Konzertkritik:"Unendlich viele Yesterdays"

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Die "Bananafishbones" beim ersten ihrer Weihnachtskonzerte in diesem Jahr im Tölzer Kurhaus. (Foto: Manfred Neubauer)

Beim Weihnachtskonzert zeigen die "Bananafishbones" im Tölzer Kurhaus nach zwei Jahren Pause eine verlässliche Routine mit Spaß am Rock und einem Stargast.

Von Annika Nopper, Bad Tölz

Der ganze Saal im Tölzer Kurhaus, von der Bühne über den Christbaum daneben bis zum Kronleuchter an der Decke, ist in blaues Licht getaucht. Die ersten Akkorde des Songs "Clue" erklingen: "People disappear like socks in the washer" ist die erste Zeile. Es ist wieder Weihnachtszeit, das heißt in Tölz: Die Bananafishbones spielen. In ihrem ersten Lied des ersten von drei ausverkauften Konzerten am Mittwochabend geht es um Sehnsucht, ums Wollen und Nichthaben und darum, dass jeder manchmal "keinen Clue hat". Und die Fishbones, wie sie sich selber nennen, spielen so gefühlvoll, dass es einen fast wundert, wie gut sie dabei sind.

Die drei Musiker wissen genau, was sie tun und was sie wollen. Und das weiß auch ihr Publikum. Zwischen den Songs fängt Sebastian Horn an zu erzählen. Davon, dass er noch überlegt, was er seinen Kindern zu Weihnachten schenken wird, "ist ja noch Zeit", und dass es in München mehr Schnee hat als in Tölz. Und erst wenn der nächste Song beginnt, erkennt man die mühelosen Überleitungen als solche. Die Weihnachtskonzerte sind nach zwei Jahren Corona-Pause eine willkommene Rückkehr zur Routine und es ist beruhigend, dass die Musik, die hier gespielt wird, immer noch funktioniert, und dass alle gebannt auf die Bühne blicken. Auf den Stühlen getanzt wird zwar nicht, nur auf der Empore stehen eine Handvoll Leute, aber jeder Kopf und jeder Fuß wippt mit. Die Menge klopft auf den Schenkeln im Takt, manchmal auf den eigenen, manchmal auf denen vom Nachbarn.

Die drei Männer auf der Bühne machen seit 1987 zusammen Musik. Ihre Souverenität zeigt sich immer wieder, etwa wenn Sebastian Horn mitten im Song seinen Bass stehen lässt und sich kurzerhand zu Peter Horn ans Keyboard gesellt. Oder daran, dass Florian Rein nicht nur sein Schlagzeug, sondern auch die Chimes, das Glockenspiel, eine Rassel und das Marimbaphon völlig unter Kontrolle hat. Er macht das schließlich schon jahrzehntelang.

"Unendlich viele Yesterdays, wo wir sagen, wow, waren das tolle Abende", wünscht sich Sebastian Horn. Vor Sentimentalität hat er keine Angst. "Wir werden uns verstorbene Musiker wieder ins Gedächtnis rufen", verkündet er und spielt den Rock 'n' Roll-Klassiker "Great Balls of Fire" von Jerry Lee Lewis an. Mit jedem weiteren Song probiert das Trio ein neues Genre aus, bis hin zum Filmmusikmacher Vangelis. Horn berichtet, dieser solle Country-Musik gehasst haben: "Er hat mal gesagt, ich bin so froh, dass ich Musik mache, die keine Country-Band verunstalten kann. Und wenn es doch eine macht, dann lege ich einen Fluch auf diese Welt." Wie ein Fluch fühlt es sich nicht an, aber auf jeden Fall surreal, als auf einmal sein bekanntes Lied "Chariots of Fire" aus "Die Stunde des Siegers" aus den Lautsprechern hallt und die Fishbones in Slow-Motion über die Bühne schweben.

Gegen Ende holen die alten Hasen noch die junge Marlene Rein ans Keyboard. Dieses Jahr ist nämlich auch Andy Fletcher, der bei Depeche Mode am Keyboard und Synthesizer stand, gestorben. Ihm wollen die vier Tölzer mit dem 90er-Jahre-Hit seiner Band "Enjoy the Silence" gebührend gedenken.

Das Highlight der Show ist dann aber die Soloeinlage vom 80-jährigen Pete York. Der gebürtige Brite ist als Schlagzeuger, unter anderem der Spencer Davis Group, "einfach eine Legende", wie ihn Florian Rein ankündigt. Von hinten kommt Pete York auf die Bühne und nimmt am Schlagzeug Platz. Die Drumsticks fallen ihm zunächst herunter, was ihn und das ganze Publikum zum Lachen bringt. Und dann legen sie los mit dem dem Spencer-Davis-Group-Song "Gimme Some Lovin'". Pete York singt und spielt die Drums, wie frisch aus den Sechzigern. Irgendwann lehnen sich die anderen vier auf der Bühne zurück, York rockt alleine weiter, die drei Tölzer tanzen dazu auf der Bühne.

Die Weihnachtskonzerte der Bananafishbones sind zwar eine gute Ablenkung vom Stress dieser Tage. Aber dass sie wieder ausverkauft sind, liegt nicht an Realitätsflucht. Schließlich ist ihr einzigartiger Sound, den das Publikum im Kurhaus verlässlich zu hören bekommt, ziemlich real.

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