Circus Montelli:Gestrandet im Isartal

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Der Zirkus von Dominique Montelli (im Bild) ist in Icking gestrandet, die Familie kann das Quartier coronabedingt seit Monaten nicht verlassen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit Monaten sitzt der Circus Montelli coronabedingt in Icking fest. Wie es weitergeht, ist unklar - doch aufgeben wollen die Betreiber nicht.

Von Stefanie Haas, Icking

Sobald es auch nur ein bisschen raschelt, preschen sie heran. Rechts zwei Lamas und ein Kamel, links ein paar Ponys, ein Pferd und ein Esel, auch zwei Steinbockziegen gibt es. Eigentlich sehen Besucher die Tiere des Circus Montelli, der wegen der Pandemie derzeit in Icking gestrandet ist, eher selten - es sei denn, jemand nutzt die Möglichkeit, für ein paar Euro Futter zu kaufen und die Tiere damit für Streicheleinheiten zu bestechen. Seit seiner Gründung 2015 war der Zirkus mindestens einmal im Jahr in Icking zu Gast. Meist im Herbst oder Frühling, manchmal auch kurz nach Weihnachten. Nun aber sind aus den sonst wenigen Tagen erst Wochen geworden, dann Monate - und inzwischen lebt die Familie mitsamt ihrer Tiere bereits seit einem halben Jahr in der Isartalgemeinde.

Seit 2015 gibt es den Circus Montelli, den die Betreiberin Dominique Montelli mit ihrem Mann gründete. Beide stammen aus Familien, die in der neunten beziehungsweise siebten Generation Zirkusse betreiben. Die Arbeit, die mit einem Zirkus einhergeht - Auf- und Abbau, Versorgung der Tiere, Werbung - mache das Ehepaar alleine. Lediglich Montellis Neffe helfe mit. Externe Mitarbeiter, die keine Familienangehörigen sind, gibt es nicht. Als die Familie das erste Mal mit ihrem Zirkus nach Icking kam, seien die Besucher begeistert gewesen und hofften auf einen weiteren Besuch im nächsten Jahr: "Da hat sich das so ergeben, dass wir jedes Jahr wenigstens einmal hier in Icking aufgetreten sind", sagt Dominique Montelli.

Aus der Not heraus hat der Zirkus von Dominique Montelli einen Streichelzoo eröffnet und die Fütterung von Kamelen, Eseln und Co. mit vom Zirkus bereitgestellten Leckereien ist erwünscht. (Foto: Hartmut Pöstges)

Manchmal wurde das Gastspiel aufgrund der hohen Nachfrage auch verlängert. "Die Leute hier sind so begeistert wie am ersten Tag", erzählt die 35-jährige Betreiberin und lacht. Gäbe es allerdings Corona nicht, wäre der Zirkus das ganze Jahr unterwegs, erklärt Montelli und zeigt auf die Wagen, die um das Gelände herum aufgebaut sind. Das Winterprogramm, das sie normalerweise nach Weihnachten in Berg bei Starnberg zeigen, finanziere der Familie den Lebensunterhalt bis ins Frühjahr hinein. "Aber dieses Jahr hat Corona uns noch mehr ausgebremst als letztes Jahr."

Dabei ist es nicht so, dass sich die Familie in Icking nicht wohlfühlt, im Gegenteil: Die Nachbarn seien nett und man habe sie gut aufgenommen. Aber: "Es liegt uns im Blut, jede Woche woanders zu sein. Man sieht hier quasi das Gras wachsen." Montelli runzelt die Stirn, als sie erklärt, dass sie seit über einem Jahr nicht richtig auftreten konnten. Kein Programm zeigen zu können, das sei "wie ein Berufsverbot." Damit einhergehe, dass der Familie, wie so vielen anderen, ein Großteil ihrer Einnahmen weggebrochen ist. Finanziell sei es derzeit sehr schwierig, so die Betreiberin. "Wir werden vom Staat nicht mit Hilfspaketen wie der Novemberhilfe unterstützt, weil es heißt, Zirkus sei kein richtiger Beruf." In anderen Ländern wie Frankreich oder Italien bekämen die Zirkusse staatliche Unterstützung, weil sie dort als Kulturbetriebe gelten. Probiert hat die Familie es trotzdem. Doch ohne Angestellte und aufgrund der unregelmäßigen Einnahmen, die mit einem Zirkusbetrieb einhergehen, hätten sie schlechte Karten gehabt.

Seit Kurzem könne die Familie aber einen kleinen Teil ihrer Kosten durch die Grundsicherung über das Jobcenter decken. Das sei aber nur eine Basis und helfe nicht bei den weiteren Kosten wie der Versorgung der Tiere oder Versicherungen und Reparaturen: Trotz fehlender Auftritte und Einnahmen müssen diese auch irgendwie bezahlt werden. Die Hilfe vom Jobcenter in Anspruch zu nehmen, das sei eine Überwindung gewesen, erklärt die Zirkusbetreiberin. "Das soll nicht abwerten klingen für Menschen, die es in Anspruch nehmen. Aber wir waren immer stolz darauf, auf eigenen Beinen zu stehen." Wenn vor der Pandemie beispielsweise im Winter keine Vorstellungen stattfanden, konnten sie das durch Auftritte in Schulen oder Altenheimen ausgleichen. Das ist nun nicht mehr möglich.

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Nun wird ein kleiner Teil über den Streichelzoo kompensiert: Besucher können für ein paar Euro Futtertüten kaufen und den Tiere geben. Auf dem Gelände unweit des Ickinger Schulzentrums ist mit Maskenpflicht, Mindestabstand und Desinfektionsstationen ein Hygienekonzept etabliert. Spenden hat es von Menschen aus der Gemeinde ebenfalls gegeben, in Form von Geld oder auch in Form von Futtermitteln für die Tiere. Dazu gehörte eine große Spendenaktion vor einigen Monaten. "Mittlerweile sind wir sehr dankbar", erzählt die 35-Jährige lächelnd. "Man muss sich aber erst einmal an das Gefühl gewöhnen, auf andere Menschen angewiesen zu sein." Montelli hofft, dass sich die Lage bald entspannt, versucht aber auch, realistisch zu denken.

Aufgeben liegt der Familie jedoch fern: Gerade in solch schwierigen Zeiten müsse man alles geben, damit der Zirkus und die damit verbundenen Traditionen überleben. Montelli erzählt von ihren Vorfahren, deren Zirkusse Kriege überstanden hätten. "Da müssen wir doch auch Corona überstehen."

Der Circus Montelli gastiert derzeit gegenüber der Ickinger Grundschule. Der Streichelzoo ist von Donnerstag bis Montag, jeweils von 11 bis 18 Uhr, geöffnet. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 28.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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