Eine Burg für Wolfratshausen:Vision eines Entschlossenen

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Gigantisches Projekt: Der Wolfratshauser Richard Dimbath will die Burg im Bergwald rekonstruieren - mit historischen Arbeitsmethoden und am originalen Standort.

Matthias Köpf

Aus dem Dornröschenschlaf wolle er seine Stadt erwecken, und wie im Märchen gehört dazu eine Burg. Diese aber liegt nicht seit hundert Jahren in verwunschenem Schlummer, sondern seit 276 Jahren in Trümmern: Am 6.April 1734 ist der Blitz in den Pulverturm der Wolfratshauser Burg gefahren, und die Detonation von 350 Zentnern Schießpulver schleuderte die Reste des Gemäuers bis in den Markt hinunter. Mit den übrigen Steinen wurden dann Häuser in Wolfratshausen und Teile der Münchner Residenz gebaut. Dass er also neues Baumaterial brauchen wird, schreckt Richard Dimbath aber ebenso wenig ab wie vieles andere. Denn Dimbath hat einen Plan: Er will die Wolfratshauser Burg wieder aufbauen.

Die Burg als Modell im Heimatmuseum (links): Historisch belegt sind nur das große Hauptgebäude, zwei Kirchen und einige Türme, der Rest bleibt reine Spekulation. (Foto: Manfred Neubauer)

Lange Jahre sei die Idee nur ein Spleen gewesen, mit dem er sich ungern lächerlich machen wollte, sagt Dimbath selbst. Mittlerweile aber sei das Vorhaben zu einer echten Vision herangereift. Und der hagere 71-Jährige ist durchaus jemand, der Visionen mit Tatkraft verbindet: Vor 21 Jahren hat Dimbath die "Osteuropahilfe" gegründet, die schon tonnenweise Hilfsgüter ins ukrainische Brody geschickt hat. Besuch aus Brody war es auch, der Dimbath auf die Idee mit der Burg gebracht hat: Nach einem abendlichen Spaziergang durch Wolfratshausen habe der Gast erstaunt von einer toten Stadt gesprochen. Und da habe ihm sein "armseliges Wolfratshausen" plötzlich Leid getan, sagt Dimbath, der der Stadt seither durch den Wiederaufbau der Burg neues Leben einhauchen will.

Gedanklich an Fahrt gewonnen hat sein Plan, als er vor drei Jahren vom französischen Guédelon gehört hat. Dort wird nach alten Methoden an einer Burg gebaut - erst als Beschäftigungsprojekt mit viel Förderung von der EU und dann mit den Eintrittsgeldern von tausenden Besuchern pro Jahr. Schon nach zwei Jahren habe sich das Vorhaben selbst getragen, was auch in Wolfratshausen gelingen könne, sagt Dimbath.

Obwohl er mit originalen Arbeitsmethoden eine echte Burg rekonstruieren will, statt einen Fantasiebau aus dem Boden zu stampfen wie in Guédelon, ist Dimbaths Vision aber keine historische, sondern in die Zukunft gerichtet: Das eigentliche Spektakel sei der Bau selbst, sagt Dimbath. Dazu könnten Ritterspiele, Burgserenaden, Mittelaltermärkte und dergleichen kommen. Das Bedürfnis nach solchem Historienschauspiel sei weit verbreitet. Eine Rutsche oder eine Seilbahn könnten die vielen Gäste dann auch nach unten in den Markt befördern, auf dass der sich auch mit Leben fülle.

All diese Gedanken füllen bei Dimbath zusammen mit Zeitungsausschnitten und der Korrespondenz mit dem "Deutschen Burgenbüro" mittlerweile zwei dicke Aktenordner. Dazu kommt ein Hefter mit einem 130-Seiten-Manuskript für ein Kinderbuch, das Dimbath vorerst "Harry Wolfsburg" betitelt hat. Um einen Waisenknaben mit Zauberkräften im Wolfratshauser Burgambiente gehe es dabei, sagt er. Von dem Literaturagenten, dem er das Manuskript anvertraut hat, habe auch auch schon lange nichts mehr gehört, fällt Dimbath bei der Gelegenheit ein. Dabei hat er extra noch eine Liebesgeschichte eingebaut.

Fest entschlossen: Richard Dimbath plant den Wiederaufbau der Wolfratshauser Burg. (Foto: WOR)

Das Buch hat Richard Dimbath allein geschrieben, doch in seine Burg-Pläne sind längst eine Reihe anderer Menschen eingeweiht. Vor eineinhalb Jahren schon gab es es ein erstes Treffen der "Interessengemeinschaft Burgbau Wolfratshausen": Acht Leute hatte Dimbath im Weidacher "Grünen Baum" direkt unterhalb der ehemaligen Burg versammelt. Verwandte waren dabei, aber auch Kulturreferent Ludwig Gollwitzer, der damalige Vorsitzende des Vereins "Lebendige Altstadt Wolfratshausen", Johannes Schneider, und vor allem die Eigentümer der nötigen Grundstücke. Ihnen allen hat Dimbath ein Kompendium seiner Ideen auf den Weg gegeben. Einige Seiten tragen das Logo seiner Interessengemeinschaft, einen Wolfratshauser Wolf über einem mittelalterlichen Tor. Das Wort "Burgbau" will er vorerst lieber wieder streichen, aber ansonsten stehe der baldigen Gründung der "Interessengemeinschaft Burg Wolfratshausen" als Verein nichts im Wege, sagt Dimbath, der ein "erstaunlich breites Wohlwollen" registriert.

Auch in den Rathäusern von Icking, Münsing und natürlich von Wolfratshausen ist Dimbath schon vorstellig geworden, damit sich keiner übergangen fühlt. Begleitet hat ihn dabei Stadtrat Alfred Fraas, der ihm auch schon ein Burgmodell in ein Luftbild des Bergwalds montiert hat und Dimbaths Vorhaben für "eine super Idee" hält. Bürgermeister Helmut Forster nennt das Projekt dagegen vorsichtig "sehr, sehr kühn" und "eine Sache vielleicht von Jahrzehnten" , will aber helfen, soweit es gehe. Geld gehöre aber sicher nicht zu den Möglichkeiten, sagt Forster noch.

Die größten Hindernisse sieht Dimbath selbst nicht in der Finanzierung und auch nicht in den Grundstücken. Und wenn es auf dem originalen Platz oberhalb der Kastenmühle nicht klappe, dann könne die Rekonstruktion genauso gut auch ein Stückchen südlich entstehen. Dies hätte sogar den Vorteil, dass die staatlichen Denkmalpfleger weniger einzuwenden hätten. Dass die es nämlich gar nicht gern sehen, wenn über unerforschten historischen Fundamenten neu gebaut wird, hat auch Dimbath schon erfahren. Überhaupt hält sich die Begeisterung gerade bei den näher an der Geschichte Interessierten in Grenzen. Der Historische Verein halte sich deutlich zurück, sagt Dimbath, und auch der Leiter des Heimatmuseums, Hubert Lüttich, begegnet seinem Projekt mit großer Skepsis. Dafür sei er eben "schon zu sehr Realist" , sagt Lüttich und winkt ab. Richard Dimbath aber glaubt an sein Projekt. Denn Märchen schreibt er ja selbst.

© SZ vom 17.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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