Protest gegen G-7-Gipfel:Mit Traktor, Rad und Eisbären

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Um möglichst viele Menschen zu erreichen, wählt Markus R. aus Degerndorf eine Autobahnbrücke für seinen Protest gegen den G-7-Gipfel in Elmau. (Foto: oh)

Kritiker des G-7-Gipfels äußern sich auf ganz unterschiedliche Art: als Einzelkämpfer mit Plakat, mit klimapolitischen Forderungen auf dem Berg und als demonstrierende Friedensaktivisten.

Von Erik Häußler, Ingrid Hügenell und Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Ein Oldtimer-Traktor. Ein Protestplakat gegen den G-7-Gipfel. Und daneben ein Mann in Lederhosen. Schauplatz dieser ungewöhnlichen Situation ist eine Autobahnbrücke über der A95. Der Protestler: Markus R. aus Degerndorf. Er macht seinem Ärger über den bevorstehenden Gipfel der mächtigsten Industrienationen in Elmau Luft: "Ich lehne den Gipfel bei uns in der Region ab, weil ich die hohen Kosten und den Aufwand nicht nachvollziehen kann. Wir Steuerzahler zahlen doch in Berlin ohnehin einen Palast, wieso wird das dann nicht dort veranstaltet?"

Damit spreche er vielen Bürgern aus der Region aus dem Herzen - doch nur wenige äußerten ihren Unmut so offen wie er, sagt der 47-Jährige. "Zunächst habe ich überlegt, das Ganze anonym zu machen, aber wir haben ja schließlich Grundrechte hier, die ich auch wahrnehmen will." Deshalb hatte auch die herbeigerufene Polizei nichts gegen seine Aktion: "Ich fahre eben gerne spazieren", habe er den Polizisten mit einem Augenzwinkern erklärt.

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Um möglichst viele Menschen zu erreichen, wählte der Familienvater die nahe Autobahnbrücke als Ort des Protests. Auch um den vielen Polizeiautos, die inzwischen in der Region unterwegs sind, im Gedächtnis zu bleiben. Die Reaktionen der Vorbeifahrenden seien überwiegend positiv gewesen, berichtet er. Ob VW-Bus oder Luxus-Karosse - viele hätten beipflichtend gehupt oder ihre Daumen nach oben gerichtet als Lob für die Aktion des Mannes in den Lederhosen. "G 7 - Go Berlin" - steht auf seinem Plakat.

R. möchte den Gipfel nicht hier haben. Er sieht eine "Gefahr für die ganze Region". Bei den großflächigen Absperrungen und Kontrollen sei noch gar nicht abzuschätzen, mit welchen Einschränkungen die Bürger in der Region konfrontiert sein werden: "Was ist, wenn jemand im Notfall schnell ins Krankenhaus muss, die Straßen aber blockiert sind?", fragt er. Bei schlechtem Wetter besteht der Plan, die Gipfelteilnehmer über die Straßen Oberbayerns nach Elmau zu bringen, statt mit dem Helikopter. Das hieße dann: erhebliche Behinderungen.

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Zu den großen Protestaktionen am kommenden Donnerstag in München oder um Elmau und Garmisch wird Markus R. mit seinem Oldtimer aber wohl nicht fahren. Das sei ihm dann doch zu blöd, sagt er und winkt ab. Die kommenden Tage will er noch ein paar Mal zur Autobahnbrücke. Spazierenfahren - mit Traktor, Lederhosen und Protestplakat.

Vom Gipfel an den Gipfel

Andrew Blackwell vom Verein "Guat's Klima" wird sich der Radtour der Deutschen Friedensgesellschaft von München nach Garmisch anschließen. Dabei will er versuchen, für die Forderungen Gehör zu finden, die er und 70 Teilnehmer auf dem Gipfel des Herzogstands verkündet haben.

