt, stünden die drei wie viele andere Fehlbeleger auf der Straße.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Aisa Mohmad (li.) und Alaaeddin Al Halabi sind als Flüchtlinge anerkannt und müssten aus der Unterkunft ausziehen.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Wie andere Fehlbeleger werden sie dort geduldet, weil sie keine Wohnung finden.

Denn genau hier hakt es: "Der Markt ist schlichtweg leergefegt", weiß Belloni. Fehlender sozialer Wohnungsbau in der Vergangenheit habe dazu geführt, dass das Angebot an Wohnraum für Gering- und Normalverdiener in der Hochpreisregion Oberland nicht für die Nachfrage reiche. Auf diesem bereits umkämpften Markt müssen nun auch die anerkannten Flüchtlinge ein neues Zuhause finden.

Neben den Asylbewerbern, die im Kreis zumeist in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, gibt es nach Angaben von Helga Happ 260 solche sogenannten "Fehlbeleger". In aller Regel werden die anerkannten Flüchtlinge zunächst Hartz-IV-Empfänger, bekommen die Wohnung also vom Jobcenter bezahlt. Hierbei gelten jedoch je nach Personenzahl des Haushalts Obergrenzen. "Bis 50 Quadratmeter zahlt das Jobcenter zum Beispiel 360 Euro kalt plus Nebenkosten", erklärt Andrea Schön, stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters in Bad Tölz. Doch diese Summen entsprächen eben "nicht der Realität auf dem örtlichen Markt", sagt Belloni. Auch über Makler erreiche man nichts: "Wenn ein Vermieter einen Makler beauftragt, muss er ihn bezahlen. Und deshalb will er Mieter, die er eben nicht selbst über das Jobcenter oder den freien Markt kriegen könnte", sagt Belloni. Das bestätigt ein Immobilienvermittler in der Region, der allerdings nicht namentlich genannt werden möchte: "Wir können da nichts tun. Wer uns als Vermieter beauftragt und Geld ausgibt, hat ein anderes Klientel im Auge."

Dabei seien Belloni zufolge die drei Burschen Mieter, wie man sie sich wünscht: höflich, wohlerzogen, ruhig, freundlich und hilfsbereit. Al Halabi ist gelernter Elektriker und damit auf dem Arbeitsmarkt händeringend gesucht. Er würde auch sofort eine Anstellung bei einer örtlichen Firma bekommen. Doch das könne er eben nur annehmen, wenn er auch hier wohnt und damit bleibt, sagt Belloni. Die Arbeit also bedingt seine Unterkunft und umgekehrt: "Ein klassischer Teufelskreis", sagt sie. Hamandoush hingegen hat Textilingenieurswissenschaften studiert und würde hier gerne wieder auf die Uni gehen. "Vielleicht Computeringenieur werden", sagt er, das wäre sein Traum. Mohmad ist noch ungelernt, hat aber einen Wunsch: Mechatroniker werden. Im Moment aber gibt es für die drei nur eine Hauptbeschäftigung, jeden Tag, Stunde um Stunde: nach einer Bleibe suchen. "Anything, whatever", sagt Hamandoush, er würde quasi alles annehmen. Belloni sieht trotz der Marktsituation und den Versäumnissen im sozialen Wohnungsbau durchaus noch Potenzial, wenn das Menschliche nach vorne gerückt wird. Deshalb ihr Aufruf: "Vielleicht gibt es ja noch Vermieter, die Wohnraum haben und den Preis nicht maximal ausreizen, dafür einen soliden Zahler haben wollen." Kurzum: "Wir suchend dringend Menschen mit einem großen Herzen", sagt Belloni.

Wer eine geeignete Wohnung hat, kann sich unter lkr-wolfratshausen@sueddeutsche.de melden - Angebote werden an den Eurasburger Helferkreis weitergeleitet.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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