Bürgerentscheid in Wolfratshausen:1000 haben schon abgestimmt

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15 000 Wahlberechtigte sind aufgerufen, am Sonntag über den Bürgerladen zu entscheiden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Claudia Koestler und Pia Ratzesberger, Wolfratshausen

Noch sind die Türen am Untermarkt 10 verschlossen, die Fenster mit Plakaten beklebt. Ob dort ein Bürgerladen einziehen wird, über den Stadträte und Initiative seit Monaten streiten, darüber entscheiden am Sonntag die Bürger. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Bürgerentscheid:

Warum soll es einen Bürgerladen geben?

In der Altstadt gibt es kein Lebensmittelgeschäft mehr, seitdem die Tengelmann-Filiale zugemacht hat. Ein Bürgerladen soll die Versorgungslücke schließen und mehr Leute in den Markt locken, wo ein Dutzend Geschäfte leer stehen.

Warum kam es zum Streit?

Die Stadträte hatten sich noch im Februar dafür ausgesprochen, dass die Stadt das Gebäude am Untermarkt 10 selbst saniert für rund 460 000 Euro. Als dann herauskam, dass die Sanierungskosten sehr viel höher liegen werden - momentan ist von 820 000 Euro plus möglichen 30 Prozent die Rede - kippte die Stimmung im Rat.

Um welchen Beschluss geht es auf dem Stimmzettel?

Nachdem die Kostensteigerung publik war, hat der Stadtrat am 7. Juli dieses Jahres beschlossen, das Gebäude an einen privaten Investor in Erbpacht zu vergeben. Dieser würde einen Erbpachtzins an die Stadt entrichten, die Stadt wiederum würde Räume im Obergeschoss zu einer ortsüblichen, relativ hohen Miete vom Investor zurückmieten - unter anderem für das Heimatmuseum und dessen Lager.

Worüber sollen die Bürger abstimmen?

Ob der Stadtratsbeschluss vom 7. Juli aufgehoben wird oder nicht.

Was passiert, wenn man Ja ankreuzt?

Die Beschlüsse vor dem 7. Juli werden wieder gültig, das Gebäude am Untermarkt 10 saniert, der Bürgerladen zieht dort ein. Die Befürworter rechnen mit etwa einem Jahr bis zur Eröffnung, es sei denn, bei den Vergaben gibt es Komplikationen.

Was passiert, wenn man Nein ankreuzt?

In diesem Falle behält der Stadtratsbeschluss vom 7. Juli Gültigkeit. Die Immobilie würde einem Investor in Erbpacht zur Sanierung überlassen, die Stadt mietet die Räume für das Heimatmuseum zurück. Für den Bürgerladen müsste ein neues Objekt gefunden werden, das nach dem Willen der Untermarkt-10-Kritiker kleiner und weniger sanierungsbedürftig sein sollte.

Was sind die Argumente der Gegner?

Den 16 Stadträten, die sich auch auf Plakaten gegen den Bürgerladen ausgesprochen haben, sind Sanierungskosten und Risiko zu hoch. Zwar würde die Städtebauförderung bis zu 60 Prozent der Kosten übernehmen, dies ist aber an Bedingungen geknüpft: Die Stadt muss während der Förderungszeit von mehr als 20 Jahren mit dem Bürgerladen die Nahversorgung sichern und dem Laden eine vergünstigte Miete ermöglichen. Die liegt bei mindestens 50 Prozent der ortsüblichen Miete, das wären 4,50 Euro pro Quadratmeter Ladenfläche. Die Gegner argumentieren, dass der Stadt so Mieteinnahmen entgehen. Außerdem: Was passiert bei einer Insolvenz? Dann müsste die Stadt ein anderes förderwürdiges Projekt initiieren oder die Förderung zurückzahlen. Die Kritiker fordern deshalb einen anderen, weniger riskanten Standort für den Laden.

Wie argumentieren die Befürworter?

Nur der Untermarkt 10 sei von der Fläche her passend - für eine Wirtschaftlichkeit brauche es mindestens 160 Quadratmeter Verkaufsfläche, ebenfalls für die angestrebte Inklusion. Außerdem sei der Laden gut erreichbar und die Miete günstig.

Gibt es alternative Standorte?

Die Gegner sagen Ja, die Befürworter Nein. Alle Standorte, die von den Gegnern bisher ins Spiel gebracht wurden, sind kleiner als der Untermarkt 10 - etwa das ehemalige Tchibo-Geschäft.

Wann ist der Bürgerentscheid gültig?

Es muss ein Quorum von 20 Prozent erfüllt sein. Bei etwa 15 000 Wahlberechtigten muss es also mindestens knapp 3000 Ja-Stimmen geben, damit der Entscheid gilt. Die Stadt hat nach Angaben von Geschäftsstellenleiter Franz Gehring rund 1500 Briefwahlunterlagen verschickt, davon waren am Freitag mehr als 1000 wieder eingegangen.

Wer darf abstimmen?

Alle EU-Bürger, die seit mindestens zwei Monaten in Wolfratshausen leben und über 18 Jahre alt sind.

Wo und wann kann man abstimmen?

Am Sonntag zwischen acht und 18 Uhr in den Wahllokalen in den Schulen Waldram, Wolfratshausen, Weidach und in der Mehrzweckhalle in Farchet.

Wann und wo werden die Ergebnisse bekanntgegeben?

Erste vorläufige Ergebnisse gibt es zwischen halb sieben und sieben Uhr, zu finden unter www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen.

Wie haben die Wolfratshauser Bürger in anderen Fragen entschieden?

Der Entscheid ist der vierte in der Wolfratshauser Stadtgeschichte. Nach der Aufnahme in die Verfassung 1996 ließ der erste Bürgerentscheid in Wolfratshausen bis 2003 auf sich warten. Dabei scheiterte die Frage, ob der Kindergarten-Standort Hammerschmiedweg dauerhaft erhalten bleiben soll, am Quorum. Nur 1679 Wahlberechtigte und damit knapp 13 Prozent stimmen dem Erhalt des Gebäudes zu, 916 weniger als damals nötig. 2010 haben sich die Wolfratshauser hingegen eindeutig gegen eine S-Bahn-Schranke an der Sauerlacher Straße ausgesprochen. Mit 80,8 Prozent der abgegebenen Stimmen beauftragten sie die Stadt, im Falle einer Verlängerung der S 7 bis Geretsried eine Schrankenlösung zu verhindern. Mit 54,9 Prozent hatten sich mehr als die Hälfte der knapp 14 000 Stimmberechtigten an dem Bürgerentscheid beteiligt. Zuletzt waren die Wolfratshauser 2014 aufgerufen zu entscheiden: 4410 oder 69,83 Prozent der Stimmberechtigten stimmten gegen den Neubau des Stadtarchivs am Ufer der Loisach.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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