Abschlusskonzert in Bad Tölz:Bravissimo

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Feine Akustik: Die Streichkonzerte im schönen Kurhaus-Saal finden ihr Publikum, es kommen Kenner und Ersthörer, so soll es sein. (Foto: Manfred Neubauer)

Das "Chaos String Quartet" hat den 1. Streichquartett-Wettbewerb in Bad Tölz gewonnen und beweist zum Abschluss noch einmal seine preisgekrönte Qualität: Trotz der starken Einzelstimmen steht der gemeinsame Quartettklang nie in Frage.

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Bad Tölz

Ein spontan-freudiges "Bravo" erschallt schon nach dem ersten Programmpunkt im Kurhaus aus einer der hinteren Reihen. Die Begeisterung gilt der Beethoven-Interpretation, die das Chaos String Quartet aus Wien gerade beendet hat. Ein strahlendes G-Dur-Werk, das wunderbar zum Auftakt des letzten Preisträgerkonzertes passt, mit dem der 1. Streichquartett-Wettbewerb in Bad Tölz am Donnerstag überaus erfolgreich zu Ende geht. Die Musikerinnen von Chaos, Susanne Schäfer, Violine, Esther Kruchió, zweite Violine, und Sara Marzadori, Viola, haben sich vergangenen Montag zusammen mit ihrem Cello-Kollegen beim Finale den ersten Preis erspielt. Und hier zeigen sie nun noch einmal, wofür sie ihn verdient haben.

Das "Chaos String Quartet" aus Wien kommt zurück ins Kurhaus. (Foto: Manfred Neubauer)

Nach dem Beethoven, bei dem sie großes technisches und musikalisches Können mit heiterer Spiellaune verknüpft haben, liegt als zweites Werk das 1. Streichquartett von György Ligeti auf den Notenpulten. Damit haben die Vier schon vergangenen September in der zweiten Runde des ARD-Wettbewerbs großen Eindruck gemacht. Eine Musik, die anfangs ihrer harschen, dissonanten Töne wegen mitunter fremd und wie aus einer anderen Welt klingt. Doch der Bezug zu Ligeti ist beim Chaos String Quartet, das familiär mit Ungarn verbunden ist, besonders stark. Und das macht sie zu Botschaftern dieses Modernisten, dessen 1. Streichquartett fortschreibt, was Béla Bartók zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu geschaffen hat.

Eine Welt phantastischer Farben und Stimmungen tut sich bei Ligeti auf. Gepaart mit einem großartigen Humor. Besonders zu spüren ist dieser in dem Moment eines Walzerthemas, das plötzlich aus seinen dissonanten Flächen aufblitzt. Weidlich schöpft das Chaos String Quartet die darauf folgenden Motive aus, ergründet sie, zelebriert sie plastisch wie Rollen in einer Geschichte. Und trotz der starken Einzelstimmen steht der gemeinsame Quartettklang dabei nie in Frage.

Das ist es, was Günter Pichler, der Vorsitzende der siebenköpfigen Jury, die das Chaos String Quartet zum 1. Preisträger des Tölzer Streichquartettwettbewerbs gekürt hat, als Wesentliches für sein Fach ansieht. Ein Quartett sei "eine Gesamtpersönlichkeit", so der ehemalige Primarius des Alban Berg Quartetts. "Es wäre nicht gut, wenn in einem Quartett einer mehr dominiert, als ihm der Komponist als Stimme zugedacht hat."

Ähnlich agiert das Chaos String Quartet auch nach der Pause in diesem kurzweiligen Kammermusikabend. Schumanns Quartett in A-Dur op. 41/3 steht jetzt auf dem Programm. Mit vollem, rundem Ton bringen die Wiener diesen Romantiker zum Klingen und gewähren dabei doch die nötige Transparenz, die man als Zuhörer braucht, um das Gefüge der Stimmen zu verfolgen und genießen zu können.

Die Freude an diesem letzten Abend des 1. Streichquartett-Wettbewerbs ist groß. Das Ehepaar Susanne und Christoph Kessler, federführend im organisierenden Verein Klangerlebnis hat monatelang auf dieses Ereignis hingearbeitet. Die "Quartettissimo"-Reihe, die es im Kurhaus seit fünf Jahren gibt, ist selbst bei gewissenhaftester Vorbereitung keine "gmahde Wiesn". Immer wieder, das hat auch die jüngst zu Ende gegangene Saison gezeigt, gibt es überraschende Momente. Das Belcea-Quartet kam vergangenen November zum Auftakt trotz krankheitsbedingter Umbesetzung, das Borodin Quartett aus Moskau musste absagen. Und das Juilliard String Quartet zuletzt im März kam mit personeller Veränderung. Man kann sich also ausmalen, was es bedeutet, trotz Unbill dranzubleiben und solche Konzerte zu organisieren.

Tölz macht von sich reden

Das gilt erst recht für den gerade zu Ende gegangenen 1. Streichquartett-Wettbewerb. Auch den können die Kesslers als vollen Erfolg verbuchen. Fünf Tage nahezu volles Haus im Kursaal. Und Bad Tölz macht nun in dieser Branche sicherlich noch mehr auf aller Welt von sich reden. "Wir sind hier in Bad Tölz sehr herzlich aufgenommen worden", erklärte die Geigerin vom Chaos String Quartet, nachdem der Beifall über die Schumann-Interpretation halbwegs abgeebbt war. Es sei nicht leicht, von diesem schönen Ort nun zu den nächsten Konzerten in Frankreich aufzubrechen.

Im nächsten Jahr werden die Wiener Musiker wiederkommen. Im "Quartettissimo"-Programmheft steht unter dem Datum 20. Januar noch N.N. Aber das ist ja jetzt geklärt, nachdem der 1. Preisträger das Chaos String Quartet ist. Und das verabschiedet sich an diesem letzten Abend des Wettbewerbs, der das nächste Mal 2026 stattfinden wird, mit dem Presto aus op. 130 von Ludwig van Beethoven als Zugabe. Noch einmal herzlicher Applaus von den begeisterten alten und neuen Streichquartett- und Kammermusikfans.

Infos zum Wettbewerb und zum Konzertprogramm unter: www.bad-toelz.de und www.quartettissimo.de

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