Bühne:Wortlos glücklich

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Florian Keindl überzeugt in der Rolle des Königs, hier umgeben von der ganzen Theatergruppe. (Foto: Manfred Neubauer)

Integratives Theaterprojekt zeigt, wie man sich auch ohne Sprache verstehen kann

Von Paul Schäufele, Bad Tölz

Wörter haben Wert wie Geld, so lautet die Übersetzung einer lateinischen Redewendung. Doch was passiert, wenn man diese Idee einmal konsequent zu Ende denkt? Das konnten die Zuschauer von "Die große Wörterfabrik" erfahren. Am Freitag hatte das Stück Premiere in der Alten Madlschule in Bad Tölz. Zum dritten Mal kooperierte die Komische Gesellschaft unter Leitung von Ulla Haehn mit dem Arbeitskreis für Menschen mit Behinderung (AfMB).

Die Idee zum Stück entstammt dem gleichnamigen Kinderbuch von Agnes de Lestrade und Valeria Docampo: Der König (überzeugend feudal: Florian Keindl) eines fernen Landes lässt eine Fabrik bauen, die Wörter herstellt. Die künstlich produzierten Begriffe müssen also von nun an gekauft werden, sie stehen nicht mehr frei zur Verfügung. Es war ja gut gemeint: Der König wollte nur, dass seine Untertanen mehr auf ihre Wortwahl Acht geben. Die Folge allerdings lässt die Bürgerinnen und Bürger des Landes verstummen. Sie können sich die Worte nicht mehr leisten.

Mit viel Witz und Engagement gelang es dem Ensemble, wichtige Fragen auf die Bühne zu bringen und auf leicht fasslich Weise darzustellen: Fragen nach Feingefühl im Umgang mit Sprache, dem Gelingen von Kommunikation, aber auch nach Gerechtigkeit - Sprache ist ein Allgemeingut, doch plötzlich kann sich nur noch eine kleine Oberschicht brauchbare Wörter leisten. Der Großteil der Bevölkerung muss im Müll nach weggeworfenen Wörtern klauben und diese untereinander tauschen. Gemeinsam entstehen so Sätze wie "Wörter können Brücken sein", "Wörter können Menschen trennen", "Wir sind ein tolles Team".

Doch Widerstand regt sich: Otto versucht, durch seine Musik zu kommunizieren - Gelegenheit für Darsteller Martin Hell, seine Fähigkeiten am Keyboard zu zeigen. Paul (Frank Lehmler) dagegen setzt auf Protest und marschiert mit einer Menge erregter Bürgerinnen und Bürger gegen die Fabrik. Die Staatsgewalt in Gestalt einer sturen Polizistin (Ute Eiernschmalz) lässt sich zunächst nicht beirren. Doch gegen Ottos Musik kann auch sie nichts machen. Ratlos, aber glücklich tanzt sie vom Platz. Auch ohne Worte ließ dieser Konflikt sich lösen. So könnte die Geschichte ihr Ende nehmen, ein wortloser Abschied bei Musik. Nur Paul ist noch unglücklich. Er würde seiner Marie (Simone Christof) gerne sagen, wie er sie liebt. Aber für den vielleicht bedeutungsvollsten Satz, der zwischen zwei Menschen gesprochen werden kann, fehlen ihm die Mittel, während Nebenbuhler Oskar (Martin Schröder) romantische Silben verprassend über die Bühne stolziert. Doch auch Oskar lernt: Die Wörter nützen nichts, wenn ihnen keine Taten folgen.

Besonders gilt das für das Wort "Inklusion". In einem kurzen Epilog zum Stück warb Ulla Haehn daher dafür, sich selbst einzubringen, zum Beispiel im Rahmen der Theaterarbeit. Denn das nächste Projekt kommt bestimmt, daran ließ der gelungene Theaterabend keinen Zweifel: Sie sind ein tolles Team.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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