Ausstellung:Bilder im Kopf und im Handy

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Flüchtlinge zeigen im Ickinger Rathaus ihre Fotos und erzählen von der Heimat

Von Claudia Koestler, Icking

Das Kabuli Pilau duftet schon von Weitem verführerisch, die Karottenstifte und Rosinen darauf lassen die kiloschwere, riesige Reistafel kontrastreich bunt leuchten. Daneben locken große Schalen mit Auberginen in Joghurt-Kräutersoße, andere mit Obst oder Falafel. Massod Bahram bietet den Ickingern, die sich in einer Mischung aus Neugierde und Begeisterung an dem reichen Buffet bedienen, dazu Nanbrot und ein Lächeln.

An die 50 Ickinger Bürger sind in den Sitzungssaal des Rathauses gekommen und fanden sich in einem Fest der Kulturen wieder. Ursprünglich war die Veranstaltung angekündigt als Rahmenprogramm zu einer Ausstellung, die derzeit im Ickinger Rathaus zu sehen ist. Asylsuchende, die in der Gemeinde Icking leben, zeigen in der Ausstellung Fotos, die sie zum Teil mit ihren Handys aufgenommen hatten, bevor sie aus ihrer Heimat flohen. Weil diese Bilder mitunter sehr persönliche Eindrücke vermitteln, ermöglichen sie dem Betrachter ganz direkt eine neue Wahrnehmung einer Welt des Terrors, von Flucht und Asyl. Was noch einmal eine andere Bedeutung gewinnt, wenn die Urheber der Fotos von den Umständen hinter den Bildern erzählen. Deshalb hatte die Initiatorin der Ausstellung, Anne Szynka, zusammen mit der Gemeinde den Begegnungsabend angeregt.

In der Tat gab der Abend einen erweiterten Einblick in andere Welten. So wie beispielsweise jene, aus der Haitham Noman stammt. Der Kinderarzt aus Syrien, dessen Ehefrau und zwei Kinder noch immer dort ausharren, eröffnete den Abend mit einem kurzen Abriss über die wechselhafte Geschichte seines Heimatlandes und erklärte: "Heute erlebt Syrien den Dritten Weltkrieg, denn Nationen aus der ganzen Welt kämpfen dort gegeneinander." Es mache ihn äußerst traurig, dass es dort inzwischen "keinen Platz mehr für gemäßigte Menschen gibt wie mich." Bilder vor seiner Flucht zeigten ihn zunächst noch fröhlich mit seiner Familie im Urlaub oder konzentriert bei der Arbeit, ehe er dokumentierte, wie Krieg und Zerstörung immer näher an sein Umfeld und an sein Leben rückten. Er floh über die Türkei zunächst nach Griechenland. Für die 25 Kilometer über das Meer habe er sieben Stunden in einem Schlauchboot ausgeharrt. Unter den Mitflüchtenden seien 18 Frauen gewesen, von denen zwei schwanger waren, zudem neun Kinder. "Keiner von ihnen konnte schwimmen", sagte Noman und fügte nach einer kurzen Pause an: "Das ist keine gute Erinnerung."

Hamed Tasal stammt aus Wardak in Afghanistan. Der studierte Landwirt, der an einer privaten Universität auch Frauen unterrichtete und deshalb fliehen musste,zeigte eines der vielleicht bewegendsten Bilder der Ausstellung und des Abends: vermummte Taliban-Kämpfer, schwer bewaffnet mit Grantatwerfern und Maschinenpistolen, stehen in einem Obstgarten mit Bäumen voller Früchte. Doch ernten kann Hameds Familie, denen große Ländereien und eben jener Obstgarten gehört, nicht - weil die Taliban die Areale für sich beanspruchen.

Andere Flüchtlinge erzählten stattdessen stolz von den ersten Erfolgen, die sie hierzulande errungen haben: In gegenübergestellten Fotos zeigte etwa der afghanische Banker und Unternehmer Jawad Rahimi, dass er heute in Geretsried bei Conrad Computerarbeiten erledigt. Mustafa Sediqui wurde vom Pharma-Großhändler in Kabul zum Praktikanten bei der Deutschen Bahn. Und ein anderer junge Afghane schaffte es in einem Münchner Hotel gar zur Festanstellung. Als Dank an die Bevölkerung, insbesondere auch an den Helferkreis, hatten die überwiegend jungen Männer am Ende des Abends ein Buffet vorbereitet, mit kulinarischen Spezialitäten. Das Geben und Nehmen dort setzte schließlich ein Ausrufezeichen unter den Willen Ickings, das Miteinander wirklich mit Leben zu füllen.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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