Bad Tölz-Wolfratshausen:Corona-Sommer in den Bergen

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Dieses Wochenende wird das Almvieh zurück in die Täler getrieben. Zeit für eine Bilanz dieser Wandersaison, die gleich in mehrfacher Hinsicht doch recht außergewöhnlicher war.

Von Sandra Freudenberg

Landrat Josef Niedermaier geht viel in die Berge. Auch mit dem Mountainbike ist der 56-Jährige gerne unterwegs, zum Beispiel am Rechelkopf: "Aber wenn ich an einem Freitagnachmittag den Wanderweg runter möchte, muss ich mein Radl hat schieben. Da kann man nicht einfach rufen: Obacht - und dann durchbrettern." Damit spricht er einen Grundkonflikt an, der besonders in diesem Sommer aufflammte. Auf den bekannten Ausflugsbergen, den sogenannten Münchner Hausbergen, waren bei gutem Wetter und am Wochenende mehr Gäste als üblich unterwegs. Wanderer brüsteten sich damit, Mountainbikern den Weg zu versperren, Radfahrer fühlen sich wie Freiwild: Am Taubenberg im Landkreis Miesbach sperrten die Biker sogar auf eigene Initiative hin ihre Trails, um weitere Konflikte zu vermeiden. Hier wurden Biker tätlich angegriffen.

Biken und Wandern läuft auf demselben Wegenetz. Wenn dann zusätzlich besonders viele Menschen unterwegs sind, wie im aktuellen Corona-Sommer, bleibt Ärger oft nicht aus. Beide Sportarten sind sehr beliebt: Fast 50 Prozent der DAV-Mitglieder fahren Mountainbike, rund 90 Prozent gehen Bergwandern. Zwölf Millionen Deutsche besitzen ein Mountainbike und über 3,7 Millionen geben an, regelmäßig zu biken. Beim Wandern sind es sogar sieben Millionen.

Mehr Müll als sonst

Der Blomberg-Koordinator Manuel Wilke bilanziert die Lage am Blomberg so: "Merklich war dieses Jahr mehr Müll auf dem Berg zu finden". Manche Gäste müssten sich noch in Naturverständnis und Rücksicht üben, sagt er. Gesamt gesehen sei das Jahr aber gut gelaufen.

Ob der Müll von Radfahrern oder Wanderern, Einheimischen oder Gästen stammt, ist dabei ein beliebtes Gedankenspiel Der Deutsche Alpenverein (DAV) lässt sich auf die Suche nach dem Schuldigen allerdings nicht ein, sondern arbeitet an einem Projekt mit dem Namen "Bergsport Mountainbike - nachhaltig in die Zukunft". Gesucht werden Lösungen, um Konflikte zwischen Bikern und Wanderern zu verhindern.

Die Hütten-Wirte

Bedingt durch den Corona-Shutdown begann die Saison der Hüttenwirte heuer später. Obwohl eine Schutzhütte in den Bergen nicht über die Ausstattung einer Gastronomie im Tal verfügen kann, galten auf den Hütten und Almen dieselben Vorschriften wie im Tal. "Die Abstandsregelungen in den Matratzenlagern und engen Gasträumen einzuhalten, erforderte viel Kreativität", so DAV-Pressesprecher Thomas Bucher. "Der Gästeansturm nach Ende der Reisebeschränkungen und der Run auf die Alpen durch den Wegfall der üblichen Urlaubsziele überraschte viele Wirtsleute", berichtet er.

Die Auflage, dass sich pro Schlafraum maximal zehn Personen aus unterschiedlichen Haushalten aufhalten dürfen, brachte vor allem die Hüttenwirte in Bedrängnis, die über große Matratzenlager verfügen. Sie konnten in der Regel ihre Kapazitäten nur zu 25 bis 40 Prozent auslasten. Manche Hütten, wie das Soiernhaus, hielten ihre Zimmer und Lager komplett geschlossen. Das wiederum führte vermehrt zu wildem Camping der Bergsteiger in dem Gebiet.

Der Almsommer

Noch ist es auf der weitläufigen Almlichte der Moosenalm unterhalb des Schafreiters unterwegs: das Jungvieh von vier Bauern aus Gaißach. Bürgermeister Stefan Fadinger war auch in diesem Sommer auf der "Moosen". "Seit 30 Jahren gehe ich rauf, in diesem Jahr aber leider nur für zwei Wochen", so Fadinger. Die letzten Tage der 149 Stück Jungrinder, zweier Stuten und dem Hengstfohlen Hias, die einen ruhigen, beschaulichen Almsommer auf der sonnigen Fläche der auf rund 1600 Metern gelegenen Alm genossen haben, endet diesen Samstag. Dann wird Thomas Fadinger, der Sohn des Bürgermeisters, der gerade seinen Jahresurlaub auf der Alm verbringt, die Tiere ins Tal zurückbringen. Laut Hans Stöckl , dem Geschäftsführer des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern, war es allgemein ein guter Almsommer. Nach dem schneearmen Winter konnte das Vieh früh auf die Hochweiden, so dass dieses unerwünschten Bewuchs abfraß und damit die Almlichte vor dem Verbuschen schützte. Es gab laut Stöckl ausreichend Futter und Wasser, nur im August kam es zu einigen Murenabgänge nach Starkregen.

Insgesamt seien viel mehr Touristen unterwegs gewesen. Auch Verstöße gegen die Corona-Regeln seien auf den Almen da nicht ausgeblieben, die seien auch polizeilich geahndet worden. "Im Landkreis Bad Tölz- Wolfratshausen selbst gab es aber keine solche Fälle", betont Stöckl.

Der Wolf

Sorgen machen Stöckl, Landrat Niedermaier und dem Gaißacher Bürgermeister Fadinger Beobachtungen auf Almen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und im Chiemgau. Dort wurden vereinzelt Wölfe gesichtet. "Wölfe in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft zu akzeptieren, halte ich für schwierig", sagt dazu Josef Niedermaier. Fadinger hält es für eine "Zumutung für die Hirten und Bauern", sich auf den Almen mit Wölfen arrangieren zu müssen. Weder Herdenschutzhunde noch Zäune seien eine Lösung.

Ausblick auf den Winter

Bergsteigern stehen in normalen Zeiten unbewirtete Winterräume in zwölf Hütten in Bayern zur Verfügung, die sie während der Schließzeit für Touren nutzen können. Diese Räume sind in der Regel unversperrt und bieten Schlaf- sowie Kochgelegenheiten. Das Problem seit Corona: Ohne Aufsicht und Reservierung können die in Bayern geltenden Abstandsregeln in den Winterräumen nicht überwacht werden. Deshalb hat sich der DAV gegen eine touristische Nutzung in diesem Jahr entschieden. Dennoch bleiben die Winterräume geöffnet, allerdings ohne Decken und Kochmaterial. Schutzsuchende können dort im Notfall also unterkommen, geplante Übernachtungen sind nicht möglich.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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