Bühne:Wird gesoffen? Stirbt wer?

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Das Duo "Die Strottern", hier bei einem Auftritt in Lenggries, will das Wienerlied so entstauben, dass es auf der ganzen Welt verstanden wird (Foto: Manfred Neubauer/)

"Die Strottern" bringen Wiener Schmäh ins KKK

Von Thekla Krausseneck, Lenggries

In Lenggries sind die Wiener gern gesehen: 60 Gäste sitzen am Sonntagabend in der Kulturbühne KKK - für die letzten beiden Zuhörer finden sich nur noch haarscharf Plätze. Dauergäste sind Die Strottern in Lenggries nicht, der letzte Besuch liegt ein halbes Jahrzehnt zurück. Was macht sie also so anziehend, die beiden Lockenköpfe Klemens Lendl und David Müller, die sich so nonchalant auf die Bühne setzen, zwischen Singen und Musizieren ihre Instrumente stimmen und ungezwungen plaudern, als säßen sie mit Freunden im Wohnzimmer? Genau das. Und natürlich der feine Wiener Humor.

Die Strottern finden das Wienerische da, wo es auf den ersten Blick fehlt. Zum Beispiel bei Wilhelm Busch. Dessen Geschichten handelten im Grunde alle irgendwie von Wien, sagt Lendl, der den Abend charmant moderiert. "Wird gesoffen? Stirbt wer? Eines von beidem immer." Typisch wienerisch also. Grund genug, Buschs "Lieder eines Lumpen" in Mundart umzudichten. Darin kommt der Held unverhofft zu zehn Gulden. Bei ein paar Humpen Wein denkt er darüber nach, wie er das ganze Geld ausgeben soll - für Bildung etwa oder für einen neuen Hut für seine Frau. Am Ende zahlt er die Zeche und ist die Gulden los. Das Denken habe ihm also weitergeholfen, dichten die Strottern hinzu, "denn die Sorgen, die ich g'habt hab, die plagen mich nimmer mehr". Ein anderes Lumpenlied von Busch fordert so viel von Lendls Geige, dass er danach einige abgerissene Rosshaare aus dem Bezug seines Bogens zupfen muss. "Unser kostspieligstes Lied", sagt er selbstironisch.

Strotter, das waren früher diejenigen, die im Unrat stocherten und nach Verwertbarem suchten. Die Kanalstrotter schöpften das Fett vom Wasser und brachten es zum Seifensieder, sagt Lendl. Einmal hätten sie in Wien gespielt, als ein ehemaliger Ministerialbeamter zu ihnen kam und erzählte, dass er zu Dienstzeiten den letzten Gewerbeschein eines Kanalstrotters gelöscht habe. Den somit ausgestorbenen Beruf des Strotters halten die beiden Mittvierziger mit ihrer preisgekrönten Musik in Erinnerung, indem sie das weite Feld der Wienerlieder nach Verwertbarem abschöpfen. Und wenn sie da nichts finden, singen sie sich mit Eigenkompositionen nach Wien. Oder dichten einen Song aus den USA um. So wird etwa aus "Lydia the Tattooed Lady" von den Marx Brothers "Lydia das gepeckte Mädel". Peckerl ist wienerisch für Tattoo. Stammtexter der Eigenkompositionen ist Peter Ahorner. Der 60-jährige Wiener lebe noch - und sei deshalb nicht besonders berühmt in Österreich, sagt Lendl augenzwinkernd. Ahorner und die Strottern treten bisweilen gemeinsam auf, genau genommen gehören sie zusammen "wie Donaustrom und Steckerlfisch". Mit einem Lied auf den Fußballer Zinédine Zidane hat das Trio in Wien einen Hit gelandet.

Manchmal spielen Lendl, Müller und Ahorner vor Kindern auf und singen das Lied von den Tieren im Schönbrunner Zoo. Am Sonntag wünscht es sich KKK-Betreiberin Sabine Pfister für ihre Tochter Nina, und die Strottern beweisen: Manche Kinderlieder funktionieren auch vor Erwachsenen. Wenn diese auch ein wenig anders denken. Das Lied beginnt mit: "Eisbär, Afferl, Zebra, Löwe (. . .) Klapperschlange, Krokodil, alle Tiere haben nur ein Ziel", und das Publikum gibt zur Antwort: "Essen!" - "Lustig", erwidert Lendl, "das sagen die Erwachsenen immer." Die Kinder indes wüssten stets die richtige Antwort: Die Tiere wollen raus! Sie verteilen sich in der Stadt, der Otter liest in der U-Bahn Harry Potter, das Stinktier sperrt sich im Klo ein und "der Elefant futtert mit seinem Schatz das Gras von einem ganzen Fußballplatz". Dass das keine Kaffeehausmusik mehr ist, stört niemanden. Es ist charmant und ein bisschen schräg. Also ganz Strottern.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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