Bürgerversammlung in Bad Tölz:Gut aufgestellt in schwieriger Zeit

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75 Minuten lang referierte Bürgermeister Ingo Mehner vor etwa 40 Zuhörenden in der Bürgerversammlung im Pfarrheim Hl. Familie über große und kleine Themen der Stadtpolitik. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bürgermeister Ingo Mehner sieht die Energieversorgung in Tölz durch die Stadtwerke gesichert. Außerdem verweist er auf stark steigende Zahlen im Tourismus und viele Maßnahmen der Stadt im Kleinen. In den Fragen der Bürger gehen es unter anderem um Wohnungsnot, Verkehr und Hotelprojekte.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Ziemlich genau 75 Minuten brauchte Ingo Mehner (CSU), um in der Bürgerversammlung am Donnerstag einen Parforceritt durch die Stadtpolitik zu unternehmen. Im Pfarrheim Hl. Familie in der Karwendelsiedlung, wohin die Stadt die Tölzer Bevölkerung dieses Jahr eingeladen hatte, kam der Rathauschef in einer Rede ohne Punkt und Komma vom Großen ins Beiläufige, von Details wieder zu übergeordneten Zielen. Auch die oftmals kleinen Themen, mit denen Bürgerinnen und Bürger zu ihm kämen, seien für sie groß, sagte er vor nur rund 40 Zuhörenden. Allerdings: "Wir werden künftig nicht alle Wünsche befriedigen können." In einer durch Corona, Ukraine-Krieg, Klimawandel und Energiekrise herausfordernden Zeit müsse die Stadt ihre Ressourcen stärker konzentrieren. Sie werde sich aber auch nicht auf ein, zwei Kernprodukte fokussieren, schließlich sei sie kein Konzern.

Acht Stationen umfasste Mehners Vortrag: Beleben der Stadt, Kinder, Jugendliche und Sportstätten, Aufenthaltsqualität, Verkehr und Infrastruktur, Energie- und Nachhaltigkeit, Wohnen, Gewerbe und Tourismus, Soziales. Er rekurrierte auf die vielfältigen Angebote nach Corona wie die Rosentage, die Reihe "Stadt mit der besondere Note" oder "Vier Tage, vier Bands", auf den Ärger mit den Baufirmen beim Neubau an der Jahnschule, wo nun endlich die Turnhalle in Betrieb gehen kann, auf das Radwegekonzept und die Sanierung der Bairawieser Straße, auf die Wohnbauprojekte am Hintersberg, an der Königsdorfer Straße und künftig auch an der Arzbacher Straße, auf die Ansiedlung der Technologieparks "Tizio" der TU München. Und, und, und, und. Er könne nicht jedes Thema ansprechen, sagte Mehner. Probiert hat er es trotzdem.

Einen längeren Halt legte der Bürgermeister bei der Energieversorgung ein. Die große Stärke von Bad Tölz seien die Stadtwerke, die es zurzeit noch schafften, die Energiepreise stabil zu halten, sagte er. Dies gelte für Strom und Gas, bei Haushalts- und Gewerbekunden. Nur die höheren Abgaben, die der Staat festlege, würden weitergereicht. Der Grund sei der langfristige Einkauf der Stadtwerke. Dies gelte allerdings nicht für Großkunden wie die Gastronomie, wo die Verträge nur ein bis drei Jahre laufen.

Wegen dem Bau von Wohnungen für sozial Schwache und dem neuen Heizwerk am Feuerwehrhaus fragte Jürgen Reif nach. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Energie bekommt Bad Tölz durch das Isarkraftwerk und die Freiflächen-Photovoltaikanlage in Farchet. Mehner zufolge investiert die Stadt jedes Jahr eine siebenstellige Summe in den Ausbau des Nahwärmenetzes, 2022 an der Jahnschule und der Hindenburgstraße. Zudem ist ein neues Heizwerk am Feuerwehrhaus geplant. Jürgen Reif wollte in der Bürgerversammlung wissen, wann der Baubeginn und wie hoch die Leistung des Kraftwerks sei. Dazu konnte Mehner keine genauen Angaben machen. Noch laufe das Genehmigungsverfahren. Ziel sei es, 2023 mit dem Bau zu beginnen, sagte er. Fabian Wilhelm regte an, privates Kapital für solche Projekte zu akquirieren, etwa für einen Solarpark. "Im Sinne einer Bürgerbeteiligung", sagte er. Die Antwort des Bürgermeisters: "Die Stadtwerke sind zu 100 Prozent Bürgerbeteiligung."

Eine für Bad Tölz erfreuliche Entwicklung: Der Tourismus nimmt nach der Corona-Pause so richtig Fahrt auf. Fürs nächste Jahr habe man so viele Gästeanfragen wie seit dem Ende der alten Sozialkur in den Neunzigerjahren nicht mehr, sagte Mehner. Das wirft allerdings auch Probleme auf: Das Personal fehlt in der Branche, außerdem haben einige Hoteliers in Tölz ihre Häuser als Unterkünfte für geflüchtete Ukrainer geöffnet, was den ohnehin gravierenden Mangel an Betten noch verschärft. Der wird ein wenig gemildert durch das neue, etwa 100 Betten umfassende Naturhotel "Bergeblick", das Investor Johannes Tien auf der Wackersberger Höhe baut. Was denn mit dem Hotelprojekt an der Bockschützstraße sei, hakte Rosi Holzapfel nach. "Wir stellen gerade den Bebauungsplan auf, ich kann nicht sagen, wie lange das Verfahren dauert", so Mehner.

2022 ist das Jahr der Baustellen in Bad Tölz. Vor allem im Kurviertel, wo die Telekom rund 4000 Haushalte mit Glasfaseranschlüssen versorgen will. "Das ist eine Riesenbelastung für den Autoverkehr, sagt Mehner. "Wir führen Gespräche, wir regen an, wir drohen." Zum einen sei man zwar froh, dass solche Anschlüsse verlegt werden, andererseits gebe es da Rosinenpickerei. "Die Privatunternehmen dürfen verlegen, wo sie wollen, die Kommunen dürfen Bereiche machen, die niemand machen will."

Ein Thema war auch die Wohnungsnot. Jürgen Reif fragte, wie viele Leute in Tölz das Recht auf eine Sozialwohnung haben. Etwa 79, erwiderte Falko Wiesenhütter, Geschäftsführer im Rathaus. Ebenso wie Mehner erinnerte er an den Bau günstiger Wohnungen durch die Stadt an der Osterleite und an der Königsdorfer Straße. Zudem verwies Mehner darauf, dass man zwar verdichten, aber durch Wohnungsbau nicht zu viel Nachzug generieren wolle. Ute Reuter vom Seniorenbeirat des Landkreises forderte, das alte Pflegeheim Josefistift nach dem Neubau auf der Flinthöhe künftig als günstigen Wohnraum für alte Menschen bereitzustellen. Das Haus und das Areal gehörten der Josefispitalstiftung, die Altenpflege betreibe, so Mehner. Denkbar wären dort auch eine Tagespflege oder preiswerte Domizile für Pflegepersonal.

Landrat Josef Niedermaier (FW) sprach in diesem Zusammenhang noch eine weitere Entwicklung an: Die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan steige wieder. Dies verschärfe die Wohnungsnot in der Region. Eine zweite Herausforderung für den Landkreis seien die Energiepreise. Wichtig sei, dass man sich den Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht nehmen lasse. Immerhin, so Niedermaier: "Die Stadt Bad Tölz ist gut aufgestellt auch für einer schwierige Zeit."

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