Diakonie Oberland:Mit "Wärmewinter" gegen Armut und Kälte

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Aktion #wärmewinter der Diakonie: Vorstandsvorsitzender Florian Gruber, Sozialpädagogin Ilka Öhrlein und Geschäftsführer Stefan Helm (von links). (Foto: Manfred Neubauer)

Die Diakonie Oberland und die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit rufen mit einer Solidaritätsaktion zu Spenden für Menschen auf, die unter der Energiekrise und der Inflation besonders stark leiden.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Wer durch den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen fährt, sieht gepflegte Bauernhöfe, schmucke Städte und Dörfer, eine grandiose Natur. Hinter dieser anheimelnden Kulisse verbirgt sich jedoch mitunter individuelle Armut, die sich in den Zeiten der Energiekrise und der Inflation noch erheblich verschärft hat. Da ist die alleinstehende Frau, die in einem abbruchreifen Haus mit einem Infrarot-Strahler gegen die Kälte heizt, was ihre Stromkosten explodieren lässt. Da ist die Rentnerin, die sich jetzt gar nichts mehr leisten kann und das Geld für ihren Hund regelrecht vom Mund abspart, weil sie sonst ganz alleine wäre. Von solchen Fällen aus ihrem Job berichtet Sozialpädagogin Ilka Öhrlein von der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA). Die Diakonie Oberland hat sich deshalb der bundesweiten Aktion #wärmewinter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angeschlossen. Denn für jene, "für die es eh schon knapp war, wird es nun existenziell", erklärt Stefan Helm, Geschäftsführer der Diakonie Oberland, in einem Pressegespräch.

Die Idee der Aktion: Wer die Energiekostenpauschale von 300 Euro, die von der Bundesregierung ausgezahlt wurde, nicht wirklich selbst benötigt, kann sie an die Diakonie spenden, die damit Bedürftigen hilft. Dabei gehe es nicht so sehr um Sozialhilfeempfänger, sagt Öhrlein. Schließlich erhalten die Bezieher von Hartz IV respektive Bürgergeld auch Wohngeld und eine Heizkostenerstattung. Die Zielgruppe der Aktion seien vielmehr Rentner, Alleinerziehende oder auch Beschäftigte im Niedriglohnsektor, die mit ihrem Einkommen knapp oberhalb der Hartz-IV-Grenze liegen. Sie hatten bisher schon Mühe, nach Abzug der Miete und der Nebenkosten über die Runden zu kommen. Öhrlein rechnet vor: Von 1200 Euro Rente gehen 600 Euro im Monat für die Miete weg, die restlichen 600 bleiben für Lebensmittel und alle anderen Ausgaben. Dies liege zwar über Sozialhilfeniveau, doch wer davon nun 200 bis 300 Euro mehr für Heizung und Strom zahlen müsse, habe kaum noch etwas übrig.

Beim Wärmewinter gehe es jedoch nicht alleine um die hohen Energiekosten, betont Pfarrer Florian Gruber, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Oberland. Wegen der hohen Inflation stiegen alle anderen Ausgaben ja auch. Im Supermarkt. An der Tankstelle. Im Gasthaus. Zu ihm in Wolfratshausen seien auch schon Leute gekommen, die ihm erzählt hätten, dass sie daheim frieren, berichtet Gruber. Ebenso eine Frau, die ihm gesagt habe, dass sie seit vier Tagen kaum noch etwas gegessen habe. "Und die, die bisher gerade so durchgekommen sind, sagen jetzt, dass das Geld für den gesamten Monat nach 20 Tagen weg ist." Hinzu kommt, dass auch die Tafeln mittlerweile Probleme mit der Essensausgabe für Bedürftige haben: "Sie haben viel weniger, während die Zahl der Berechtigten aber zugenommen hat", sagt Öhrlein. Wer dort ansteht, braucht in der Regel die Sozialcard.

Altenpfleger, Reinigungskräfte, Friseure - viele aus solchen Berufen könnten nicht dort wohnen, wo sie arbeiten, weil die Mieten für sie viel kostspielig seien, sagt die Sozialpädagogin. Mit der Folge, dass sie viel Geld an der Tankstelle ausgeben müssen. Dabei leben sie manchmal auch noch in alten, unsanierten Wohnungen, wo die Heizkosten exorbitant hoch sein. Bei der KASA fragten manche schon mal nach, "ob sie nicht 100 Euro für eine Tankfüllung bekommen können". Für solch einmalige Hilfeleistungen ist die Aktion #wärmewinter gedacht.

Monatliche Beträge würden hingegen nicht gezahlt, stellt Pfarrer Gruber klar. Schon deshalb nicht, damit Empfängerinnen und Empfänger, die mit ihrem kleinen Lohn oder ihrer Rente infolge der hohen Energiekosten doch unter Hartz IV fallen, dann wieder über der Bezugsgrenze liegen. Öhrlein rät: "Wenn jemand so eine hohe Nebenkostenabrechnung hat, soll er in eine soziale Beratungsstelle gehen und fragen, ob jetzt nicht Wohngeld möglich ist."

In Wolfratshausen gibt es bereits eine ganz ähnliche Aktion wie den Wärmewinter der Diakonie. Unter dem Motto "Wor steht zusammen" haben dort Obdachlosenbetreuerin und Flüchtlingshilfe-Koordinatorin Ines Lobenstein, Seniorenreferentin Ulriche Krischke (BVW Wolfratshausen) und SPD-Vorsitzende Ingrid Schnaller die Initiative "Von Mensch zu Mensch" gegründet. Sie hat sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, dass Menschen, denen es noch gut geht, die Energiekostenpauschale an Notleidende spenden.

Für die Diakonie erklärt Geschäftsführer Stefan Helm: In der Krise komme "den Kirchengemeinden eine besondere Bedeutung zu, aufeinander zu schauen, Ausgleich zu schaffen und in dieser Hoffnungslosigkeit ein Zeichen der Hoffnung zu setzen". Dabei gehe es gar nicht immer bloß ums Geld, sagt Öhrlein. Viele wollten auch einfach nur jemanden haben, der ihnen zuhört. "Die Angst wächst."

Spenden für die Aktion #wärmewinter auf das Konto der Diakonie Oberland, IBAN: DE02 7039 0000 0004 8133 59

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