Der Bichler Verein hatte am Wochenende einen Klimagipfel mit gut 60 Teilnehmern in Benediktbeuern organisiert, bei dem die klimapolitischen Forderungen erarbeitet wurden. Am Sonntag bestiegen etwa 70 Teilnehmer den Herzogstand, um dort, beinahe in Sichtverbindung mit Elmau, ihre klimapolitischen Forderungen an den G-7-Gipfel zu verkünden. Sepp Kloiber aus Lenggries und die Gruppe "Kofelgschroa" aus Oberammergau begleiteten die Aktion musikalisch.

Die Klimaaktivisten fordern ein gerechtes und ambitioniertes globales Klimaabkommen, das die internationale Klimakonferenz ihrer Auffassung nach im Dezember in Paris verabschieden soll. Demnach sollen die globalen Emissionen so gemindert werden, dass die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt wird. Die Industriestaaten sollen einen fairen Anteil zum Klimaschutz beitragen und ihre historischen Schulden, was den Ausstoß von Treibhausgasen betrifft, begleichen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, das eigene klimapolitische Ziel einzuhalten: die deutschen Treibhausemissionen um 40 Prozent abzusenken. Fossile Energieträger sollen im Boden bleiben, erneuerbare Energien bis 2050 den gesamten Energiebedarf decken.

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Eine weitere Forderung von "Guat's Klima": Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz sollen an Schulen, in Universitäten und Ausbildungsstätten gelehrt werden, Schüler, Studenten und Auszubildende zum Handeln ermutigt werden. Und nicht zuletzt fordern die Klimaschützer "eine Zukunft für alle Kinder und für all die noch Ungeborenen dieser Erde".

Grundsätzliche Kritik

Die Friedensinitiative im Landkreis unterstützt den Aufruf des Aktionsbündnisses "Stop G 7". Die Sprecher Andreas Wagner aus Geretsried und Helmut Groß aus Bad Tölz wollen an der Großdemonstration in München am Donnerstag sowie am Samstag in Garmisch-Partenkirchen teilnehmen. Außerdem stellt die Friedensinitiative einigen Mitgliedern der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG), die von München nach Garmisch radeln , für eine Nacht Betten bereit. Die DFG plane am Freitagvormittag, 5. Juni, eine Kundgebung und eine Anti-Kriegsperformance von 9.30 Uhr an am Tölzer Max-Höfler-Platz, sagt Groß. Daran werde sich die Friedensinitiative beteiligen. Groß kündigt an, die DFG-Mitglieder mit dem Rad zu begleiten.

Der G-7-Gipfel signalisiere die Arroganz der Macht, sagt Wagner. Die hohen Kosten, die das Treffen verursacht, sind für ihn inakzeptabel. Seiner Ansicht nach sollten sich die Staatschefs besser am Rande einer Vollversammlung der Vereinten Nationen oder im deutschen Bundeskanzleramt treffen. "Das muss nicht in Elmau und hier in Bayern sein."

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Laut Wagner wendet sich die Friedensinitiative gegen die Außenpolitik der G-7-Staaten, die sehr stark auf Militär setze. Für ihn sind Atomwaffen völkerrechtswidrig. Der Drohnenkrieg der USA gegen Terrorverdächtige ohne Gerichtsverfahren sei illegal, sagt Wagner. Weil auch Unbeteiligte umkämen, würden nur neue Terroristen gezüchtet. Kritisch bewertet Wagner das Freihandelsabkommen TTIP.

Groß hofft, dass möglichst viele Menschen in München gegen den Gipfel demonstrieren. Die Wolfratshauser Grünen und der Arbeitskreis Frieden der Kreis-SPD werden die Protestradler der DFG auf ihrer Fahrt nach Elmau in Wolfratshausen empfangen. Sie wollen sie am Donnerstag um 17 Uhr am Marienplatz bewirten.

Weil alle Rettungskräfte in der Feuerwehrschule untergebracht wurden, bleibt das Geretsrieder Schulzentrum frei. Dortige Schüler haben deshalb nur am Montag zusätzlich frei. Abiturienten hingegen müssen zur mündlichen Prüfung antreten.

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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